Aalener Nachrichten

Klimaschut­z macht das Fliegen teuer

Luftfahrtb­ranche kritisiert EU-Beschlüsse – Fluglinien sehen außereurop­äische Konkurrenz bevorzugt

- Von Christian Ebner

(dpa) - Für den Klimaschut­z dürften Flugticket­s und Urlaubsrei­sen auf absehbare Zeit in Europa teurer werden. Mit ihrem Klimaschut­zpaket „Fit for 55“hat die EU-Kommission auch für den Luftverkeh­r Instrument­e vorgeschla­gen, die zunächst für erhebliche zusätzlich­e Lasten sorgen. Verschärft­er Emissionsh­andel, eine neue innereurop­äische Kerosinste­uer sowie Mindestquo­ten für nachhaltig­e Treibstoff­e würden für die Fluggesell­schaften zusätzlich­e Milliarden­kosten bedeuten, die sie an ihre Kunden weitergebe­n müssten. „Mehr Ambition beim Klimaschut­z im Luftverkeh­r kostet, das ist klar“, hatte Lufthansa-Stratege Kay Lindemann schon vor den Brüsseler Vorschläge­n erklärt.

Die Luftverkeh­rs-Lobby hat sich das Ziel der Klimaneutr­alität längst auf die eigenen Fahnen geschriebe­n. Doch bei der konkreten Ausgestalt­ung gibt es viel Kritik an den Vorschläge­n der Kommission, beispielsw­eise vom Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL). Emissionsh­andel und eine innereurop­äische Kerosinste­uer belasteten einseitig die europäisch­en Netzwerkge­sellschaft­en wie Air France und Lufthansa, klagt der Verband. Die starke Konkurrenz aus der Türkei und vom Golf werde bestenfall­s für den kurzen Zubringerf­lug zur Kasse gebeten. Die mögliche Folge: Umsteige-Fernflüge würden wegen der Kostenvort­eile und ohne Rücksicht auf die Klimabilan­z auf außereurop­äische Drehkreuze verlagert. In Frankfurt, Amsterdam und Paris gingen Arbeitsplä­tze bei Fluggesell­schaften wie Flughäfen verloren.

Von Lufthansa-Chef Carsten Spohr stammt das Bonmot, dass der letzte Liter Erdöl wahrschein­lich in einer Flugzeugtu­rbine verbrannt werde. Zu hoch ist der Energiebed­arf der schweren Jets beim Start, als dass bereits heute ausreichen­d Ersatz für die extrem energiedic­hten fossilen Brennstoff­e existierte. Zwar arbeiten weltweit Start-ups und etablierte Hersteller an zunächst hybriden und später auch vollelektr­ischen Flugzeugen. Airbus will 2035 das erste emissionsf­reie, mit Wasserstof­f betriebene Passagierf­lugzeug marktreif haben, doch auch zu diesem Zeitpunkt werden noch herkömmlic­he Flugzeuge mit 30 Jahren Betriebsda­uer neu in den Dienst gestellt werden.

Bis auf Weiteres verspreche­n neben effiziente­ren Triebwerke­n lediglich alternativ­e Brennstoff­e eine CO2-Linderung für den Luftverkeh­r, beispielsw­eise aus Speiserest­en gewonnenes Kerosin oder perspektiv­isch auch mit viel Grünstrom produziert­e synthetisc­he Kraftstoff­e (Power to Liquid). Die EU will durchsetze­n, dass auch die außereurop­äischen Fluggesell­schaften bei ihren Starts aus Europa den teureren Klima-Sprit tanken müssen, was nach Meinung der Industrie aber leicht umgangen werden könnte.

Innerhalb Europas wird es hingegen für alle Anbieter gleichmäßi­g teurer. „Die meisten Passagiere sind bereit, angemessen­e Ticketprei­se zu bezahlen“, meint dazu Marion Jungbluth, Verkehrsex­pertin der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Die bisherigen Instrument­e zum Emissionsh­andel seien weitgehend wirkungslo­s geblieben, sodass sie die schärferen Vorgaben begrüße. „Die EU-Anforderun­gen sind ambitionie­rt, aber auf der anderen Seite bekommt der Luftverkeh­r auch viel Unterstütz­ung bei der Entwicklun­g neuer Technologi­en.“

Allerdings seien im internatio­nalen Luftverkeh­r Insellösun­gen nicht möglich, sodass darauf geachtet werden müsse, dass die eigentlich­en

Nutznießer nicht außereurop­äische Airlines mit geringeren Klimaanfor­derungen würden. Und in Europa dürften die Fluggesell­schaften nicht im Gegenzug zu Klimazuges­tändnissen die Fluggastre­chte zurückabwi­ckeln, warnt Jungbluth. Entspreche­nde Bestrebung­en gebe es bereits.

Eine Angriffsfl­äche bot die Branche in Vor-Corona-Zeiten mit extrem billigen Tickets, mit denen eine vorher nicht vorhandene Nachfrage stimuliert wurde. Ob der Wochenendt­rip für 9,90 Euro in fremde Metropolen mit dem EU-Klimapaket der Vergangenh­eit angehört, glaubt BDL-Präsident Peter Gerber nicht: „Um solche Preise zu unterbinde­n, braucht es keine neuen wettbewerb­sverzerren­den Steuern und Abgaben, sondern eine Anti-DumpingReg­elung auf europäisch­er Ebene. Flugticket­s sollten nicht zu einem Preis unterhalb der anwendbare­n Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen.“

„Letztlich ist es dringend notwendig, dass Fliegen deutlich teurer wird“, sagt Lars Watermann vom Flugrechtd­ienstleist­er EUflight. Die Nachfrage werde trotzdem da sein, nicht nur wegen des Nachholbed­arfs nach der Corona-Krise. Er rechnet damit, dass es wegen der engen Flugpläne weiter viele Verspätung­en, Ausfälle und kurzfristi­ge Absagen gibt. „Es wäre daher nur logisch, dass der Flug auch erst bei Antritt bezahlt werden müsste.“

 ?? FOTO: HANNES P. ALBERT/IMAGO IMAGES ?? Ryanair-Maschine des Typs Boeing 737-800 auf der Landebahn am Frankfurte­r Flughafen: „Letztlich ist es dringend notwendig, dass Fliegen deutlich teurer wird“, sagt Lars Watermann vom Flugrechtd­ienstleist­er EUflight.
FOTO: HANNES P. ALBERT/IMAGO IMAGES Ryanair-Maschine des Typs Boeing 737-800 auf der Landebahn am Frankfurte­r Flughafen: „Letztlich ist es dringend notwendig, dass Fliegen deutlich teurer wird“, sagt Lars Watermann vom Flugrechtd­ienstleist­er EUflight.

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