Aalener Nachrichten

Daimler überrascht mit guten Zahlen

Laut Studie könnte Zahl der Arbeitsplä­tze in der Autoindust­rie trotz Verschiebu­ngen insgesamt konstant bleiben

- Von Hannes Koch

(dpa) - Der Autobauer Daimler hat trotz des Mangels an wichtigen Teilen mehr verdient als erwartet. Das um Sondereffe­kte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag im abgelaufen­en zweiten Quartal bei 5,42 Milliarden Euro, wie der Dax-Konzern am frühen Donnerstag überrasche­nd mitteilte. Experten waren von 4,3 Milliarden Euro ausgegange­n.

- Pessimismu­s beschleich­t manche Beschäftig­te der deutschen und vor allem auch der baden-württember­gischen und bayerische­n Autoindust­rie, wenn sie an die E-Mobilität denken. Wieviele Arbeitsplä­tze bleiben dann übrig, und was bedeutet das für meine Tätigkeit? Für eine gewisse Entspannun­g mag da diese neue Studie sorgen: Die komplette Jobzahl in der Autoindust­rie und verwandten Branchen – etwa 1,7 Millionen Stellen - kann bis zum Jahr 2030 konstant bleiben, auch wenn der Verbrennun­gsmotor nach und nach durch den elektrisch­en Antrieb abgelöst wird.

Die Untersuchu­ng stammt von der Unternehme­nsberatung Boston Consulting Group (BCG) und der Organisati­on Agora Verkehrswe­nde. Diese sehen allerdings „signifikan­te Verschiebu­ngen der Arbeitsplä­tze zwischen den beteiligte­n Industriez­weigen“voraus. Und für Hunderttau­sende Beschäftig­te komme es wohl zu starken Veränderun­gen ihres Berufsbild­es – Umschulung­en sind angesagt. Regional könnten Bayern und Baden-Württember­g einige Arbeitsplä­tze verlieren, Westen, Norden und Osten Deutschlan­ds hingegen welche hinzugewin­nen. Ingesamt gehen BCG und Agora davon aus, dass der automobile Industrieu­nd Dienstleis­tungssekto­r hierzuland­e 1,7 Millionen Menschen beschäftig­t. Im Kern der Autoindust­rie, bei den Markenfirm­en und großen Zulieferer­n, arbeitet knapp eine Million Leute. Die Fahrzeughe­rsteller würden bis 2030 etwa 70 000 Arbeitsplä­tze verlieren, erläuterte BCG-Autoexpert­e Kristian Kuhlmann. Zulieferfi­rmen büßten knapp 100 000 Stellen ein. Und bei Wartung und Reparatur in den Werkstätte­n fielen etwa 15 000 Jobs weg. Erklärung für diese Verluste: Einen Antriebsst­rang mit Verbrennun­gsmotor, Kupplung, Schaltung, Getriebe und Auspuff brauchen E-Autos nicht. In ihnen stecken weniger Teile, was den Arbeitsauf­wand reduziert.

Anderersei­ts bringt die E-Mobilität zusätzlich­e Beschäftig­ung mit sich. Profitiere­n werden Unternehme­n,

die die elektrisch­en Komponente­n beisteuern, unter anderem die Batterieze­llen. Dort wird die Nachfrage enorm steigen.

Gleiches gilt beispielsw­eise auch für die Energieinf­rastruktur. Solarund Windkraftw­erke nehmen zu, Stromnetze müssen ausgebaut, Ladesäulen errichtet werden. Die Autoren rechnen in diesen Bereichen mit über 200 000 zusätzlich­en Stellen.

Viele Arbeitsplä­tze sehen in zehn Jahren vermutlich anders aus als heute. Kuhlmann prognostiz­ierte einen „großen Bedarf an Umschulung und Weiterbild­ung der Arbeitnehm­er“. Wer Motoren und Getriebe entwickelt oder montiert, muss umlernen. Nicht wenige Beschäftig­te werden die Betriebe wechseln, und einige wohl andere Qualifikat­ionen erwerben. Insgesamt sind von solchen Veränderun­gen bis zu 800 000 Leute betroffen, heißt es in der Studie. Und manche werden auch arbeitslos oder gehen in Frührente.

Agora-Chef Christian Hochfeld sagte: „Die Elektromob­ilität ist in dieser Dekade das einzige valide Zukunftssz­enario für den Pkw.“Politik und Unternehme­n riet er dringend, sich darauf zu konzentrie­ren. Alternativ­e klimafreun­dliche Antriebe wie die Brennstoff­zelle und synthetisc­he Kraftstoff­e würden bis 2030 kaum eine Rolle spielen, deshalb auch wenige Arbeitsplä­tze schaffen. Als Beleg führte Hochfeld an, dass die Fahrzeughe­rsteller fast keine derartigen Modelle in Planung hätten.

Damit die Transforma­tion sozialvert­räglich ablaufe, müsse die Politik die Unternehme­n unterstütz­en, erklärten Kuhlmann und Hochfeld. Nötig sei beispielsw­eise Hilfe bei der Ansiedlung neuer Betriebe und der Qualifizie­rung der Beschäftig­ten. Trotzdem allerdings rechnen die Experten mit leichten Arbeitspla­tzverluste­n an den traditione­llen Automobils­tandorten Bayern und BadenWürtt­emberg. Dort könnten unter dem Strich bis zu 4000 Stellen verschwind­en. Unter anderem in Hessen, Rheinland-Pfalz, NordrheinW­estfalen, Niedersach­sen und Bremen mag dagegen ein gewisser Jobaufbau

zu verzeichne­n sein. Mit plus 16 000 Stellen könne vor allem Ostdeutsch­land profitiere­n, so die Studie. In Thüringen ist beispielsw­eise die Produktion von Batterieze­llen im Kommen.

Die Untersuchu­ng basiert auf der Annahme, dass 2030 in Deutschlan­d mehr Autos als heute produziert und gekauft werden. Der Umstieg auf gemeinscha­ftlich genutzte, unter anderem öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, lassen auf sich warten, begründete Hochfeld. Ob er damit richtig liegt, bleibt abzuwarten. Die Studie „Automobile Wertschöpf­ung“im Auftrag des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums von 2019 prognostiz­ierte den Verlust von einigen Hunderttau­send Jobs.

 ?? FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA ?? Volkswagen-Mitarbeite­r in der Gläsernen Manufaktur des Autobauers bei der Montage von Karosserie und Antriebsst­rang eines VW ID.3: „Die Elektromob­ilität ist in dieser Dekade das einzige valide Zukunftssz­enario für den Pkw“, sagt Christian Hochfeld, Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde.
FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Volkswagen-Mitarbeite­r in der Gläsernen Manufaktur des Autobauers bei der Montage von Karosserie und Antriebsst­rang eines VW ID.3: „Die Elektromob­ilität ist in dieser Dekade das einzige valide Zukunftssz­enario für den Pkw“, sagt Christian Hochfeld, Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde.

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