Aalener Nachrichten

Zu happy für Gold

Eduard Trippel stürmt zu Judo-Silber – Er hadert aber mit dem Finale

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(SID) - Eduard Trippel stand mit der Silbermeda­ille um den Hals in der heiligsten Halle des Judo-Sports. Und lachte. Und weinte. Und lachte wieder. Nach seinem grandiosen Olympia-Coup im legendären Nippon Budokan schaffte es Trippel einfach nicht, aus der Gefühlsach­terbahn auszusteig­en. „Das war einfach meine Masche heute. Ich wollte mit einem Lächeln durch diesen Wettkampf gehen“, sagte der 24 Jahre alte Rüsselshei­mer völlig aufgekratz­t: „Aber als ich die Medaille sicher hatte, war ich vielleicht schon zu happy für das Finale ...“

Mit seinem emotionale­n Sturmlauf bis ins olympische Gold-Duell hat der Underdog den Budokan im Sturm erobert und den deutschen Judoka die erste Medaille in Tokio beschert. Erst der georgische Europameis­ter Lascha Bekauri stoppte den Höhenflug des Senkrechts­tarters auch weil der schon nach dem Halbfinal-Sieg über den früheren Vizeweltme­ister Mihael Zgank aus der Türkei völlig von seinen Gefühlen übermannt worden war.

„Ich habe nach dem Halbfinale meinen Heimtraine­r Andreas Esper angerufen. Er hat nur noch vor Freude geweint, ich habe nur noch geweint“, sagte Trippel, der zuvor nie bei einer großen Meistersch­aft eine Medaille gewonnen hatte: „Jetzt ärgert mich das ein bisschen, ich hätte den Georgier schlagen können. Aber ich war einfach so happy, dass ich der erste deutsche Mann seit Ole Bischof bin, der eine Judo-Medaille hat.“

Jener Bischof, der Gold in Peking 2008 vier Jahre später Silber in London

folgen ließ, fieberte daheim mit und sagte: „Er war heute absolut genial, auch wenn er am Ende durch eine kleine Unachtsamk­eit verloren hat. Es war sein Tag.“

Dass Trippel, der jüngste Mann im deutschen Team, letztlich im Freudentau­mel vielleicht den ganz großen Coup wegschenkt­e, wollte ihm keiner übel nehmen. Zu fröhlich und authentisc­h und wie ein Wasserfall plapperte er nach seinem Auftritt drauflos. „Ich habe noch niemand anderen gesehen, der sowas gemacht hat wie ich, der so motiviert in einen Kampf reingeht“, meinte er: „Wovor soll ich denn Angst haben? Ich kann Judo, ich werde nicht auf der Matte sterben.“

Ein Showman ist er durchaus, der Modellathl­et, dazu passt eines seiner diversen Rituale vor den Kämpfen.

Auf die Brust schlägt er sich, ruft: „Ehre und Stärke!“Dass das kitschig wirke, wisse er, aber: „Das ist aus meinem Lieblingsf­ilm, Gladiator. Vor dem Kampf stelle ich mir das immer vor, dass ich in eine solche Arena komme, und alle jubeln mir zu.“

Wäre die Judo-Kultstätte Budokan voll besetzt mit 14.000 Fans gewesen, sie hätten allen Grund zum Jubeln gehabt. Außenseite­r Trippel legte reihenweis­e Favoriten aufs Kreuz. Die Ex-Weltmeiste­r Nemanja Majdov aus Serbien und Gwak Dong-Han aus Südkorea, den ungarische­n WM-Dritten Krisztian Toth, schließlic­h Zgank – nur Bekauri war zu abgezockt.

„Ich bin aber noch jung, zwei olympische Zyklen mache ich noch“, sagte Polizeistu­dent Trippel: „Das soll erst der Anfang gewesen sein.“

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