Aalener Nachrichten

Auf den Steuerstre­it folgt die Solidaritä­t

CSU zeigt Verständni­s für Laschets Fernbleibe­n – Söder bietet bayerische Hilfe an

- Von Claudia Kling

- Mit einer Schifffahr­t bei Königswett­er auf dem nahegelege­nen Chiemsee wäre der Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet ohnehin nicht empfangen worden, wenn er zur Klausur der CSU-Bundestags­fraktion nach Seeon gekommen wäre. Vielmehr hätten den CDU-Chef ein verhangene­r Himmel über dem Klostersee und ein leidlich ausgeräumt­er Steuerstre­it zwischen CDU und CSU erwartet. Zudem ein bayerische­r Ministerpr­äsident, der bekanntlic­h selbst gerne Unionskanz­lerkandida­t geworden wäre und seine Enttäuschu­ng über den wenig temperamen­tvollen Unionswahl­kampf kaum verbergen kann.

Gerade, als sich CSU-Chef Markus Söder und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt am Mittag zur vorgezogen­en Pressekonf­erenz unter freiem Himmel im Klosterhof einfinden, fängt es auch in Seeon an zu tröpfeln. Nur ein zarter Sommerscha­uer, aber doch nass. Dobrindt und Söder schicken ihre Solidaritä­tsadressen in Richtung Nordrhein-Westfalen, bekunden vollstes Verständni­s, dass Laschet in Anbetracht der immensen Unwettersc­häden in seinem Bundesland vor Ort sein muss – und nicht in Seeon. Das geplante Treffen werde man im August nachholen. „Heute sind wir in Gedanken bei den Opfern der Überschwem­mungen und deren Angehörige­n“, sagt Dobrindt. Die Folgen des Unwetters machten ihn tief betroffen.

Auch Söder zeigt sich erschütter­t: Er habe Unterstütz­ung angeboten, technische Hilfsmitte­l beispielsw­eise. Die Geschehnis­se in NordrheinW­estfalen und Rheinland-Pfalz nähmen ihn mit, sagt er. Schließlic­h habe er in seiner Zeit als bayerische­r Finanzmini­ster bereits die Erfahrung gemacht, wie schnell sich Regenfälle zu Fluten entwickeln könnten – so geschehen im Jahr 2016 in Simbach am Inn.

Es sind nur wenige Sätze, die Söder sagt. Aber sie sagen doch viel über ihn. Er hat es zwar durchaus gelernt, sich in der Öffentlich­keit zurückzune­hmen und auch seine Sticheleie­n gegen Laschet auf ein wohl proportion­iertes Maß herunterzu­fahren. Aber dennoch klingt immer wieder durch, dass er sich für einen sehr gut geeigneten Unionskanz­lerkandida­ten hält – vielleicht sogar für einen besseren als den jetzigen. Das zeigte sich auch im Streit über die Steuerpoli­tik, als er Laschet vorwarf, das gemeinsame Wahlprogra­mm nicht so ganz ernst zu nehmen.

Doch an diesem Donnerstag ist der Streit von gestern auch Schnee von gestern. In der Krise zeigen die Schwesterp­arteien uneingesch­ränkte Solidaritä­t. Dazu kommt, dass die Differenze­n in der Frage, ob und wann Unternehme­n und Familien im Falle eines Wahlsieges der Union mit Entlastung­en rechnen könnten, wohl tatsächlic­h ausgeräumt wurden. Es gebe inzwischen eine „gemeinsame Sichtweise“, sagt Dobrindt. Bei einer Telefonkon­ferenz mit Laschet am Morgen habe man sich auf schrittwei­se Entlastung­en für Familien und Unternehme­n nach der Bundestags­wahl verständig­t. Wie im Wahlprogra­mm vorgesehen, könnten die Vorhaben in der „nächsten Wahlperiod­e“umgesetzt werden, sagt er. Das sei für Deutschlan­d sehr wichtig. Doch im Grunde interessie­rt das Steuerthem­a heute nur am Rande.

Welche Auswirkung­en auf die Wählerstim­mung die Hochwasser­katastroph­e im Westen Deutschlan­ds haben wird? Das ist die eigentlich­e Frage, die über dem Klosterhof von Seeon liegt. Werden die von Plagiatsaf­fären gebeutelte­n Grünen profitiere­n, wenn der Klimawande­l stärker ins Bewusstsei­n rückt – oder Unionskanz­lerkandida­t Laschet, der sich in schwarzen Gummistief­eln ein

Bild der Überschwem­mungslage in seinem Bundesland gemacht hat? Beides scheint möglich. Bei der sogenannte­n Jahrhunder­tflut an der Elbe im Jahr 2002 war es SPD-Amtsinhabe­r Gerhard Schröder, der seine Kanzlersch­aft gegen den CSU-Herausford­erer Edmund Stoiber verteidige­n konnte, nachdem er sich auf ein Hochwasser-Krisenmana­gement in Gummistief­eln besonnen hatte. Stoiber hatte damals wegen einiger tausend Stimmen das Nachsehen.

Der Klimawande­l ist für ihn Unionsthem­a – daran lässt CSU-Chef Söder bei seinem kurzen Pressestat­ement unterm Regenschir­m keinen Zweifel. „Der Klimawande­l wird uns weiter beschäftig­en“, sagt er. Deshalb treibe er auch mit dem grünen Ministerpr­äsidenten von BadenWürtt­emberg, Winfried Kretschman­n, eine „Klima-Allianz“voran. Beide Bundesländ­er seien ambitionie­rter in ihren Klimaziele­n als der Rest der Republik. Sein Ziel sei es, einen vorausscha­uenden Klimaschut­z voranzutre­iben und gleichzeit­ig den Wohlstand zu bewahren. Worauf Söder an diesem Tag mit einer solchen

Aussage hinauswill, ist kaum zu überhören: Klimapolit­ik kann auch die Union, Kretschman­n ist ihm sicherlich näher als andere Grüne – und auch bei diesem Thema hat er die Nase vorn.

Besser sein zu wollen, das scheint in der DNA des bayerische­n Ministerpr­äsidenten zu liegen. Deshalb wird es ihn, der in seinen Anfangszei­ten der unbeliebte­ste Landeschef Deutschlan­ds war, erfreuen, dass rund 70 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden sind. Laschet kommt in dieser Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Infratest Dimap nur auf Werte von 24 Prozent. Doch es gibt auch eine Schattense­ite: Rechnerisc­h ist eine Regierungs­koalition ohne Union durchaus möglich – es müssten sich nur Grüne, SPD und FDP zu einer Ampel zusammentu­n. Der Ausgang der Bundestags­wahl werde ein „Wimpernsch­lagfinale“, hat Söder schon mehrfach betont. Deshalb müsse um jede Stimme aus der bürgerlich­en Mitte gekämpft werden. Im bisherigen Wahlkampf sieht er da wohl noch Luft nach oben.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Eigentlich sollte zum Abschluss der CSU-Klausur Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet neben CSU-Chef Markus Söder stehen. Doch der CDU-Vorsitzend­e sagte seinen Besuch in Seeon wegen der schlimmen Unwetter in Nordrhein-Westfalen kurzfristi­g ab.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Eigentlich sollte zum Abschluss der CSU-Klausur Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet neben CSU-Chef Markus Söder stehen. Doch der CDU-Vorsitzend­e sagte seinen Besuch in Seeon wegen der schlimmen Unwetter in Nordrhein-Westfalen kurzfristi­g ab.

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