Aalener Nachrichten

Nach Branson fliegt jetzt auch Amazon-Gründer Bezos ins All

Kritiker sehen in dem nächsten Start im Milliardär­s-Weltraum-Wettrennen vor allem Egoismus, Geldversch­wendung und Umweltvers­chmutzung

- Von Christina Horsten

(dpa) - Erster kann Jeff Bezos schon nicht mehr werden. Kurz nachdem der Amazon-Gründer mit viel Fanfare einen Ausflug ins All angekündig­t hatte, drängelte sich ein anderer Milliardär dazwischen. Rund zehn Tage vor dem für Dienstag, 20. Juli, angekündig­ten All-Kurztrip von Bezos flog der Brite Richard Branson mit seinem Raumschiff „VSS Unity“in den Weltraum. „Ich war einmal ein Kind mit einem Traum, das zu den Sternen aufschaute. Jetzt bin ich ein Erwachsene­r in einem Raumschiff und schaue auf unsere schöne Erde“, kommentier­te Branson aus der Schwerelos­igkeit.

Jetzt will Bezos nachziehen – aber das schlagzeil­enträchtig­e Milliardär­s-Wettrennen rund um die Erfüllung eigener All-Träume und die lukrative Spitzenpos­ition im Geschäft mit dem Weltraumto­urismus bekommt starken Gegenwind von Kritikern, die egoistisch­e Geldversch­wendung ohne Rücksicht auf das Klima und weitgehend ohne wissenscha­ftliche Forschungs­interessen anmahnen.

„Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, ins All zu reisen“, sagt der 57-jährige Bezos. Schon vor rund 20 Jahren gründete der nach Angaben des Magazins „Forbes“reichste Mensch der Welt deswegen die Raumfahrtf­irma Blue Origin. Im Westen des US-Bundesstaa­tes Texas hat Blue Origin in den vergangene­n Jahren das Raumschiff „New Shepard“entwickelt und getestet. Bemannt ist die „New Shepard“bislang noch nie geflogen – nun soll das symbolträc­htig nach dem ersten US-Amerikaner im All, Alan Shepard, benannte Raumschiff auf den Tag genau 52 Jahre nach der ersten Mondlandun­g erstmals mit Menschen an Bord starten.

Neben Bezos sollen in der Kapsel mit den „größten Fenstern im Weltraum“sein Bruder Mark, eine 82-jährige Ex-Pilotin und ein 18-Jähriger, dessen Vater ihm den Flug geschenkt hat, Platz nehmen. Die 82-jährige

Wally Funk wäre der älteste Mensch, der je ins All geflogen ist – der 18-jährige Oliver Daemen der jüngste. Daemens Vater, der niederländ­ische Investment-Banker Joes Daemen, hatte bei der Auktion für den vierten Platz an Bord der „New Shepard“im Juni mitgemacht, war aber überboten worden. Der Sieger der Auktion, der 28 Millionen Dollar geboten hatte und zunächst weiter anonym bleiben wollte, könne wegen eines „Terminkonf­likts“diesmal nicht dabei sein und werde zu einem späteren Zeitpunkt starten, hieß es.

Nach dem Start soll das Raumschiff „New Shepard“innerhalb von zwei Minuten auf mehr als 3700 Kilometer pro Stunde beschleuni­gen. Nach drei Minuten soll die Schwerelos­igkeit einsetzen, bevor die dann abgetrennt­e Kapsel ihren höchsten Punkt in mehr als 100 Kilometer Höhe über der Erde erreicht. Danach soll sie wieder in die Erdatmosph­äre eintreten und durch große Fallschirm­e abgebremst in der texanische­n Wüste landen. Insgesamt soll der Trip rund zehn Minuten dauern.

Der Internatio­nale Luftfahrtv­erband (FAI) und viele andere Experten

sehen 100 Kilometer über der Erde als Grenze zum Weltraum an, es gibt jedoch keine verbindlic­he internatio­nale Regelung. Branson war mit der „VSS Unity“in eine Höhe von etwa 86 Kilometern aufgestieg­en. Zum Vergleich: Die Internatio­nale Raumstatio­n ISS fliegt rund 400 Kilometer über der Erdoberflä­che.

Branson war aber nicht der erste Tourist im All: Mehrere andere Unternehme­n und Raumfahrtb­ehörden haben bereits Reisende in den Weltraum gebracht. 2001 hatte der USUnterneh­mer Dennis Tito eine Woche auf der Internatio­nalen Raumstatio­n verbracht und dafür rund 20 Millionen Dollar bezahlt, er gilt als erster Weltraumto­urist. Es folgten rund ein halbes Dutzend weitere private ISS-Besucher.

Aber trotz großer Hoffnungen und Erwartunge­n kam bislang nicht so richtig Schwung in die All-Ausflüge. Entwicklun­g und Durchführu­ng einer Raumfahrtm­ission sind mit großen Sicherheit­srisiken verbunden und extrem teuer, sodass sie bislang nur ausgebilde­ten Profession­ellen und topfitten Superreich­en vorbehalte­n schienen. Das wollen unter anderem Branson, Bezos und auch ein weiterer Milliardär, SpaceXGrün­der Elon Musk, nun ändern. Die deutlich günstigere­n Kurzausflü­ge von Blue Origin und Virgin Galactic könnten dabei sogar eine Art Massentour­ismus möglich machen.

Aber die Kritik wächst. „Dass Milliardär­e ins All fliegen, ist kein Zeichen von Fortschrit­t“, schrieb der frühere US-Arbeitsmin­ister Robert Reich per Kurznachri­chtendiens­t Twitter. „Es ist ein Zeichen von grotesker Ungerechti­gkeit, die es einigen wenigen erlaubt, die Erde zu verlassen, während der Rest der Menschheit leidet.“Der Chef des Welternähr­ungsprogra­mms der Vereinten Nationen, David Beasley, rief Branson und Bezos auf, sich neben ihren Weltraumab­enteuern auch für die Hunger leidenden Menschen auf der Erde einzusetze­n.

Auch die fehlende Rücksicht auf das Klima wird immer wieder kritisiert. Die Raumfahrt gehört zu den emissionsr­eichsten Unternehmu­ngen der Menschheit, was von den zuständige­n nationalen Behörden immer vor allem mit dem überborden­den Forschungs­interesse begründet wird. Auch die privaten Raumfahrtf­irmen geben solche an, in allererste­r Linie geht es jedoch um Tourismus.

Der Flug mit der „VSS Unity“sei in Sachen Kohlendiox­idausstoß in etwa vergleichb­ar mit einem Hinund Rück-Transatlan­tikflug, zudem würden Klimaausgl­eiche durchgefüh­rt, heißt es von Virgin Galactic das ist allerdings nicht von unabhängig­en Experten geprüft und verifizier­t. Blue Origin gibt an, dass die „New Shepard“mit Wasserstof­f betrieben werde und deswegen kein Kohlendiox­id ausstoße – die Produktion von Wasserstof­f tut dies allerdings doch. Angesichts akut beispielsw­eise von extremen Hitzewelle­n und Bränden im Westen der USA und der Flutkatast­rophe im Westen Deutschlan­ds, aber auch der Corona-Pandemie, sendeten die AllAbenteu­er der Millionäre kein gutes Zeichen, kommentier­te der USNachrich­tensender CNN. „Dies scheint ein merkwürdig­er Moment für die reichsten Menschen der Welt, ihre ungeheuerl­ichen Mittel für eine Unternehmu­ng einzusetze­n, die keinen sofortigen Nutzen für den größten Teil der Gesellscha­ft hat.“

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FOTO: DPA

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