„Wir brauchen enkelgerechte Finanzpolitik“
Warum Landrätin Stefanie Bürkle lieber in Sigmaringen arbeitet als in Stuttgart
- Als die neue Landesregierung am Dienstag den Koalitionsvertrag unterzeichnete, fehlte die Frau, die in den vergangenen Wochen an der Seite von CDU-Landeschef Thomas Strobl stand: Landrätin Stefanie Bürkle (CDU). Eine Kreistagssitzung hatte Vorrang. „Ich muss nachholen, was in den vergangenen Wochen liegen geblieben ist“, sagt die Landrätin, die lange als Kandidatin für ein Ministerinnenamt in Stuttgart gehandelt worden war. Michael Hescheler hat mit ihr gesprochen.
Wann war für Sie klar, dass Sie Landrätin bleiben werden?
Es war für mich kein Thema, nach Stuttgart in die Landesregierung zu wechseln. Ich bin vielmehr als Mitglied des CDU-Präsidiums in die Gespräche gegangen, mit dem Fokus, bestimmte Inhalte zu verhandeln und Brücken zu den Grünen zu bauen. Dabei war mir immer klar, dass ich meinen wunderschönen Beruf nicht aufgeben möchte.
Hatten Sie das Angebot, ein Amt in der Landesregierung zu übernehmen?
Diese Frage hat sich nicht gestellt, weil ich meine Postion von Anfang an sehr klargemacht habe.
Warum ziehen Sie das Büro im Sigmaringer Landratsamt einem Ministerbüro in Stuttgart vor?
Es ist eine Entscheidung für den Landkreis, in dem ich mich unglaublich wohlfühle und der noch eine Fülle an Themen und Aufgaben hat, die ich gerne mitgestalten möchte. Es gibt nur wenige Berufe, die so viel Gestaltungsmöglichkeiten in teilche weise ganz unterschiedlichen Themen bieten, wie der der Landrätin. Landrätin zu sein, ist für mich nach wie vor eine große Freude und insofern bin ich nicht auf der Suche nach etwas Neuem.
Sie waren Teil des fünfköpfigen Machtzentrums der Landes-CDU während der Verhandlungen. Was haben Sie rückblickend erreicht? Einer der größten Erfolge: Der Breitbandausbau wird künftig auskömmlich finanziert. Städte und Gemeinden erhalten eine Gesamtförderung in Höhe von 90 Prozent, das Land unterstützt damit die Bundesförderung noch einmal kraftvoll. Das ist Infrastrukturpolitik pur, das ist phänomenal, weil nachher die Lebensqualität ganzer Landstriche davon abhängt. Ob jemand über Telemedizin mit den Unikliniken verbunden ist oder ob auf dem Land HightechArbeitsplätze entstehen, ob Kinder online unterrichtet werden können, all dies hängt von einem leistungsfähigen Internet ab.
Was war Ihnen sonst noch wichtig?
Mir war wichtig, an den richtigen Stellen zu investieren und eine enkelgerechte Finanzpolitik zu machen. Corona hinterlässt im Landeshaushalt pro Jahr eine Lücke von 3,6 Milliarden Euro. Wir haben vereinbart, dass wir diese Lücke schließen, indem wir Vorhaben umschichten oder priorisieren. Wir haben vereinbart, dass wir die Schuldenbremse beachten. Das heißt: Was wir heute erledigen, muss auch die jetzige Generation finanzieren und wird nicht auf morgen verschoben. Mein zweites Anliegen war das partnerschaftliMiteinander zwischen Kommunen und dem Land.
Was bedeutet dies für die in den Reihen der CDU umstrittene Nahverkehrsabgabe, die die Kreise erheben sollen, um den Ausbau von öffentlichem Bus- und Bahnverkehr mitfinanzieren zu können? Das bedeutet, dass das Land die Mobilitätsgarantie im Dialog mit den Kommunen erarbeitet und uns diese nicht im Diktat vorgeschrieben wird.
Sind Sie für oder gegen die Abgabe?
Ich halte es für richtig, dass wir nur über ein größeres Angebot zu einer steigenden Nutzung von Bussen und Bahnen kommen. Allerdings bin ich der Auffassung, dass das Land das Grundangebot finanzieren muss. Bei über das Grundrauschen hinausgehenden Angeboten, die die kommunale Seite anstößt, muss sie ihren Beitrag zur Finanzierung leisten. Über den Satz „Wir wollen die Mobilitätsgarantie im Dialog mit den kommunalen Partnern einlösen“haben wir lange gerungen.
Warum?
Weil es um einen Milliardenbetrag geht und weil es die kommunale Seite überfordern würde, diesen Betrag allein zu schultern.
Sie haben in den Verhandlungen die Interessen der Kommunen vertreten. Mit welchem Ergebnis?
Im Vertrag ist mehrfach verankert, dass Land und Kommunen vertrauensvoll zusammenarbeiten wollen und das Land am bewährten System des kommunalen Finanzausgleichs festhält. Der Koalitionsvertrag enthält keinen Griff in kommunale Kassen. Nur dadurch können die Kommunen auch weiter Kindergartenund Kindertagesplätze, Testungen in Coronazeiten und vieles mehr für ihre Bürger anbieten.
Wo mussten Sie Federn lassen?
Die Einführung eines Landesfamiliengeldes wäre uns wichtig gewesen. Doch dies war mit Blick auf die finanziellen Folgen nicht zu machen.
Wie geht es nun für Sie persönlich weiter. Ziehen Sie sich aus der Landespolitik zurück?
Im Ehrenamt werde ich weiter als Mitglied des Präsidiums der LandesCDU die politischen Diskussionen begleiten und mich dort einmischen, wo es für die Menschen im Landkreis Sigmaringen und in Oberschwaben wichtig ist.