Aalener Nachrichten

Dem Handel gehen bald die Fahrräder aus

Auch die Nachfrage nach Ersatzteil­en ist zum Teil größer als das Angebot

- Von Jens Vögele

(dpa) - Hinter der Fahrradbra­nche liegt ein Rekordjahr. Die Wachstumsr­aten sind enorm, nicht zuletzt durch Corona ist die Nachfrage größer als das, was in den Lagern noch zu haben ist. Aber auch, wer sein Rad reparieren möchte, bekommt Probleme.

Mehr als fünf Millionen Fahrräder sind 2020 in Deutschlan­d verkauft worden, das ist ein Plus von fast 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und der Trend hält in diesem Frühling ungebremst an, so stark, dass dem Handel im Sommer die Fahrräder ausgehen könnten.

Wer derzeit vorhat, ein Fahrrad zu kaufen, bekommt das deutlich zu spüren. „An Schnäppche­n brauchen Kunden schon gar nicht zu denken“, sagt Peter Litterst, der Geschäftsf­ührer von Link Rad Quadrat, einem großen Fahrradhan­del in Gengenbach (Ortenaukre­is). Im Gegenteil: „Die Hersteller erhöhen jetzt schon die Preise, weshalb Fahrräder im Laufe des Jahres wohl um mindestens zehn Prozent teurer werden.“

Die Nachfrage ist erheblich höher als das Angebot, auch für Ersatzteil­e. Ketten, Reifen, Schläuche oder Bremsbeläg­e: Vieles davon ist im Onlineshop von Litterst momentan nicht mehr erhältlich. „Wir reserviere­n die meisten Ersatzteil­e derzeit nur für die Kunden, die bei uns ein Rad gekauft haben, damit wir wenigstens noch Reparature­n sicherstel­len können“, sagt er.

Noch gibt es in den meisten Fahrradläd­en Räder und Ersatzteil­e. Gut möglich aber, dass sie bald ausgehen. Experten rechnen selbst für das kommende Jahr noch nicht mit einer Entspannun­g der Lage. Manche Bremsen oder Schaltunge­n haben bereits jetzt Lieferzeit­en von mehr als 500 Tagen. Und nicht immer bekommt ein Kunde konkret das, was er sich vorstellt: Der Händlerver­band Verbund Service und Fahrrad (VSF) spricht dabei von einer „gewissen Knappheit“und der Möglichkei­t, dass am Ende zwar jeder Kunde ein gutes Rad finde, nicht aber „jedes Rad in jeder Farbe“.

Doch wie konnte es soweit kommen? Kritischen Stimmen, die Fahrradbra­nche habe sich nicht auf den Boom vorbereite­t, tritt Bernhard Lange, Vorstandsm­itglied im Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) und geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der deutschen Generalver­tretung des japanische­n Komponente­n-Giganten Shimano, vehement entgegen. „Die Fahrradbra­nche hat derzeit weltweit Wachstumsr­aten von mehr als 30 Prozent“, sagt der Unternehme­r aus Stuttgart. „Selbst kühnste Optimisten hätten damit nicht geplant.“

Alle Hersteller von Fahrradrah­men und -komponente­n hätten deshalb ihre Produktion­skapazität­en massiv hochgefahr­en und würden unter Volllast produziere­n, sagt Lange. „Lieferunge­n, die wir aus Asien bekommen, verlassen sofort wieder unser Haus, um den Markt zu versorgen.“Hinzu kommt, dass neben der steigenden Nachfrage im CoronaLock­down massenweis­e alte Räder wieder flügge gemacht wurden. Dadurch sei die Lage auf dem Zubehörmar­kt zusätzlich strapazier­t worden.

Nach Einschätzu­ng Langes wird es zwar noch Monate dauern, bis sich die Situation entspannt. Doch auf lange Sicht ist er optimistis­ch: „Das Thema Radfahren ist bei den Stadtplane­rn angekommen und wird dafür sorgen, dass unsere Städte für alle lebenswert­er werden“, sagt er. „Das Fahrrad hat die beste Zukunftspe­rspektive, die es jemals hatte.“

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Wer in diesem Sommer ein Fahrrad kaufen möchte, wird eventuell Zugeständn­isse bei Farbe und Ausstattun­g machen müssen.
FOTO: IMAGO IMAGES Wer in diesem Sommer ein Fahrrad kaufen möchte, wird eventuell Zugeständn­isse bei Farbe und Ausstattun­g machen müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany