Stuttgarter Gemeinderat stimmt Opernsanierung zu
Deutliches Votum trotz horrender Baukosten – Fertigstellung wohl frühestens 2037
(dpa) - Zuletzt schien es fast so, als wolle selbst der Wettergott den Stuttgarter Gemeinderat überzeugen: Vom Sturm verformt wie ein Papierknäuel lag das demolierte Kupferdach der Staatsoper vor dem Bühnenhaus, für einige bereits ein Symbol für den Klimawandel und seine extremen Folgen. Es ist für viele aber auch ein Zeichen dafür, dass die Sanierung des denkmalgeschützten und maroden Operngebäudes keinen Aufschub mehr duldet. Der Gemeinderat hat das am Mittwochabend ähnlich gesehen. Er stimmte der Sanierung des denkmalgeschützten Littmann-Baus trotz der horrenden Kosten mit großer Mehrheit und im Grundsatz zu.
Das deutliche Votum ist eine Vorentscheidung, aber kein Baubeschluss: Gebilligt wurde nur die Finanzierungszusage in Höhe von 13,5 Millionen Euro, die für die Planung des Umbaus und der Beseitigung der zahlreichen Schäden vorgesehen sind. Stadt und Land teilen sich als Träger des größten Dreispartenhauses der Welt die Kosten von insgesamt 27 Millionen Euro für die ersten Schritte. Auch die Mittel für das Gesamtpaket aus Sanierung, Erweiterung und Modernisierung werden von Stadt und Land getragen.
Nach einer ersten detaillierten und im November 2019 veröffentlichten Schätzung könnte das Vorhaben mehr als eine Milliarde Euro kosten, im ungünstigsten Fall. Dabei werden die reinen Baukosten auf 550 Millionen Euro geschätzt, es kommen zudem unter anderem ein Risikozuschlag und die zu erwartenden Baupreissteigerungen für zehn Jahre hinzu. Die Bauarbeiten sollen nach bisheriger Planung fünf bis sieben Jahre dauern. Erst 2027 soll die Interimsspielstätte fertig sein, frühestens 2037 dann die neue Oper im Littmann-Bau.
In den vergangenen Monaten war lange und lautstark über Sinn und Nutzen sowie über Größe und Aufwand des Projekts gestritten worden. Zuletzt hatte der Bund der Steuerzahler eine preiswertere Lösung für das Großprojekt gefordert und erneut einen Bürgerentscheid ins Spiel gebracht, bevor die Mittel freigegeben würden. „Wir befinden uns derzeit in einer finanziell äußerst angespannten Situation. Da können wir nicht so tun, als sei nichts geschehen“, kritisierte Zenon Bilaniuk, der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbunds.
Zumal die baden-württembergische Bühnenlandschaft in den kommenden Jahren einer Baustelle gleichen wird: Neben Stuttgart sind auch in Karlsruhe und Mannheim kostspielige Umbauten und Sanierungen geplant oder bereits im Gange. Das Mannheimer Nationaltheater wird in den kommenden Jahren für mindestens 247 Millionen Euro generalsaniert, weil wegen Brandschutzmängeln die Betriebserlaubnis des Theaters Ende 2022 ausläuft.
Eindeutig für eine Sanierung sprach sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) aus: „Ich bin nach wie vor überzeugt von diesem Projekt und auch von der Planung. Es ist realistisch gerechnet und es ist funktional nötig“, sagte sie. „Hier arbeiten 1400 Menschen unter Bedingungen, die heute nicht mehr genehmigungsfähig wären.“Nach 50 Jahren sei ein Gebäude heruntergewirtschaftet, da gehöre eine Grundsanierung einfach dazu, sagte sie auch mit Blick auf die beiden anderen BühnenGroßbaustellen. Das Land hat schon Planungsmittel in den Haushalt eingestellt, auch im Koalitionsvertrag bekennt sich Grün-Schwarz zu dem Stuttgarter Projekt.
Dreh- und Angelpunkt, aber auch Achillesferse des Projekts: die geplante sogenannte Kreuzbühne, eigentlich zwingend für eine moderne Oper mit wechselndem Programm. Mit ihr sollen schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel möglich werden. In dem rund 100 Jahre alten Opernhaus wird außerdem mehr Platz für Proberäume benötigt. Nach Angaben der Stadt stammt die Bühnentechnik aus den 1980er-Jahren und ist veraltet, es gibt zudem Mängel beim Brandschutz. Außerdem ist das nun auch noch sturmgeschädigte Dach aus dem Jahr 1911 marode, die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. „Es ist schlicht peinlich“, heißt es im Bericht des Bürgerforums zur Sanierung.