Auf den Steuerstreit folgt die Solidarität
CSU zeigt Verständnis für Laschets Fernbleiben – Söder bietet bayerische Hilfe an
- Mit einer Schifffahrt bei Königswetter auf dem nahegelegenen Chiemsee wäre der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet ohnehin nicht empfangen worden, wenn er zur Klausur der CSU-Bundestagsfraktion nach Seeon gekommen wäre. Vielmehr hätten den CDU-Chef ein verhangener Himmel über dem Klostersee und ein leidlich ausgeräumter Steuerstreit zwischen CDU und CSU erwartet. Zudem ein bayerischer Ministerpräsident, der bekanntlich selbst gerne Unionskanzlerkandidat geworden wäre und seine Enttäuschung über den wenig temperamentvollen Unionswahlkampf kaum verbergen kann.
Gerade, als sich CSU-Chef Markus Söder und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Mittag zur vorgezogenen Pressekonferenz unter freiem Himmel im Klosterhof einfinden, fängt es auch in Seeon an zu tröpfeln. Nur ein zarter Sommerschauer, aber doch nass. Dobrindt und Söder schicken ihre Solidaritätsadressen in Richtung Nordrhein-Westfalen, bekunden vollstes Verständnis, dass Laschet in Anbetracht der immensen Unwetterschäden in seinem Bundesland vor Ort sein muss – und nicht in Seeon. Das geplante Treffen werde man im August nachholen. „Heute sind wir in Gedanken bei den Opfern der Überschwemmungen und deren Angehörigen“, sagt Dobrindt. Die Folgen des Unwetters machten ihn tief betroffen.
Auch Söder zeigt sich erschüttert: Er habe Unterstützung angeboten, technische Hilfsmittel beispielsweise. Die Geschehnisse in NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz nähmen ihn mit, sagt er. Schließlich habe er in seiner Zeit als bayerischer Finanzminister bereits die Erfahrung gemacht, wie schnell sich Regenfälle zu Fluten entwickeln könnten – so geschehen im Jahr 2016 in Simbach am Inn.
Es sind nur wenige Sätze, die Söder sagt. Aber sie sagen doch viel über ihn. Er hat es zwar durchaus gelernt, sich in der Öffentlichkeit zurückzunehmen und auch seine Sticheleien gegen Laschet auf ein wohl proportioniertes Maß herunterzufahren. Aber dennoch klingt immer wieder durch, dass er sich für einen sehr gut geeigneten Unionskanzlerkandidaten hält – vielleicht sogar für einen besseren als den jetzigen. Das zeigte sich auch im Streit über die Steuerpolitik, als er Laschet vorwarf, das gemeinsame Wahlprogramm nicht so ganz ernst zu nehmen.
Doch an diesem Donnerstag ist der Streit von gestern auch Schnee von gestern. In der Krise zeigen die Schwesterparteien uneingeschränkte Solidarität. Dazu kommt, dass die Differenzen in der Frage, ob und wann Unternehmen und Familien im Falle eines Wahlsieges der Union mit Entlastungen rechnen könnten, wohl tatsächlich ausgeräumt wurden. Es gebe inzwischen eine „gemeinsame Sichtweise“, sagt Dobrindt. Bei einer Telefonkonferenz mit Laschet am Morgen habe man sich auf schrittweise Entlastungen für Familien und Unternehmen nach der Bundestagswahl verständigt. Wie im Wahlprogramm vorgesehen, könnten die Vorhaben in der „nächsten Wahlperiode“umgesetzt werden, sagt er. Das sei für Deutschland sehr wichtig. Doch im Grunde interessiert das Steuerthema heute nur am Rande.
Welche Auswirkungen auf die Wählerstimmung die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands haben wird? Das ist die eigentliche Frage, die über dem Klosterhof von Seeon liegt. Werden die von Plagiatsaffären gebeutelten Grünen profitieren, wenn der Klimawandel stärker ins Bewusstsein rückt – oder Unionskanzlerkandidat Laschet, der sich in schwarzen Gummistiefeln ein
Bild der Überschwemmungslage in seinem Bundesland gemacht hat? Beides scheint möglich. Bei der sogenannten Jahrhundertflut an der Elbe im Jahr 2002 war es SPD-Amtsinhaber Gerhard Schröder, der seine Kanzlerschaft gegen den CSU-Herausforderer Edmund Stoiber verteidigen konnte, nachdem er sich auf ein Hochwasser-Krisenmanagement in Gummistiefeln besonnen hatte. Stoiber hatte damals wegen einiger tausend Stimmen das Nachsehen.
Der Klimawandel ist für ihn Unionsthema – daran lässt CSU-Chef Söder bei seinem kurzen Pressestatement unterm Regenschirm keinen Zweifel. „Der Klimawandel wird uns weiter beschäftigen“, sagt er. Deshalb treibe er auch mit dem grünen Ministerpräsidenten von BadenWürttemberg, Winfried Kretschmann, eine „Klima-Allianz“voran. Beide Bundesländer seien ambitionierter in ihren Klimazielen als der Rest der Republik. Sein Ziel sei es, einen vorausschauenden Klimaschutz voranzutreiben und gleichzeitig den Wohlstand zu bewahren. Worauf Söder an diesem Tag mit einer solchen
Aussage hinauswill, ist kaum zu überhören: Klimapolitik kann auch die Union, Kretschmann ist ihm sicherlich näher als andere Grüne – und auch bei diesem Thema hat er die Nase vorn.
Besser sein zu wollen, das scheint in der DNA des bayerischen Ministerpräsidenten zu liegen. Deshalb wird es ihn, der in seinen Anfangszeiten der unbeliebteste Landeschef Deutschlands war, erfreuen, dass rund 70 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden sind. Laschet kommt in dieser Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap nur auf Werte von 24 Prozent. Doch es gibt auch eine Schattenseite: Rechnerisch ist eine Regierungskoalition ohne Union durchaus möglich – es müssten sich nur Grüne, SPD und FDP zu einer Ampel zusammentun. Der Ausgang der Bundestagswahl werde ein „Wimpernschlagfinale“, hat Söder schon mehrfach betont. Deshalb müsse um jede Stimme aus der bürgerlichen Mitte gekämpft werden. Im bisherigen Wahlkampf sieht er da wohl noch Luft nach oben.