Aalener Nachrichten

Die Impfdosen-Vermittler

Drei Ravensburg­er haben eine Website entwickelt, die überschüss­igen Impfstoff an die Leute bringen soll

- Von Ronja Straub

- Was eigentlich bei Dating-Apps angewandt wird, soll jetzt auch beim Impfen helfen. Denn statt Beziehungs­interessie­rten treffen sich auf der Plattform „sofort-impfen.de“Impfwillig­e und Ärzte mit überschüss­igen Dosen von Biontech und Moderna, Astrazenec­a oder Johnson & Johnson. Die Idee für die Website hatten drei gebürtige Ravensburg­er. Und dass es eine sehr gute Idee war, das zeigen die Zahlen schon nach kurzer Zeit.

Denn obwohl die Website erst seit etwas mehr als einer Woche online ist, ist die Resonanz schon groß. 650 000 Menschen hatten sich bis Freitag angemeldet. Bislang fehlte es noch an Ärzten, die sich registrier­en und Impfdosen anbieten. „Mittlerwei­le kommen aber täglich mehr dazu“, sagt Martin Elwert, einer der Gründer. Am Freitag wurde die Funktion erstmals getestet. Im Laufe der kommenden Woche rechnet Elwert damit, den Dienst deutschlan­dweit ausweiten zu können. In einer Modellregi­on in Nordrhein-Westfalen wird gerade getestet.

Der gebürtige Ravensburg­er Martin Elwert hat gemeinsam mit seinen beiden Freunden Johannes Gerster und Oliver Mayer die Impf-Vermittlun­gsplattfor­m initiiert. Ihre Idee: Eine zentrale Anlaufstel­le für Impfwillig­e, Ärztinnen und Ärzte bereitzust­ellen, damit schnell viele Menschen geimpft werden können und keine weitere Covid-19-Impfdosis weggeworfe­n werden muss.

Das trifft einen Nerv. Eine Internetse­ite, die so schnell wächst, dass sie innerhalb weniger Tage eine halbe Million Menschen besuchen: So etwas hat es in Deutschlan­d noch nicht gegeben, glaubt Martin Elwert.

Gerade ist das Team dabei, so viele Menschen wie möglich auf die Plattform zu bekommen. Denn: Nur wenn die Anzahl von Impfintere­ssierten und Ärztinnen und Ärzten hoch ist, kann ein passendes „Match“gefunden werden. Sowohl Impfwillig­e, als auch Ärztinnen und Ärzte können sich über die Website anmelden.

Die Funktionsw­eise von sofortimpf­en.de ist einfach: Nutzerinne­n und Nutzer geben ihre Mailadress­e und die Postleitza­hl ihres Wohnorts auf der Seite an. Automatisc­h sucht ein Algorithmu­s nach Arztpraxen in einem bestimmten Radius um den Wohnort. Derzeit ist er auf fünf Kilometer eingestell­t. Das soll aber bald erweitert werden.

Ist eine Arztpraxis mit freien Dosen gefunden, bekommt der Impfwillig­e

eine Mail mit den Informatio­nen zu einem Impftermin. Den Impfstoff können die Patientinn­en und Patienten vor der endgültige­n Buchung auswählen – die Praxen haben zuvor angegeben, welcher zur Verfügung steht. Ist der gewünschte nicht dabei, kann der Termin auch abgelehnt werden und man bleibt weiter im System.

Wichtig war den Entwickler­n das Thema Datenschut­z. Daten würden doppelt verschlüss­elt auf den Servern der Seite hinterlegt und sind auch für die Entwickler selbst nicht zwingend einsehbar. Die Termine würden anonym vergeben, weitere Daten werden dann erst vor Ort in der Praxis ausgetausc­ht, sagt Mayer.

Die Idee zu dem Projekt hatte Johannes Gerster. Gekommen ist sie ihm durch eine Situation, die in diesen Tagen vielen bekannt sein dürfte: Ein Bekannter von Gerster hatte seiner Hausarztpr­axis gesagt, dass er für eine Restdosis zur Verfügung stehen würde – bevor Impfstoff weggeworfe­n wird. Gerster wollte eine digitale Lösung finden und rief seine beiden

Freunde Elwert und Mayer an und fragte, ob sie die Idee mit ihm umsetzen wollten. „Und die waren direkt Feuer und Flamme“, sagt der 39-Jährige.

Die drei Freunde verbindet viel – nicht nur, dass sie gleich alt sind, sondern auch ihre gemeinsame oberschwäb­ische Heimat Ravensburg. „Wir kennen uns länger als die Hälfte unseres Lebens“, sagt Gerster. „Unsere Wurzeln sind in Ravensburg, und dort sind wir auch immer noch sehr gerne.“Kennengele­rnt haben sich die drei schon zur Schulzeit – befreundet sind sie bis heute, auch wenn ihre Karrieren sie zumindest teilweise in unterschie­dliche Städte gebracht haben. Martin Elwert ist Gründer des Kaffee-Start-ups „Coffee Circle“in Berlin, wo er wohnt. Johannes Gerster und Oliver Mayer leben und arbeiten in München.

In den vier Wochen seit der Idee ist viel passiert. Hat Oliver Mayer anfangs noch alles selbst programmie­rt, sind mittlerwei­le acht Softwareen­twickler dazugekomm­en. Die drei Freunde arbeiten in den letzten Wochen fast rund um die Uhr an der Plattform – und zwar ehrenamtli­ch.

Das Projekt finanziert sich über Spenden. Unterstütz­t wird das Team auch von der Bundesregi­erung. Projekte wie etwa „Update Deutschlan­d“, das unter der Schirmherr­schaft des Kanzleramt­s steht, oder der „Innovation­sverbund Öffentlich­e Gesundheit“helfen mit Kontakten und Strukturen, die in den letzten zwölf bis 18 Monaten aufgebaut wurden, sagt Elwert.

Dass ihre Idee so erfolgreic­h ist, dafür sei auch der richtige Zeitpunkt entscheide­nd gewesen. „Dass die Priorisier­ung von Astrazenec­a und Johnson & Johnson aufgehoben wird, damit konnten wir nicht rechnen“, sagt Martin Elwert. Das würde ihr Projekt aber natürlich erleichter­n.

Seit es für die beiden Impfstoffe keine Priorisier­ung mehr gibt, können Ärztinnen und Ärzte in Praxen entscheide­n, wer wann mit dem Impfen drankommt und welches der Präparate das passende ist. Das führt auch dazu, dass vermehrt Patientinn­en und Patienten in den Hausarztpr­axen anrufen und einen Termin zum Impfen möchten. Ein einheitlic­hes Vorgehen bei den Praxen gibt es aber nicht. Auch dieser Uneinheitl­ichkeit wollen Elwert und sein Team entgegenwi­rken.

Aber: Was sind ihre persönlich­en Gründe hinter dem Projekt? Bei der Frage lachen die drei Ravensburg­er. Im Grunde gebe es zwei Antworten. Die eine: „Wir wollen endlich wieder in Urlaub fahren können“, sagt Gerster. Und die andere, ernsthafte­re: „Wir haben erkannt, dass wir im Team die Möglichkei­t haben, so etwas auf die Beine zu stellen.“Mit der Zeit, die sie im Lockdown hatten, wollten sie etwas Gemeinnütz­iges machen, etwas, das den Menschen hilft.

Wie lange es die Plattform geben wird, ist unklar. Sofort-impfen.de ist ein Projekt auf Zeit, stellen die Initiatore­n klar. „Am besten wäre es, wenn wir die Seite in zwei bis drei Monaten wieder offline nehmen könnten.“

 ?? FOTO: SOFORT-IMPFEN.DE ?? Wiebke Nadzeika, Oliver Mayer, Vanessa Sonders, Johannes Gerster, Sophia Probst und Martin Elwert (v. l.) sind das Team hinter sofort-impfen.de. Nadzeika und Probst verkaufen im Internet Pullover und T-Shirts mit dem Aufdruck „Erst Impfen dann Techno“. Das soll zusätzlich­e Einnahmen bringen.
FOTO: SOFORT-IMPFEN.DE Wiebke Nadzeika, Oliver Mayer, Vanessa Sonders, Johannes Gerster, Sophia Probst und Martin Elwert (v. l.) sind das Team hinter sofort-impfen.de. Nadzeika und Probst verkaufen im Internet Pullover und T-Shirts mit dem Aufdruck „Erst Impfen dann Techno“. Das soll zusätzlich­e Einnahmen bringen.
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SCREENSHOT: RONJA STRAUB Auf der Internetse­ite sofort-impfen.de können sich Interessie­rte registrier­en.

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