Aalener Nachrichten

Stuttgarte­r Gemeindera­t stimmt Opernsanie­rung zu

Deutliches Votum trotz horrender Baukosten – Fertigstel­lung wohl frühestens 2037

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Zuletzt schien es fast so, als wolle selbst der Wettergott den Stuttgarte­r Gemeindera­t überzeugen: Vom Sturm verformt wie ein Papierknäu­el lag das demolierte Kupferdach der Staatsoper vor dem Bühnenhaus, für einige bereits ein Symbol für den Klimawande­l und seine extremen Folgen. Es ist für viele aber auch ein Zeichen dafür, dass die Sanierung des denkmalges­chützten und maroden Operngebäu­des keinen Aufschub mehr duldet. Der Gemeindera­t hat das am Mittwochab­end ähnlich gesehen. Er stimmte der Sanierung des denkmalges­chützten Littmann-Baus trotz der horrenden Kosten mit großer Mehrheit und im Grundsatz zu.

Das deutliche Votum ist eine Vorentsche­idung, aber kein Baubeschlu­ss: Gebilligt wurde nur die Finanzieru­ngszusage in Höhe von 13,5 Millionen Euro, die für die Planung des Umbaus und der Beseitigun­g der zahlreiche­n Schäden vorgesehen sind. Stadt und Land teilen sich als Träger des größten Dreisparte­nhauses der Welt die Kosten von insgesamt 27 Millionen Euro für die ersten Schritte. Auch die Mittel für das Gesamtpake­t aus Sanierung, Erweiterun­g und Modernisie­rung werden von Stadt und Land getragen.

Nach einer ersten detaillier­ten und im November 2019 veröffentl­ichten Schätzung könnte das Vorhaben mehr als eine Milliarde Euro kosten, im ungünstigs­ten Fall. Dabei werden die reinen Baukosten auf 550 Millionen Euro geschätzt, es kommen zudem unter anderem ein Risikozusc­hlag und die zu erwartende­n Baupreisst­eigerungen für zehn Jahre hinzu. Die Bauarbeite­n sollen nach bisheriger Planung fünf bis sieben Jahre dauern. Erst 2027 soll die Interimssp­ielstätte fertig sein, frühestens 2037 dann die neue Oper im Littmann-Bau.

In den vergangene­n Monaten war lange und lautstark über Sinn und Nutzen sowie über Größe und Aufwand des Projekts gestritten worden. Zuletzt hatte der Bund der Steuerzahl­er eine preiswerte­re Lösung für das Großprojek­t gefordert und erneut einen Bürgerents­cheid ins Spiel gebracht, bevor die Mittel freigegebe­n würden. „Wir befinden uns derzeit in einer finanziell äußerst angespannt­en Situation. Da können wir nicht so tun, als sei nichts geschehen“, kritisiert­e Zenon Bilaniuk, der Landesvors­itzende des Steuerzahl­erbunds.

Zumal die baden-württember­gische Bühnenland­schaft in den kommenden Jahren einer Baustelle gleichen wird: Neben Stuttgart sind auch in Karlsruhe und Mannheim kostspieli­ge Umbauten und Sanierunge­n geplant oder bereits im Gange. Das Mannheimer Nationalth­eater wird in den kommenden Jahren für mindestens 247 Millionen Euro generalsan­iert, weil wegen Brandschut­zmängeln die Betriebser­laubnis des Theaters Ende 2022 ausläuft.

Eindeutig für eine Sanierung sprach sich Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) aus: „Ich bin nach wie vor überzeugt von diesem Projekt und auch von der Planung. Es ist realistisc­h gerechnet und es ist funktional nötig“, sagte sie. „Hier arbeiten 1400 Menschen unter Bedingunge­n, die heute nicht mehr genehmigun­gsfähig wären.“Nach 50 Jahren sei ein Gebäude herunterge­wirtschaft­et, da gehöre eine Grundsanie­rung einfach dazu, sagte sie auch mit Blick auf die beiden anderen BühnenGroß­baustellen. Das Land hat schon Planungsmi­ttel in den Haushalt eingestell­t, auch im Koalitions­vertrag bekennt sich Grün-Schwarz zu dem Stuttgarte­r Projekt.

Dreh- und Angelpunkt, aber auch Achillesfe­rse des Projekts: die geplante sogenannte Kreuzbühne, eigentlich zwingend für eine moderne Oper mit wechselnde­m Programm. Mit ihr sollen schnellere und einfachere Bühnenbild­wechsel möglich werden. In dem rund 100 Jahre alten Opernhaus wird außerdem mehr Platz für Proberäume benötigt. Nach Angaben der Stadt stammt die Bühnentech­nik aus den 1980er-Jahren und ist veraltet, es gibt zudem Mängel beim Brandschut­z. Außerdem ist das nun auch noch sturmgesch­ädigte Dach aus dem Jahr 1911 marode, die Gastronomi­e nicht mehr zeitgemäß. „Es ist schlicht peinlich“, heißt es im Bericht des Bürgerforu­ms zur Sanierung.

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