Brandstiftungs-Prozess: Gericht zweifelt Geständnis an
Wichtige Zeugin fehlte – Schöffengericht will nach Plädoyers weitere Zeugen hören
- Wegen Brandstiftung muss sich ein 22-jähriger Mann vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Ellwangen verantworten. Ihm wird vorgeworfen, am Abend des 2. Oktober vergangenen Jahres in einer unverschlossenen Tiefgarage im Ellwanger Julius-Leber-Weg ein Auto in Brand gesteckt zu haben. Er soll im Inneren des abgemeldeten Fahrzeugs Seiten eines zerrissenen Straßenatlasses angezündet haben. Der Mann bestreitet die Tat. Das Gericht geht von einem Indizienprozess aus und tritt nach den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger sowie einer Beratung hinter verschlossenen Türen wieder in die Beweisaufnahme ein, um weitere Zeugen zu hören. Deshalb wird die Hauptverhandlung am Montag, 31. Mai, fortgesetzt.
Zehn Zeugen waren zur Verhandlung geladen. Doch eine Belastungszeugin ließ sich wegen eines zu stillenden Säuglings entschuldigen. Nach der Vernehmung der anderen Zeugen benötigte das Gericht die junge Mutter aber dringend zu einer Urteilsfindung. Als der Vorsitzende des Schöffengerichts, Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker, der in Ellwangen wohnenden Frau in der Mittagspause nachtelefonierte, stellte sich heraus, dass sie sich bei ihrem Freund in Bremen aufhielt und folglich nicht kurzfristig im Gericht erscheinen konnte. Die Frau hatte wegen des Brandgeruchs die Polizei verständigt und ein 90-Sekunden-Video gemacht, auf dem eine verdächtige Person zu sehen ist.
Der zur Tatzeit depressive Angeklagte hatte nach eigenen Angaben nach der Arbeit am 2. Oktober Stress mit seinem Vater und ging dann zu seinem Onkel. Mit diesem trank er „ein paar Bierchen“. Wieder zu Hause, entschloss er sich, eine Runde spazieren zu gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Auf dem Weg habe er an einem Auto in der Tiefgarage
Rauch und eine kleine Flamme bemerkt, so der Angeklagte weiter. Er sei in die Garage gegangen, habe die Beifahrertür des Wagens geöffnet und die Flamme mit der Hand gelöscht. Die Fahrzeugtüren seien seltsamerweise auf beiden Seiten nicht verschlossen gewesen. „Es war eine verrückte Geschichte.“In das Auto hineingesetzt habe er sich nicht.
Als er heimkam, empfing ihn seine Mutter mit den Worten „Du stinkst nach Rauch“. Er duschte. Nach dem Anziehen merkte der junge Mann, dass sein Handy fehlte. Darauf ging er nochmals die Strecke ab, fand das Mobiltelefon jedoch in der Dunkelheit nicht. Am nächsten Morgen
machte er sich erneut auf die Suche. So kam er wieder in die Tiefgarage. Dort standen bereits mehrere Nachbarn, die sich über die abgerissenen Außenspiegel an ihren Fahrzeugen unterhielten, während der Angeklagte sich kniend am angezündeten Auto versteckt hielt. Das Feuer war bereits erloschen.
Das mit Asche bedeckte Handy wurde auf der Fußmatte des Brandobjekts auf der Fahrerseite gefunden. Die Polizei stellte am Schaltknauf und am Schutzblech eines der Fahrzeuge in der Tiefgarage, einem Quad, eindeutig Blut des Angeklagten fest. „Wenn Sie nichts angefasst und nicht geblutet haben, dann ist das außergewöhnlich“, sagte Richter Strecker zu dem bisher nicht vorbestraften jungen Mann: „Ihre Haare waren auch stark angesengt. Es spricht alles gegen Sie. Warum haben Sie die Polizei nicht gerufen, nachdem Sie die Flamme ausgedrückt haben?“Weil er auf dem Parkplatz gegenüber der Tiefgarageneinfahrt schon einen Streifenwagen gesehen habe, antwortete der Gefragte. In der Nachbarschaft gilt er als nett und hilfsbereit.
In der Tiefgarage wurden auch Zigarettenkippen des Angeklagten gefunden. Seine nach Rauch stinkende auffällige Jacke wurde von der Mutter gewaschen. An dem Brandfahrzeug, einem mit einer Plane abgedeckten Renault, entstand ein Schaden von 4500 Euro. An vier weiteren Fahrzeugen in der Tiefgarage seien die Außenspiegel abgetreten oder abgeschlagen worden, hielt Strecker dem Angeklagten vor: „Wenn man das mit der Hand macht, kann man sich schon verletzen.“Es gebe keine Hinweise, dass jemand anderes das Feuer in dem Auto gelegt habe, sagte Oberstaatsanwalt Dirk Schulte: „Die ganze Situation ist ja seltsam.“
„Es spricht alles für Ihre Täterschaft, Sie müssen mit einer Verurteilung in erster Instanz rechnen“, riet Strecker dem Angeklagten zum Geständnis. Nach Beratung mit Vater und Anwalt sagte dieser: „Ich sag mal, dass ich es war.“Daraufhin nahm Oberstaatsanwalt Dirk Schulte einen minder schweren Fall der Brandstiftung an und plädierte auf eine einjährige Bewährungsstrafe. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Ralf Steiner aus Stuttgart, wollte eine solche „deutlich unter einem Jahr“. Weil der Angeklagte jedoch in seinem letzten Wort signalisierte, dass er das gesagt habe, was das Gericht hören wollte, ging das Gericht von keinem glaubwürdigen Geständnis aus. „Wir haben Zweifel an der Richtigkeit des Geständnisses“, sagte Strecker. Weshalb die Verhandlung am 31. Mai mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetzt wird.