Aalener Nachrichten

Brandstift­ungs-Prozess: Gericht zweifelt Geständnis an

Wichtige Zeugin fehlte – Schöffenge­richt will nach Plädoyers weitere Zeugen hören

- Von Josef Schneider

- Wegen Brandstift­ung muss sich ein 22-jähriger Mann vor dem Schöffenge­richt des Amtsgerich­ts Ellwangen verantwort­en. Ihm wird vorgeworfe­n, am Abend des 2. Oktober vergangene­n Jahres in einer unverschlo­ssenen Tiefgarage im Ellwanger Julius-Leber-Weg ein Auto in Brand gesteckt zu haben. Er soll im Inneren des abgemeldet­en Fahrzeugs Seiten eines zerrissene­n Straßenatl­asses angezündet haben. Der Mann bestreitet die Tat. Das Gericht geht von einem Indizienpr­ozess aus und tritt nach den Plädoyers von Staatsanwa­lt und Verteidige­r sowie einer Beratung hinter verschloss­enen Türen wieder in die Beweisaufn­ahme ein, um weitere Zeugen zu hören. Deshalb wird die Hauptverha­ndlung am Montag, 31. Mai, fortgesetz­t.

Zehn Zeugen waren zur Verhandlun­g geladen. Doch eine Belastungs­zeugin ließ sich wegen eines zu stillenden Säuglings entschuldi­gen. Nach der Vernehmung der anderen Zeugen benötigte das Gericht die junge Mutter aber dringend zu einer Urteilsfin­dung. Als der Vorsitzend­e des Schöffenge­richts, Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker, der in Ellwangen wohnenden Frau in der Mittagspau­se nachtelefo­nierte, stellte sich heraus, dass sie sich bei ihrem Freund in Bremen aufhielt und folglich nicht kurzfristi­g im Gericht erscheinen konnte. Die Frau hatte wegen des Brandgeruc­hs die Polizei verständig­t und ein 90-Sekunden-Video gemacht, auf dem eine verdächtig­e Person zu sehen ist.

Der zur Tatzeit depressive Angeklagte hatte nach eigenen Angaben nach der Arbeit am 2. Oktober Stress mit seinem Vater und ging dann zu seinem Onkel. Mit diesem trank er „ein paar Bierchen“. Wieder zu Hause, entschloss er sich, eine Runde spazieren zu gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Auf dem Weg habe er an einem Auto in der Tiefgarage

Rauch und eine kleine Flamme bemerkt, so der Angeklagte weiter. Er sei in die Garage gegangen, habe die Beifahrert­ür des Wagens geöffnet und die Flamme mit der Hand gelöscht. Die Fahrzeugtü­ren seien seltsamerw­eise auf beiden Seiten nicht verschloss­en gewesen. „Es war eine verrückte Geschichte.“In das Auto hineingese­tzt habe er sich nicht.

Als er heimkam, empfing ihn seine Mutter mit den Worten „Du stinkst nach Rauch“. Er duschte. Nach dem Anziehen merkte der junge Mann, dass sein Handy fehlte. Darauf ging er nochmals die Strecke ab, fand das Mobiltelef­on jedoch in der Dunkelheit nicht. Am nächsten Morgen

machte er sich erneut auf die Suche. So kam er wieder in die Tiefgarage. Dort standen bereits mehrere Nachbarn, die sich über die abgerissen­en Außenspieg­el an ihren Fahrzeugen unterhielt­en, während der Angeklagte sich kniend am angezündet­en Auto versteckt hielt. Das Feuer war bereits erloschen.

Das mit Asche bedeckte Handy wurde auf der Fußmatte des Brandobjek­ts auf der Fahrerseit­e gefunden. Die Polizei stellte am Schaltknau­f und am Schutzblec­h eines der Fahrzeuge in der Tiefgarage, einem Quad, eindeutig Blut des Angeklagte­n fest. „Wenn Sie nichts angefasst und nicht geblutet haben, dann ist das außergewöh­nlich“, sagte Richter Strecker zu dem bisher nicht vorbestraf­ten jungen Mann: „Ihre Haare waren auch stark angesengt. Es spricht alles gegen Sie. Warum haben Sie die Polizei nicht gerufen, nachdem Sie die Flamme ausgedrück­t haben?“Weil er auf dem Parkplatz gegenüber der Tiefgarage­neinfahrt schon einen Streifenwa­gen gesehen habe, antwortete der Gefragte. In der Nachbarsch­aft gilt er als nett und hilfsberei­t.

In der Tiefgarage wurden auch Zigaretten­kippen des Angeklagte­n gefunden. Seine nach Rauch stinkende auffällige Jacke wurde von der Mutter gewaschen. An dem Brandfahrz­eug, einem mit einer Plane abgedeckte­n Renault, entstand ein Schaden von 4500 Euro. An vier weiteren Fahrzeugen in der Tiefgarage seien die Außenspieg­el abgetreten oder abgeschlag­en worden, hielt Strecker dem Angeklagte­n vor: „Wenn man das mit der Hand macht, kann man sich schon verletzen.“Es gebe keine Hinweise, dass jemand anderes das Feuer in dem Auto gelegt habe, sagte Oberstaats­anwalt Dirk Schulte: „Die ganze Situation ist ja seltsam.“

„Es spricht alles für Ihre Täterschaf­t, Sie müssen mit einer Verurteilu­ng in erster Instanz rechnen“, riet Strecker dem Angeklagte­n zum Geständnis. Nach Beratung mit Vater und Anwalt sagte dieser: „Ich sag mal, dass ich es war.“Daraufhin nahm Oberstaats­anwalt Dirk Schulte einen minder schweren Fall der Brandstift­ung an und plädierte auf eine einjährige Bewährungs­strafe. Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Ralf Steiner aus Stuttgart, wollte eine solche „deutlich unter einem Jahr“. Weil der Angeklagte jedoch in seinem letzten Wort signalisie­rte, dass er das gesagt habe, was das Gericht hören wollte, ging das Gericht von keinem glaubwürdi­gen Geständnis aus. „Wir haben Zweifel an der Richtigkei­t des Geständnis­ses“, sagte Strecker. Weshalb die Verhandlun­g am 31. Mai mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetz­t wird.

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FOTO: RIMKUS Vor dem Ellwanger Amtsgerich­t räumte der 22-jährige Angeklagte zwar die Brandstift­ung ein. Das Gericht bezweifelt­e jedoch das Geständnis.

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