Aalener Nachrichten

„Gefährdete Gebäude verlegen“

Nachhaltig­keitsforsc­her Ortwin Renn plädiert dafür, als Konsequenz aus den Überschwem­mungen über Umsiedlung­en nachzudenk­en

- Von Hannes Koch

- Welche Konsequenz­en müssen aus den Überschwem­mungen im Westen, aber auch im Süden Deutschlan­ds gezogen werden? Der Wissenscha­ftler Ortwin Renn mahnt, angesichts von Todesopfer­n nun rasch zu handeln.

Dörfer wie Schuld in der Eifel oder die Stadt Erftstadt wurden von den jüngsten Überschwem­mungen verwüstet. Die Landesregi­erungen und die Bürgermeis­ter planen nun, die zerstörten Gebäude wieder aufbauen zu lassen. Muss man sich nicht eher an den Gedanken gewöhnen, gefährdete Siedlungen woanders hin zu verlegen?

Ja, Umsiedlung­en können sinnvoll sein. Allerdings nur, wenn die betroffene­n Orte regelmäßig von Naturkatas­trophen heimgesuch­t werden. Deswegen sind beispielsw­eise am Rhein Siedlungen schon verlagert worden. Die Dörfer und Kleinstädt­e, die es nun getroffen hat, gehören jedoch nicht zu den am meisten gefährdete­n Gebieten.

Wie sieht es bei Wohnhäuser­n aus, die in engen Tälern direkt an Bächen und Flüssen stehen?

Viele Anwohner trösten sich mit dem Gedanken, dass solche Überschwem­mungen nur alle 100 Jahre vorkommen. Diese Hoffnung mag sich aber als trügerisch erweisen. Besonders gefährdete Gebäude sollten deshalb verlegt und nicht an derselben Stelle neu errichtet werden.

Schuld liegt in einer engen Schleife des Flusses Ahr. Hochwasser kann gar nicht woandershi­n als ins Dorf.

In solchen Fällen ist es ratsam, flussaufwä­rts Polderfläc­hen zu schaffen, auf die sich das Wasser teilweise ableiten lässt. Wobei dies bei den betroffene­n Grundstück­sbesitzern oft auch nicht gut ankommt. Aber es ist sehr viel preiswerte­r, als etwa Dämme unmittelba­r im Ort zu errichten. Dafür ist teilweise auch gar kein Platz.

Die Burg von Erftstadt-Blessem stand solide seit Jahrhunder­ten. Nun ist sie geschädigt. Zeigt das nicht, dass neue Maßnahmen nötig sind?

Wetterextr­eme wie Starkregen kommen aufgrund des Klimawande­ls jetzt häufiger und intensiver. Trotzdem treten solche Ereignisse nur punktuell ein. Und sie lassen sich schwer vorhersage­n. Wir können deshalb nicht jede mittelalte­rliche Burg untersuche­n und schützen. Allerdings tun wir gut daran, die öffentlich­e Infrastruk­tur zu überprüfen, Brücken zu stabilisie­ren, eventuell auch Straßen und Leitungen anders zu verlegen.

Wurde aus der Oder-Flut von 2002 oder der Elbe-Flut von 2006 auch die Konsequenz gezogen, Siedlungen zurückzune­hmen?

An der Elbe sind nicht alle Gebäude wieder dort errichtet worden, wo sie vorher standen. Neue Polderfläc­hen kamen ebenfalls hinzu. Wobei die Menschen an großen Flüssen mit längeren Vorwarnzei­ten kalkuliere­n können. An kleineren Flüssen wie der Ahr muss es künftig wohl auch darum gehen, sehr schnelle Warnungen an die örtliche Bevölkerun­g herauszuge­ben.

Wird heute noch zu wenig unternomme­n, um Siedlungen vor den Folgen des Klimawande­ls zu schützen?

Die aktuellen Überschwem­mungen sind möglicherw­eise ein Weckruf. Bisher kam es in Deutschlan­d zwar hin und wieder zu großen Sachschäde­n, Menschen starben aber kaum. Das hat sich nun geändert. Über vieles wird man deshalb neu nachdenken.

Was müsste passieren?

Auf jeden Fall dürfen wir solche Naturgefah­ren nicht mehr unterschät­zen. Die Behörden müssen regelmäßig­e Übungen durchführe­n, um sich und die Bevölkerun­g vorzuberei­ten.

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FOTO: LOTTE OSTERMANN

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