Aalener Nachrichten

Er weiß, dass er aus Aalen ist...

Vor sieben Jahren gründete Özgür Uguz auf Facebook eine Gruppe für die Bürger der Kreisstadt.

- Von Verena Schiegl

Seite 13

- Sie wurde in Oberkochen geboren, ist sieben Jahre alt, hat ihren Lebensmitt­elpunkt seit sechs Jahren in Aalen und kann mittlerwei­le auf fast 12 000 Freunde zurückgrei­fen. Die Rede ist von der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Aalen bist“. Gegründet wurde diese von Özgür Uguz. Anfangs wollte der 42-Jährige in dem sozialen Netzwerk nur Erinnerung­en an vergangene Zeiten in der Kreisstadt aufleben lassen. Über die Jahre wurde die Gruppe jedoch immer mehr zu einer Nachrichte­nbörse, in der alles gepostet wird, was rund um Aalen passiert und zu einem Servicefor­um, das für die verschiede­nsten Belange der User Antworten bereithält.

An den ersten Beitrag, den er am 31. Januar 2014 in der Facebook-Gruppe gepostet hat, kann sich Özgür Uguz noch genau erinnern. Er handelte von dem ehemaligen Union-Kino am Bahnhof. Hier sah der heute 42-Jährige im zarten Alter von zwölf Jahren mit dem Film „My Girl“seinen ersten Streifen über die Leinwand flimmern.

Das Union-Kino gibt es schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie das Kino Capitol (heute Tanzschule Rühl) oder den Hollandgär­tner, mit dem Özgür Uguz noch heute viele schöne Kindheitse­rinnerunge­n verbindet. Vergangenh­eit ist auch die Eishalle im Greut. Nicht mehr erinnern kann sich die Generation Web 2.0 auch an das ehemalige „Magazin“(heute NettoMarkt) und an das damals ebenfalls im Reichsstäd­ter Markt befindende Eiscafé Dolomiti. Diese und weitere Erinnerung­en wollte Özgür Uguz wieder ins Bewusstsei­n rufen und via Facebook-Gruppe am Leben halten. Da es im Gegensatz zu der Stadt Heidenheim eine solche in der Kreisstadt allerdings noch nicht gab, hat er sich dazu entschloss­en, Anfang 2014 eine solche ins Leben zu rufen.

„Es war eine Nacht- und Nebelaktio­n und ich hatte keine Ahnung, auf was man dabei achten muss und was alles auf mich zukommt“, sagt Özgür Uguz, der zur Zeit der Gründung der Gruppe noch in Oberkochen lebte, seit sechs Jahren allerdings mit seiner aus Heidenheim stammenden deutsch-italienisc­hen Ehefrau und seinen zwölf und acht Jahre alten Söhnen in Hofherrnwe­iler wohnt. Er hätte auch nicht gedacht, dass die Gruppe „einmal so durch die Decke geht“. „Doch das Posten von zahlreiche­n nostalgisc­hen Beiträgen kam bei den Mitglieder­n an, die sich auch selbst eifrig daran beteiligte­n und historisch­e Fotos zur Verfügung stellten“, sagt der in Aalen geborene und auf dem Rötenberg aufgewachs­ene 42-Jährige mit türkischen Wurzeln.

„Doch irgendwann waren die Erinnerung­en auserzählt.“Heute geht es vielmehr um Ereignisse, die in und um Aalen passieren, aber auch um Service. Wer auf der Suche nach einem Hausarzt ist, wissen will, welcher Friseur die besten Locken macht, wer seinen entlaufene­n Hund sucht, einen Geldbeutel oder andere Gegenständ­e gefunden hat, eine geeignete Location für eine Feier oder Helfer für einen Umzug sucht, ist in der Gruppe genau richtig. Die Bandbreite an Themen ist so bunt und breitgefäc­hert wie die User eben auch. „Die Gruppe soll die Aalener zusammenbr­ingen und unbürokrat­ische Hilfe anbieten“, sagt Özgür Uguz.

In Zeiten von Corona und den beiden Lockdowns, in der die Mitglieder­zahl weiter gestiegen sei, haben anfangs auch Beiträge einen großen Stellenwer­t eingenomme­n, die sich mit der Pandemie befassten. „Da diese allerdings große und unsachlich­e Diskussion­en zwischen Corona-Leugnern und Menschen, die Angst vor Covid-19 haben, auslösten, und die Kommentare mitunter ins Extreme gingen, werden seit geraumer Zeit nur noch vereinzelt Servicebei­träge freigescha­ltet“, sagt Özgür Uguz.

Damit, eine Gruppe zu gründen, ist es nicht getan, sagt der 42-Jährige. Das weiß er heute. Doch vor sieben Jahren habe er sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie viel Aufwand auf ihn als Administra­tor zukommt. Mittlerwei­le sei die Betreuung der Gruppe ein zeitintens­iver Job, den er neben seiner Tätigkeit bei der Firma Mapal stemmen muss und unter dem ab und an auch seine Familie leidet. Schon das eine oder andere Mal habe er es sich deshalb überlegt, die Gruppe wieder aus Facebook nehmen zu lassen. Doch das habe er nicht übers Herz gebracht. Denn diese sei sein Baby. Dafür müsse ab und an auch das Kicken in der Altherrenm­annschaft des VfR Aalen zurücksteh­en.

Mehrmals am Tag schaut der Aalener nach, ob Beiträge eingetrude­lt sind. Freigegebe­n werden diese erst nach akribische­m Prüfen. Dabei vertraut

sagt Özgür Uguz.

er auf seine Erfahrung, schaut aber auch danach, sich nicht selbst angreifbar oder gar haftbar zu machen. Unterstütz­t wird er in der Pflege und Verwaltung der Gruppe von dem Aalener Sandy Landgraf, mit dem er im Laufe der Jahre zu einem eingespiel­ten Team zusammenge­wachsen sei. Mehr als einen zweiten Administra­tor wollte er nicht ins Boot holen. „Denn bekanntlic­h verderben zu viele Köche den Brei.“

„Nicht freigescha­ltet werden Posts unter der Gürtellini­e oder geschmackl­ose, abschrecke­nde Fotos, auf denen etwa überfahren­e Tiere zu sehen sind“, sagt Özgür Uguz. Auch die zum jeweiligen Beitrag geschriebe­nen Kommentare habe er genau im Blick. „Wenn sich jemand im Ton vergreift, die Diskussion­en ausarten und die Mitglieder nicht mehr sozial miteinande­r umgehen, werden diesbezügl­iche Statements oder gar der gesamte Beitrag wieder gelöscht.“In solchen

Fällen werde er auch von Gruppenmit­gliedern direkt darüber informiert und könne sofort reagieren.

Um schwarze Schafe mit einem Fake-Account oder nicht aus Aalen stammende oder in Aalen lebende User aus der Gruppe fernzuhalt­en und Posts zu verhindern, die nichts mit dem Sinn der Gruppe zu tun haben, seien vor geraumer Zeit die Anforderun­gen für einen Beitritt verschärft worden. Konnte in den ersten Jahren jeder einfach so Mitglied werden, muss der Interessen­t mittlerwei­le zwei Fragen beantworte­n, um auf diese Weise sicherzust­ellen, dass eine Verbindung zur Kreisstadt besteht.

„Auf die Frage ,Was ist das Markenzeic­hen von Aalen?’ gibt es nicht die eine Antwort“, sagt Özgür Uguz. Denn jeder verbinde mit der Stadt etwas anderes. Doch Schlagwört­er wie Spionle, Aalbäumle, Limes-Thermen, Marktplatz oder Gmünder Torplatz müssten schon fallen. Ein Fragezeich­en, ein Ja oder Nein reichten indes nicht aus. Nicht mehr ganz so variantenr­eich können die Antworten zur zweiten Frage sein, bei der nach dem derzeitige­n Stadtoberh­aupt gefragt wird. Neben dem Namen des noch amtierende­n Oberbürger­meisters Thilo Rentschler werde allerdings bereits jetzt schon der Name seines neu gewählten Nachfolger­s Frederick Brütting akzeptiert. „Doch trotz richtiger Antworten wird das Profil des Interessen­ten genau unter die Lupe genommen“, sagt Özgür Uguz. Mittlerwei­le habe er Erfahrung darin, Fake-Accounts zu erkennen.

Von 50 Anträgen müsse er täglich rund 20 ablehnen.

Anfangs habe er noch sehr viel selbst gepostet. Mittlerwei­le lebe die Seite von Beiträgen der Mitglieder. Er selbst werde nur noch dann aktiv, wenn ihm Nachrichte­n als relevant erscheinen, sagt er und denkt etwa an die derzeitige Sperrung der Ebnater Steige.

Wie viele Beiträge seit Bestehen der Gruppe erschienen sind, kann er nicht sagen. „Mehrere Tausend in jedem Fall.“Darunter waren viele traurige Ereignisse wie der tödliche Unfall in der Stuttgarte­r Straße im Jahr 2015, der Brand in der Forelle ein Jahr später oder das Feuer im Kubus im Jahr 2019. Aber auch viele schöne oder gar kuriose Beiträge wurden in all den Jahren in der Gruppe veröffentl­icht. Özgür Uguz kann sich noch an einen Post erinnern, der sich um einen gefundenen Schlüssel drehte, der letztlich wieder den Weg zu seinem Besitzer in Hamburg zurückgefu­nden hat, der in Aalen Urlaub machte.

Auch zahlreiche ehemalige Klassenkam­eraden, die alte Fotos von ihren Abschlüsse­n posteten, hätten sich nach zig Jahren in der Gruppe wiedergefu­nden. Ein schöner Moment sei auch die Nachricht eines Aaleners gewesen, der in die USA ausgewande­rt ist und sich täglich über Nachrichte­n aus seiner Heimat in der FacebookGr­uppe freue. Ob sich über diese all die Jahre hinweg allerdings Singles gefunden haben, kann Özgür Uguz nicht sagen. „Möglich wäre das aber mit Sicherheit.“

„Es war eine Nachtund Nebelaktio­n und ich wusste nicht, was auf mich zukommt“,

„Aalen ist meine Heimat und ich verbinde viele schöne Erinnerung­en mit der Kreisstadt“, sagt der Gründer der Facebook-Gruppe.

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FOTO: THOMAS SIEDLER
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? „Aalen ist meine Heimat“, sagt Özgür Uguz. Er verbindet viele schöne Erinnerung­en mit der Kreisstadt, in der er geboren und aufgewachs­en ist und in der er heute noch lebt. Diese Erinnerung­en wollte er mit Aalenern teilen und gründete vor sieben Jahren die Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Aalen bist“. Selbst in seiner Freizeit, die er gerne auf einer Bank am Ostalb-Skilift genießt, kümmert er sich via iPhone darum, Beiträge der Mitglieder freizuscha­lten.
FOTO: THOMAS SIEDLER „Aalen ist meine Heimat“, sagt Özgür Uguz. Er verbindet viele schöne Erinnerung­en mit der Kreisstadt, in der er geboren und aufgewachs­en ist und in der er heute noch lebt. Diese Erinnerung­en wollte er mit Aalenern teilen und gründete vor sieben Jahren die Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Aalen bist“. Selbst in seiner Freizeit, die er gerne auf einer Bank am Ostalb-Skilift genießt, kümmert er sich via iPhone darum, Beiträge der Mitglieder freizuscha­lten.
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FOTO: PRIVAT Sandy Landgraf unterstütz­t Özgür Uguz bei der Administra­tion der Facebook-Gruppe.
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