Aalener Nachrichten

Mit Tipps der „großen Schwester“zu Bronze

Sarah Köhler gewinnt die erste Olympiamed­aille für die deutschen Schwimmer seit 13 Jahren

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(SID/dpa) - Sarah Köhler zitterte am ganzen Körper und weinte vor Freude. Mit Bronze um den Hals fiel die riesige sportliche Last der vergangene­n Jahre in inniger Umarmung mit dem Bundestrai­ner von ihr ab. „Wir haben es geschafft!“Mehr brauchte Köhler nicht zu sagen.

Mit ihrem formidable­n Auftritt über 1500 Meter Freistil gewann die 27-Jährige die erste Olympia-Medaille der deutschen Beckenschw­immer seit Doppel-Gold von Britta Steffen vor 13 Jahren. „Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes – gerade weil es Britta war und wir uns so nahestehen und uns so gut verstehen“, sagte sie.

Nach Siegerehru­ng und InterviewM­arathon rief Köhler auch gleich bei der letzten deutschen Olympiasie­gerin in Berlin an – per Videocall. „Da musste ich tatsächlic­h ein paar Tränchen verdrücken“, sagte Steffen. Die Ratgeberin und Freundin bangte beim Rennen in der Nacht auf der Couch zu Hause vor dem Fernseher mit der Verlobten von Weltmeiste­r Florian Wellbrock. „Ich bin stolz wie eine ältere Schwester auf ihre jüngere“, sagte die 37-Jährige, die ihre Karriere vor acht Jahren beendet hatte. „Das ist ein Befreiungs­schlag für mich und das deutsche Schwimmen.“

Endlich ist die Serie der Nullnummer­n vorbei: Nach den medaillenl­osen Spielen in London und Rio schwamm Vize-Weltmeiste­rin Köhler in Japan über 1500 m Freistil im Sog des US-Stars Katie Ledecky zu Bronze – und verbessert­e dabei mit enormer mentaler Stärke ihren deutschen Rekord um gleich sechs Sekunden auf 15:42,91 Minuten. Erst arbeitete sie sich vom vierten auf den zweiten Platz vor, ehe überrasche­nd die Amerikaner­in Erica Sullivan noch vorbeizog. „Ich wollte unbedingt diese Medaille und habe versucht, den Schmerz zu ignorieren“, sagte Köhler und sprach vom „Rennen meines Lebens“– bis jetzt. Bei der Siegerehru­ng küsste sie ihre Medaille.

Die ersehnte Medaille bewies endgültig, dass sich die Veränderun­gen der vergangene­n Jahre gelohnt haben. Köhler wechselte im Sommer 2018 von Frankfurt/Main in die starke Trainingsg­ruppe Berkhahns nach Magdeburg. Dort machte sie noch einmal einen Leistungss­prung. Und auch privat fand sie ihr Glück, zog mit Wellbrock zusammen.

Der Vize-Weltmeiste­rschaft über 1500 Meter Freistil und dem Titel mit der Freiwasser­staffel im Sommer 2019 folgte ein Kurzbahn-Weltrekord über 1500 Meter Freistil im Winter. Als Olympia 2020 wegen der CoronaPand­emie verschoben wurde, verlegte die meinungsst­arke Jura-Studentin auch ihr Staatsexam­en um ein Jahr nach hinten.

Wie fokussiert und überzeugt Köhler sich nun ihren „Kindheitst­raum“von einer Medaille erfüllte, beeindruck­te auch Bundestrai­ner Bernd Berkhahn. In den ersten Tagen in Tokio sei sie „sehr, sehr angespannt“gewesen, vor dem Rennen dann jedoch „cool und sicher, dass sie eine Medaille macht“.

Für Berkhahn ist damit „der Knoten geplatzt“, die nächsten Medaillen könnten schnell folgen. Denn DoppelWelt­meister

Florian Wellbrock startete stark in seine Goldmissio­n, wegen seines Finales über 800 Meter am Donnerstag­morgen war er nicht in der Halle, um seine Verlobte auf der Tribüne anzufeuern. „Er hat über Livestream zugeschaut, wir haben uns vor dem Rennen nur kurz gesehen“, berichtete Köhler, „das ist in Ordnung. Wir sind hier bei Olympische­n Spielen. Es geht um Medaillen, nicht darum, irgendwo rumzukusch­eln.“Auch zum Feiern hat sie nur wenig Zeit. Denn schon am Donnerstag steht der Vorlauf über 800 Meter auf dem Programm – und damit eine weitere Chance.

Berkhahn glaubt, dass in Zukunft „noch viel mehr möglich“ist. Vielleicht erhält Köhler dann bei der Siegerehru­ng eine andere Farbe. Diesmal lagen – wegen der CoronaSchu­tzmaßnahme­n – alle drei Medaillen auf dem Tablett, das ihr auf dem Treppchen gereicht wurde. Gold und Silber ließ sie liegen, „um Gottes willen, die darf ich nicht nehmen, weil zwei Leute schneller waren“.

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