Wer beim Unfall haftet
Bundestag soll Gesetz zum autonomen Fahren verabschieden – Doch es gibt noch einige offene Fragen
- Autonomes Fahren ist das größte Zukunftsversprechen der Mobilitätswelt. Es soll zum Klimaschutz beitragen, Autos reduzieren und den ländlichen Raum besser anschließen. Damit das selbstfahrende Auto endlich auf deutsche Straßen kommt, hat die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg gebracht. Kommende Woche soll es vom Bundestag verabschiedet werden.
Mit dem neuen Rechtsrahmen würden „die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können, örtlich begrenzt auf vorher festgelegten Betriebsbereichen“, heißt es in der Kabinettsvorlage. Zunächst soll mit dem Gesetz vor allem das autonome Fahren im öffentlichen Nahverkehr und der Logistik angekurbelt werden. Beispielsweise selbstfahrende Kleinbusse sollen Menschen zum Ziel bringen und sich dann selbstständig im Parkhaus abstellen. Güter sollen nicht mehr von einem Logistikmitarbeiter transportiert werden, sondern von einer selbstfahrenden Maschine. Das Gesetz soll langfristig aber auch für die Halter von privaten Autos gelten.
Doch: Es gibt noch viele offene Fragen und Kritik an den löchrigen Regelungen. Beispielsweise besteht ein ethisches Dilemma, für das es noch keine Lösung gibt: Im Extremfall entscheidet die Maschine, ob sie in eine Gruppe von Spaziergängern am Straßenrand fährt oder in ein Stauende. Ist der Halter verantwortlich oder der Hersteller? Das Gesetz gibt keine eindeutige Antwort darauf. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) empfiehlt, dass die größte Verantwortung beim Hersteller liegen soll, dann bei der Technischen Aufsicht, dann beim Halter.
Die Technische Aufsicht ist eine Leitzentrale, die in einer Gefahrensituation eingreifen und das Auto zum Straßenrand führen kann.
Auch der Leiter des FraunhoferInstituts für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern, Peter Liggesmeyer, ist skeptisch, was die Nutzung des autonomen Autos von privaten Haltern angeht. „Das individuelle autonome Fahren unter technischer Aufsicht ist ökonomisch vermutlich nicht sinnvoll“, sagt Liggesmeyer. Wenn für jede Person, die fährt, eine Aufsicht benötigt werde, sei die Anwendung im Individualverkehr
„nicht realistisch“. Der vzbv empfiehlt, das Gesetz „nur auf gewerbliche Fahrzeughalter zu beschränken, also zum Beispiel auf Unternehmen, die mit fahrerlosen Shuttles Personen befördern“. Erst wenn die Haftungsfragen geklärt sind, sollen auch private Halter autonome Fahrzeuge nutzen können. Hierzu schlagen die Verbraucherschützer eine Neuauflage der Ethikkommission vor, die Standards zum vernetzten Fahren präzisiert. Die Grünen unterstützen dies und schlagen eine eigene Gesetzesregelung für private Halter zu einem späteren
Zeitpunkt vor. „Die Regeln für die komplexe Materie können nicht von der Stange sein, sondern brauchen einen Maßanzug“, sagt der GrünenVerkehrspolitiker Stefan Gelbhaar.
Zwar sei die Anwendung im Individualverkehr nicht ökonomisch, trotzdem solle man das Gesetz nicht auf den Nahverkehr beschränken, sagt Peter Liggesmeyer vom Fraunhofer-Institut. „Es gibt ein Geschäftsmodell für den Erprobungsbetrieb von Fahrzeugen des höchsten Autonomielevels“, erläutert der Forscher. Damit Hersteller Erfahrungen mit autonomen Autos im Straßenverkehr
sammeln und ihre Technologien testen können, solle die Regelung nicht nur den ÖPNV umfassen. Auf Basis des Gesetzentwurfes sei dies realisierbar und sinnvoll. „Es ist wichtig, dass wir einen unkomplizierten Weg bekommen, unseren Stand der Technologie weiterzuentwickeln“, sagt Liggesmeyer. „Denn es sind Schlüsseltechnologien, die alle autonomen Systeme betreffen. Ohne autonome Systeme wird beispielsweise auch die Energiewende nicht gelingen.“
Doch es bleibt zusätzlich auch noch die Frage des ausreichenden Datenschutzes. Denn Autos sind rollende Datenräume. Die Informationen sind für Automobilhersteller, Unternehmen wie Google, aber auch die Öffentlichkeit interessant. So können mithilfe der Daten intelligente Verkehrsangebote entstehen. Wenn Autos miteinander und mit der Infrastruktur kommunizieren, können Verkehrsströme gelenkt, Staus und damit Emissionen reduziert werden. Diese Informationen müssen aber geschützt werden, fordert der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar. „Hier muss die Bundesregierung nacharbeiten, um einen ordnungsgemäßen Datenschutz auch im konkreten Einsatz sicherzustellen", kritisiert der Abgeordnete. Das Gesetz gibt derzeit wenig Auskunft darüber, wem die Daten gehören und wer wie darüber verfügen kann. Ein Datentreuhänder, der über die Daten verfügt, wäre hier eine Lösung.
Der Rechtsanwalt Stefan Hessel, erster Vorsitzender des Vereins Algoright, wies in einer Anhörung im Bundestag zudem auf die erheblichen Risiken im Hinblick auf Cyberangriffe hin. Cybersicherheit sei eine der größten Herausforderungen beim autonomen Fahren. Der Gesetzentwurf sei bezüglich Hackerangriffen „etwas dünn“. Hier müsse der Gesetzgeber nachrüsten.