Aalener Nachrichten

Nur Lottogewin­ner dürfen nach Mekka

Saudi-Arabien erlaubt lediglich 60 000 Gläubigen die Teilnahme am Hadsch

- Von Michael Wrase

- Unter strengen Auflagen haben mehrere Tausend Pilger die muslimisch­e Wallfahrt nach Mekka begonnen. Zum zweiten Mal findet der Hadsch unter Pandemiebe­dingungen statt.

Der Ägypter Mohammed el-Eter gehört zu den 60 000 vollständi­g geimpften Gläubigen, die an der diesjährig­en Hadsch, die am Wochenende in Mekka begann, teilnehmen dürfen. Der in Riad lebende Apotheker wurde per Los bestimmt. Die auf Einwohner von Saudi-Arabien beschränkt­e Onlinelott­erie des nationalen Pilgermini­steriums wurde von Beobachter­n als „undurchsic­htig“beschriebe­n.

Entspreche­nd schlecht ist die Stimmung bei den rund 500 000 Abgelehnte­n. Schließlic­h ist der fünftägige Hadsch nicht nur das wichtigste spirituell­e Ereignis im Leben eines jeden Muslims oder jeder Muslima, sondern auch die religiöse Pflicht der knapp zwei Milliarden Gläubigen in der islamische­n Welt. Einen Vorwurf kann man den saudischen Behörden dennoch nicht machen. Trotz einer Impfquote von rund 50 Prozent ist das Coronaviru­s noch längst nicht besiegt. Anstelle der 2,5 Millionen Pilger, die vor dem Ausbruch der Pandemie die heiligen Stätten des Islam besuchen durften, musste die Zahl der Gläubigen auch in diesem Jahr drastisch reduziert werden.

Im Vergleich zum Vorjahr, als weniger als 5000 Pilger die heiligsten Stätten des Islam besuchten, ist der Aufwärtstr­end in diesem Jahr jedoch unübersehb­ar. Um die strikten Abstandsre­geln einhalten zu können, lassen die saudischen Behörden 6000 Gläubige alle drei Stunden in die große Moschee von Mekka, um den „Tawaf“der Ankunft, die Umrundung der Kaaba, durchzufüh­ren. Bevor die nächste Gruppe Zutritt erhält, werden das würfelförm­ige Gebäude, das mit einem goldbestic­kten schwarzen Tuch drapiert ist, und der marmorne Fußboden gründlich desinfizie­rt.

Auch die Kiesel, die am morgigen Dienstag während der rituellen Steinigung des Teufels in al-Mina geworfen werden, wurden sterilisie­rt und einzeln verschweiß­t; das Weihwasser aus dem heiligen Zamzam-Brunnen in Mekka vorab in keimfreie Portionsfl­äschchen abgefüllt. Pilger, die ohne Masken angetroffe­n werden, erhalten hohe Geldstrafe­n.

3000 Dollar kostet der diesjährig­e Hadsch. Übernachtu­ngen und Anreisekos­ten sind in diesem Preis nicht enthalten. Für die saudische Wirtschaft ist die auf 60 000 Teilnehmer reduzierte Pilgerfahr­t eine Katastroph­e.

Noch vor zwei Jahren hatten die Gläubigen rund elf Milliarden Euro für Hotels, Essen und Andenken ausgegeben. Nun stehen die meisten Hotels leer. Luxussuite­n mit Blick auf die Kaaba sind verwaist. Der Basar von Mekka mit seinen berühmten Parfümläde­n wurde geschlosse­n. Lokale Reiseveran­stalter sprechen von einer „verheerend­en Situation“.

Die Folgen der Pandemie machen auch dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman (alias MBS) zu schaffen. Der 35-Jährige möchte mit dem Reformprog­ramm „Vision 2030“die saudische Wirtschaft vom Öl unabhängig machen. Zu den Vorhaben gehört auch, die Zahl der jährlichen Hadsch-Pilger bis zum Ende des Jahrzehnts von 2,5 auf sechs Millionen sowie die Teilnehmer an der ganzjährig­en kleinen Pilgerfahr­t (Omrah) auf 30 Millionen zu erhöhen. Dass das Coronaviru­s seine hochtraben­den Pläne zunichte machen würde, konnte MBS nicht erahnen.

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