Pokal als Empfehlungsschreiben
BVB feiert Trainer Terzic und Kapitän Reus – Gewinner und Verlierer der Finalnacht
(SID) - Fünf Minuten vor Mitternacht drückte Edin Terzic vollkommen heiser und bierdurchtränkt den halbnackten Erling Haaland an sich. Auch bei der Kabinenparty zu BobMarley-Klängen und der Polonaise im Speisesaal des Schlosshotels Grunewald jubelte der überglückliche Trainer von Borussia Dortmund mit leuchtenden Augen – wie ein lebenslanger Fan, der sich ins Pokalfinale verlaufen hat.
Seine Zukunft ließ er leicht genervt offen, denn seine erstaunliche BVBMission ist mit dem Triumph von Berlin noch nicht erfüllt. „Gönnt mir doch diesen einen Abend! Ich will jetzt als Pokalsieger sechs Punkte holen“, krächzte der Ur-Dortmunder, der noch nie Alkohol getrunken hat, nach dem 4:1 (3:0) im Berliner Olympiastadion gegen RB Leipzig. „Wir wollen in die Champions League!“
Spätestens wenn dies gelingt, würde ihm sein Chef am liebsten ein Denkmal setzen. „Die Mannschaft war im Dezember halbtot. Er hat sie zum Leben erweckt“, lobte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, verbunden mit dem Auftrag, die vielen Millionen für die Königsklasse zu sichern: „Nun muss er das krönen.“Einen wichtigen Schritt können die Dortmunder am Sonntag (18.00 Uhr/Sky) beim FSV Mainz 05 machen.
Dass der BVB da ein „riesiges Trainertalent“(Watzke) in seinen Reihen hat, wurde nochmals auf großer Bühne deutlich. Zum dritten Mal in vier Monaten besiegte Terzic den künftigen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, Interessenten werden Schlange stehen. Bisher aber steht die Ansage: Er wird zur neuen Saison der Assistent seines Nachfolgers Marco Rose. Terzic ist derart bodenständig, derart schwarz-gelb verwurzelt, dass ihm zuzutrauen ist, das auch durchzuziehen. Doch bei einem Wechselwunsch wird ihm die BVB-Führungsetage keine Steine in den Weg legen. Der „UrBorusse mit Herz und Blut“(Sportdirektor Michael Zorc) halte „den Schlüssel in der Hand“, wie ihm Watzke versicherte. In der allgemeinen Dortmunder Glückseligkeit konterte Terzic lachend: „Ich halte heute nur den Pokal.“
Der Trainer war nicht der Einzige in dieser denkwürdigen Pokalnacht, der etwas zu lachen hatte – die Gewinner und Verlierer im Überblick:
Endlich Kapitän! Jahrelang musste sich Marco Reus anhören, dass er in den wichtigen Spielen stets abtaucht. Ein Kapitänchen, eben. Diesmal spielte er Weltklasse. Wäre Thorgan Hazard nicht noch zwei Meter vor der Torlinie weggerutscht, hätte Reus vier Treffer vorbereitet. Das sah auf der Tribüne auch der beeindruckte Bundestrainer Joachim Löw. Die EM ruft.
Ein Mann fürs Herz. Nach elf Jahren war der Pole auf wundersame Weise noch einmal in die Rolle des ersten Rechtsverteidigers gestolpert – er füllt sie glänzend aus und wird den BVB als Legende verlassen. „Den Tag nehme ich mit für mein Leben“, sagte der 35-Jährige, der
Marco Reus: Lukasz Piszczek:
nach Schlusspfiff von seinen Mitspielern auf Händen getragen wurde. Demnächst kickt Piszczek zum Spaß in der vierten polnischen Liga bei seinem Jugendclub LKS Goczalkowice. Einfach so. Fürs Herz.
Erling Haaland:
Der norwegische Torgarant stolzierte beim Abpfiff breitbeinig über den Rasen, als würde er mit Cowboystiefeln einen Saloon betreten. Beim Feiern war er ganz weit vorne – wie zuvor als Doppel-Torschütze auf dem Platz. 39 Treffer in 39 Saison-Pflichtspielen machen ihn unverzichtbar. Der BVB will seine wertvolle Hauptattraktion unbedingt halten: fraglich, ob es gelingt.
Der bullige und zweifellos talentierte Leipziger Innenverteidiger hätte sich bei Bayern München gerne mit dem Pokal vorgestellt. Stattdessen erlebte er einen Horrorabend. Nach einigen Patzern in
Dayot Upamecano:
den vergangenen Wochen wurde der Franzose von Haaland beim 2:0 klassisch eingedreht und plumpste auf den Hosenboden. Und man fragte sich: 42,5 Millionen Euro? Wofür?
Der Stern am Trainerhimmel, mit 33 künftiger Bayern-Coach. Doch noch lange nicht fehlerfrei. Hwang Hee-Chan war im Sturm eine dramatische Fehlbesetzung, welche die brandgefährlichen Joker Yussuf Poulsen, Emil Forsberg und Christopher Nkunku später gnadenlos entlarvten. „Es tut weh. Es ist mehr als ärgerlich“, sagte Nagelsmann nach Schlusspfiff – ausgecoacht von „Anfänger“Terzic.
Julian Nagelsmann: