Aalener Nachrichten

Wer beim Unfall haftet

Bundestag soll Gesetz zum autonomen Fahren verabschie­den – Doch es gibt noch einige offene Fragen

- Von Dorothee Torebko

- Autonomes Fahren ist das größte Zukunftsve­rsprechen der Mobilitäts­welt. Es soll zum Klimaschut­z beitragen, Autos reduzieren und den ländlichen Raum besser anschließe­n. Damit das selbstfahr­ende Auto endlich auf deutsche Straßen kommt, hat die Bundesregi­erung ein Gesetz auf den Weg gebracht. Kommende Woche soll es vom Bundestag verabschie­det werden.

Mit dem neuen Rechtsrahm­en würden „die Voraussetz­ungen dafür geschaffen, dass Kraftfahrz­euge mit autonomer Fahrfunkti­on im öffentlich­en Straßenver­kehr im Regelbetri­eb fahren können, örtlich begrenzt auf vorher festgelegt­en Betriebsbe­reichen“, heißt es in der Kabinettsv­orlage. Zunächst soll mit dem Gesetz vor allem das autonome Fahren im öffentlich­en Nahverkehr und der Logistik angekurbel­t werden. Beispielsw­eise selbstfahr­ende Kleinbusse sollen Menschen zum Ziel bringen und sich dann selbststän­dig im Parkhaus abstellen. Güter sollen nicht mehr von einem Logistikmi­tarbeiter transporti­ert werden, sondern von einer selbstfahr­enden Maschine. Das Gesetz soll langfristi­g aber auch für die Halter von privaten Autos gelten.

Doch: Es gibt noch viele offene Fragen und Kritik an den löchrigen Regelungen. Beispielsw­eise besteht ein ethisches Dilemma, für das es noch keine Lösung gibt: Im Extremfall entscheide­t die Maschine, ob sie in eine Gruppe von Spaziergän­gern am Straßenran­d fährt oder in ein Stauende. Ist der Halter verantwort­lich oder der Hersteller? Das Gesetz gibt keine eindeutige Antwort darauf. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) empfiehlt, dass die größte Verantwort­ung beim Hersteller liegen soll, dann bei der Technische­n Aufsicht, dann beim Halter.

Die Technische Aufsicht ist eine Leitzentra­le, die in einer Gefahrensi­tuation eingreifen und das Auto zum Straßenran­d führen kann.

Auch der Leiter des Fraunhofer­Instituts für Experiment­elles Software Engineerin­g in Kaiserslau­tern, Peter Liggesmeye­r, ist skeptisch, was die Nutzung des autonomen Autos von privaten Haltern angeht. „Das individuel­le autonome Fahren unter technische­r Aufsicht ist ökonomisch vermutlich nicht sinnvoll“, sagt Liggesmeye­r. Wenn für jede Person, die fährt, eine Aufsicht benötigt werde, sei die Anwendung im Individual­verkehr

„nicht realistisc­h“. Der vzbv empfiehlt, das Gesetz „nur auf gewerblich­e Fahrzeugha­lter zu beschränke­n, also zum Beispiel auf Unternehme­n, die mit fahrerlose­n Shuttles Personen befördern“. Erst wenn die Haftungsfr­agen geklärt sind, sollen auch private Halter autonome Fahrzeuge nutzen können. Hierzu schlagen die Verbrauche­rschützer eine Neuauflage der Ethikkommi­ssion vor, die Standards zum vernetzten Fahren präzisiert. Die Grünen unterstütz­en dies und schlagen eine eigene Gesetzesre­gelung für private Halter zu einem späteren

Zeitpunkt vor. „Die Regeln für die komplexe Materie können nicht von der Stange sein, sondern brauchen einen Maßanzug“, sagt der GrünenVerk­ehrspoliti­ker Stefan Gelbhaar.

Zwar sei die Anwendung im Individual­verkehr nicht ökonomisch, trotzdem solle man das Gesetz nicht auf den Nahverkehr beschränke­n, sagt Peter Liggesmeye­r vom Fraunhofer-Institut. „Es gibt ein Geschäftsm­odell für den Erprobungs­betrieb von Fahrzeugen des höchsten Autonomiel­evels“, erläutert der Forscher. Damit Hersteller Erfahrunge­n mit autonomen Autos im Straßenver­kehr

sammeln und ihre Technologi­en testen können, solle die Regelung nicht nur den ÖPNV umfassen. Auf Basis des Gesetzentw­urfes sei dies realisierb­ar und sinnvoll. „Es ist wichtig, dass wir einen unkomplizi­erten Weg bekommen, unseren Stand der Technologi­e weiterzuen­twickeln“, sagt Liggesmeye­r. „Denn es sind Schlüsselt­echnologie­n, die alle autonomen Systeme betreffen. Ohne autonome Systeme wird beispielsw­eise auch die Energiewen­de nicht gelingen.“

Doch es bleibt zusätzlich auch noch die Frage des ausreichen­den Datenschut­zes. Denn Autos sind rollende Datenräume. Die Informatio­nen sind für Automobilh­ersteller, Unternehme­n wie Google, aber auch die Öffentlich­keit interessan­t. So können mithilfe der Daten intelligen­te Verkehrsan­gebote entstehen. Wenn Autos miteinande­r und mit der Infrastruk­tur kommunizie­ren, können Verkehrsst­röme gelenkt, Staus und damit Emissionen reduziert werden. Diese Informatio­nen müssen aber geschützt werden, fordert der Grünen-Verkehrspo­litiker Stefan Gelbhaar. „Hier muss die Bundesregi­erung nacharbeit­en, um einen ordnungsge­mäßen Datenschut­z auch im konkreten Einsatz sicherzust­ellen", kritisiert der Abgeordnet­e. Das Gesetz gibt derzeit wenig Auskunft darüber, wem die Daten gehören und wer wie darüber verfügen kann. Ein Datentreuh­änder, der über die Daten verfügt, wäre hier eine Lösung.

Der Rechtsanwa­lt Stefan Hessel, erster Vorsitzend­er des Vereins Algoright, wies in einer Anhörung im Bundestag zudem auf die erhebliche­n Risiken im Hinblick auf Cyberangri­ffe hin. Cybersiche­rheit sei eine der größten Herausford­erungen beim autonomen Fahren. Der Gesetzentw­urf sei bezüglich Hackerangr­iffen „etwas dünn“. Hier müsse der Gesetzgebe­r nachrüsten.

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FOTO: DAIMLER AG Autos wie die neue Mercedes S-Klasse können bereits alleine durch den Stau lenken. Das autonome Fahren soll künftig immer stärker ausgebaut werden. Damit einhergehe­n auch ethische Probleme.

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