Merkel verurteilt antisemitische Ausschreitungen
Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern spitzt sich zu – Mehr als 120 Tote
(dpa) - Nach fortwährenden Raketenangriffen militanter Palästinenser hat Israels Armee am Freitag ihre Angriffe auf den Gazastreifen noch verschärft. „Luft- und Bodentruppen greifen gegenwärtig im Gazastreifen an“, teilte die israelische Armee mit. Eine Sprecherin konnte aber nicht erläutern, ob sich auch Bodentruppen in dem Küstenstreifen befanden. Das israelische Fernsehen berichtete von massiven Angriffen der Luftwaffe sowie der Artillerie und Panzertruppen auf den Küstenstreifen. Nach Medienberichten bereitete sich die Armee auf eine mögliche Bodenoffensive vor.
Angesichts des weiter eskalierenden Konfliktes hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Europa aufgefordert, im Gaza-Konflikt zu vermitteln. „Da offensichtlich die US-Regierung derzeit nicht beabsichtigt, eine diplomatische Führungsrolle in der eskalierenden Krise einzunehmen, müssen das die europäischen Länder tun“, sagte Mützenich am Freitag. Die Bundesregierung müsse sich mit anderen Regierungen tatkräftig beteiligen. Im Vordergrund der Bemühungen müsse eine sofortige Waffenruhe stehen, so dass humanitäre Hilfe geleistet werden könne.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden seit Montag mehr als 120 Menschen getötet. Wie die israelische Armee mitteilte, starben in Israel durch Raketenbeschuss bisher acht Menschen.
Als Reaktion auf Israels Vorgehen kam es in Deutschland zu antisemitischen Protesten und Attacken auf Synagogen unter anderem in Mannheim. Als Reaktion verstärkte BadenWürttemberg den Polizeischutz für jüdische Einrichtungen. Südwest-Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete am Freitag Angriffe auf Synagogen oder das Verbrennen von israelischen Fahnen als widerwärtig.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte die Ausschreitungen erneut: „Judenhass wollen und werden wir in unserem Land nicht dulden.“Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertete die Angriffe als Missbrauch des Demonstrationsrechts. Der Zentralrat der Muslime distanzierte sich von den Ausschreitungen.
(dpa) - Mit einem Großangriff hat Israels Armee ein bedeutendes Tunnelsystem der im Gazastreifen herrschenden Hamas attackiert. „Viele Kilometer“des Netzes seien beschädigt worden, teilte das Militär am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Militante Palästinenser setzten derweil den Beschuss Israels aus dem Gazastreifen am Mittelmeer fort. Nach Angaben der Armee wurden inzwischen insgesamt 1800 Raketen abgefeuert. Vor allem im Umkreis des Palästinensergebiets am Mittelmeer ertönten am Freitag immer wieder Warnsirenen.
Nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums wurden in Gaza seit Beginn der Eskalation des Konflikts am Montagabend mehr als 120 Menschen getötet. Wie die israelische Armee mitteilte, kamen in Israel durch den Raketenbeschuss der vergangenen Tage acht Menschen ums Leben. Ägyptischen Sicherheitskreisen zufolge lehnte Israel ein Angebot der Regierung in Kairo zur Vermittlung einer Feuerpause ab. Die Vereinten Nationen forderten, die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen für Treibstoff- und Hilfslieferungen zu öffnen. In dem abgesperrten Gebiet leben etwa zwei Millionen Palästinenser.
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich während des muslimischen Fastenmonats Ramadan und nach der Absage der palästinensischen Parlamentswahl zugespitzt. Als Auslöser gelten etwa Polizei-Absperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden.
Hinzu kamen Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah wegen Zwangsräumungen sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif). Die Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Die islamistische Hamas hat sich zum Verteidiger Jerusalems erklärt.
Israel macht die zweitgrößte Palästinensergruppe für alle Angriffe aus dem Küstengebiet verantwortlich. Die Hamas wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft.
Nach Angaben der Armee hat die Hamas das in der Nacht auf Freitag attackierte Tunnelsystem über Jahre aufgebaut. Es liegt zu Teilen unter der Stadt Gaza. Es handele sich um eine Art „Stadt unter der Stadt“, sagte ein Armeesprecher. An dem komplexen, rund 40 Minuten dauernden Angriff seien 160 „Luftfahrzeuge“und auch Panzer beteiligt gewesen, die von israelischer Seite Ziele in dem Küstengebiet beschossen hätten. Kein israelischer Soldat betrat demnach den Gazastreifen.
In Medienberichten hatte es zuvor geheißen, die Armee bereite sich auf eine mögliche Bodenoffensive vor. Die Armee schrieb in der Nacht auf ihrem englischen Twitter-Account: „Luft- und Bodentruppen greifen gegenwärtig im Gazastreifen an.“Wenig später gab es Berichte ausländischer Medien, wonach Bodentruppen in den Gazastreifen vorgedrungen seien. Armeesprecher Conricus entschuldigte sich am Morgen für die Fehlkommunikation.
Im Westjordanland gab es am Freitag an mehreren Orten neue Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Nach der Eskalation kam es in den vergangenen Tagen auch in israelischen Städten, in denen ein hoher Anteil arabischer Israelis lebt, zu Ausschreitungen.
In Lod gilt inzwischen eine Ausgangssperre, zusätzliche Sicherheitskräfte wurden im Land verteilt. Ganz beruhigt hat sich die Lage noch nicht: In der Nacht auf Freitag nahm die Polizei erneut Randalierer fest, die Steine und Brandsätze warfen.
Israels Politik ist zutiefst besorgt über die Entwicklung und mögliche langfristige Folgen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht gar eine zweite Front, der das Land gegenüberstehe.