Aalener Nachrichten

So wird das erste Gehalt keine Enttäuschu­ng

Bewerberin­nen und Bewerber haben etwas zu bieten und können dafür auch etwas einfordern

- Von Sabine Meuter

Aller Anfang ist schwer. Auch im Berufsallt­ag. Der erste Job steht an, jetzt geht's ums erste selbst verdiente Geld. Doch wer nach der Ausbildung auf der Suche nach einer Stelle ist, tut sich oft schwer damit, das Thema Gehalt im Bewerbungs­gespräch selbstbewu­sst anzugehen.

„Das liegt daran, dass in den Schulen das Thema Geld und der Umgang damit einfach zu kurz kommen“, sagt Johannes Wilbert, Leiter des Instituts zur Berufswahl. Weil sie sich in Sachen Finanzen oft zu wenig auskennen, falle es jungen Leuten mitunter nicht leicht, mit einem Arbeitgebe­r über Geld zu reden und die eigenen Vorstellun­gen dazu offensiv zu vertreten. Aber: Niemand will und sollte sich mit seinem Wissen und seinen Kompetenze­n unter Wert verkaufen. Daher gilt auch für Berufsanfä­nger, keine Scheu zu zeigen und von vornherein in die Offensive zu gehen.

Mit den Bewerbungs­unterlagen fängt es an: „Bereits dort sollte man klar herausarbe­iten, welchen Mehrwert man zu bieten hat, um später eine gute Basis für Gehaltsver­handlungen zu haben“, rät Wilbert. Praktische Erfahrunge­n und Erfolge gilt es zu benennen. Nichtssage­nde Floskeln haben in Bewerbungs­unterlagen nichts zu suchen. Statt „ich bin teamfähig“ist es etwa besser zu schreiben „durch mein regelmäßig­es Training in der Volleyball-Mannschaft habe ich gelernt, teamfähig zu sein“.

Kommt es zum Vorstellun­gsgespräch, gilt es, sich im Vorfeld gut vorzuberei­ten. Das heißt, sich nicht nur über den potenziell­en Arbeitgebe­r gut informiere­n, sondern auch darüber, welche Gehälter in der Branche üblich sind. „Im Internet gibt es Jobbörsen, die genau diese Infos liefern“, erklärt Ute Bölke, Karriere-Coach in Wiesbaden. Bietet ein potenziell­er Arbeitgebe­r einen Verdienst unter dem branchenüb­lichen Niveau, sollte eine Bewerberin oder ein Bewerber das zur Sprache bringen – und sich gegebenenf­alls nicht darauf einlassen.

Klar muss aber auch sein: Wer in den öffentlich­en Dienst will oder eine Trainee-Stelle haben möchte, hat zumeist keinen Verhandlun­gsspielrau­m, weil der Verdienst festgelegt ist. Laut Wilbert sind etwa 45 Prozent aller Unternehme­n an Tarifvertr­äge gebunden. Das heißt aber auch: 55 Prozent sind es nicht. Es lohnt sich daher, sich über die Konditione­n bei einem potenziell­en Arbeitgebe­r genau kundig zu machen. Das geht etwa über die Webseite des jeweiligen Unternehme­ns oder über Bewertungs­portale.

Denn in Sachen Verdienst kommt es nicht allein auf das Fixgehalt an.

„Möglicherw­eise gibt es ja zusätzlich noch attraktive Extras wie beispielsw­eise einen Essenszusc­huss, ein Jobticket oder etwa vermögensw­irksame Leistungen“, sagt Bölke. Auch ein Firmenwage­n oder eine firmeneige­ne Weiterbild­ungsakadem­ie sind denkbare Benefits.

Wer gut informiert ins Bewerbungs­gespräch geht, ist in jedem Fall in einer guten Startposit­ion. „Wichtig ist dabei vor allem, nicht als Bittstelle­r aufzutrete­n, der oder die einen Job möchte“, betont Wilbert. Die andere Seite möchte schließlic­h auch etwas von einem. Man sollte sich auf Augenhöhe mit dem Arbeitgebe­r fühlen und die eigene Position vertreten: „Ich bringe folgende Fähigkeite­n und Kompetenze­n mit, folgenden Mehrwert biete ich, was bekomme ich dafür?“Macht der Arbeitgebe­r ein bestimmtes Angebot, das dem Bewerber zu niedrig erscheint, könnte laut Wilbert der Bewerber etwa sinngemäß fragen: „Inwiefern sind Sie hier noch zu Kompromiss­en bereit?“

Ebenfalls wichtig beim Reden übers Geld: Gute Gründe vorbringen können, warum man etwa mehr als vom Arbeitgebe­r vorgeschla­gen verdienen möchte. Und: „Bitte nicht giftig werden, immer freundlich bleiben“, empfiehlt Bölke. Ihr Tipp: Solche Verhandlun­gen mit Freunden üben – einer ist der Arbeitgebe­r, man selbst der Bewerber oder die Bewerberin. „Mit dem Üben kommt mit der Zeit auch eine gewisse Sicherheit in Bewerbungs­situatione­n“, so Bölke.

Es kann durchaus nützlich sein, im Vorstellun­gsgespräch zu erwähnen, dass man noch andere Bewerbungs­verfahren am Laufen hat. „Damit signalisie­rt man, dass man nicht zu jeden Konditione­n bereit ist, den Job anzutreten“, so Wilbert. Die Kunst liegt am Ende darin, weder zu hoch zu pokern, noch zu tief zu stapeln. „Es kommt auf einen guten Mittelweg an“, sagt Bölke.

Aus Erleichter­ung, überhaupt einen Job gefunden zu haben, lässt man sich gerade als Berufseins­teiger gerne Mal mit wohlwollen­den Worten abspeisen. Etwa, wenn ein Arbeitgebe­r zur Gehaltsfor­derung sinngemäß sagt: „Jetzt beweisen Sie sich doch erst einmal!“In einem solchen Fall sollte der Bewerber aber gegenhalte­n und gezielt nachfragen, wie denn der „Lernentwic­klungsplan“aussieht, rät Wilbert.

Kommt es dann zu der Vereinbaru­ng, dass etwa nach drei Monaten man noch einmal über das Thema Geld redet, dann sollte der Bewerber sich dies unbedingt schriftlic­h geben lassen. „Sonst läuft er Gefahr, dass der Arbeitgebe­r davon später nichts mehr wissen will“, so Wilbert.

Was auch passieren kann: Jemand tritt eine Stelle an und merkt erst zu einem späteren Zeitpunkt, dass er in Sachen Gehalt viel zu niedrig eingestieg­en ist. Und nun? „In jedem Fall das Gespräch mit dem Chef darüber suchen“, empfiehlt Wilbert.

Damit zeigen Beschäftig­te auch eine gewisse Loyalität – weil sie sich eben nicht an den Betriebsra­t oder die Gewerkscha­ft, sondern unmittelba­r an die Führungskr­aft wenden. Und auch hier gilt: „Keinesfall­s demütig bitten, sondern selbstbewu­sst auftreten“, empfiehlt Bölke. Und dabei gut begründet darlegen, warum das Gehalt, mit dem man eingestieg­en ist, ganz einfach das ist: unangemess­en. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA

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