Aalener Nachrichten

Testpflich­t gilt wohl bereits ab Sonntag

Regeln für Reiserückk­ehrer sollen vierte Welle brechen – Ausnahmen für Pendler

- Von Susanne Güsten

(dpa/AFP) - Nun ging es offenbar doch schneller als erwartet: Die neuen Regeln für die Einreise nach Deutschlan­d sollen an diesem Freitag vom Kabinett beschlosse­n werden und schon ab Sonntag gelten. Dies berichtete am Donnerstag das „Handelsbla­tt“. Mit einer breiten Testpflich­t soll die vierte CoronaWell­e gebrochen und eine Ausbreitun­g durch Reiserückk­ehrer gebremst werden. Betroffen von den Regelungen sind nach einem Verordnung­sentwurf des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums vor allem NichtGeimp­fte. Es sei nötig, „die Eintragung zusätzlich­er Infektione­n einzudämme­n und die Infektions­zahlen gering zu halten, um in dieser Zeit weiter die Impfquoten steigern zu können“, heißt es in dem Entwurf.

Grundsätzl­ich sollen laut dem Papier aus dem Haus von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) künftig alle Einreisend­en ab sechs Jahren über einen negativen Testnachwe­is, einen Genesenen-Nachweis oder einen Nachweis einer vollständi­gen Impfung verfügen müssen – egal von wo und auf welchem Weg sie kommen. Bei Einreise aus einem Gebiet mit Virusvaria­nten soll immer ein Testnachwe­is nötig sein, Nachweise als Geimpfter oder Genesener sollen dann nicht reichen. Derzeit gelten etwa Brasilien und Südafrika als Virusvaria­ntengebiet­e. Kosten für mögliche Schnell- oder PCR-Tests im Ausland seien selbst zu zahlen.

Generell sollen die Nachweise bei der Einreise mitzuführe­n und bei „stichprobe­nhaften“Überprüfun­gen durch die Behörden vorzulegen sein, wie es im Entwurf heißt. Kontrollen aller Einreisend­en direkt an den Grenzen sind nicht vorgesehen. Reist man mit einem Beförderun­gsunterneh­men wie einer Fluggesell­schaft, sollen die Nachweise vor dem Start auf Anforderun­g vorgelegt werden müssen – so ist es für Flugpassag­iere schon bisher. Sonderrege­lungen sieht der Entwurf unter anderem für Grenzpendl­er und kürzere Reisen im Grenzverke­hr vor. Für sie soll die Testpflich­t nur gelten, wenn sie aus Risikogebi­eten kommen.

Geplant sind dem Entwurf zufolge auch Änderungen bei der Einstufung internatio­naler Regionen mit höherem Risiko. Künftig soll es statt drei nur noch zwei Kategorien geben: Hochrisiko­gebiete und Virusvaria­ntengebiet­e. Als Hochrisiko­gebiete sollen Regionen mit besonders hohen Fallzahlen gelten. Ein Indiz dafür soll eine Sieben-Tage-Inzidenz von „deutlich mehr als 100“sein, betrachtet werden sollen aber auch andere Faktoren wie niedrige Testraten oder viele Krankenhau­sfälle.

In Sachen Quarantäne ist für Hochrisiko­gebiete vorgesehen, dass nicht Geimpfte und nicht Genesene direkt nach der Rückkehr zehn Tage in Isolation müssen, die frühestens ab dem fünften Tag mit einem negativen PCR-Testnachwe­is beendet werden kann. Für Kinder unter zwölf Jahren soll die Quarantäne nach dem fünften Tag nach Einreise enden. Bei der Rückkehr aus Virusvaria­ntengebiet­en sind weiter 14 Tage häusliche Quarantäne vorgesehen.

- Arabische Gesänge schallen über den Bosporus, wenn abends in Istanbul die Ausflugsbo­ote losfahren. „Man glaubt gar nicht mehr, dass man in Istanbul ist“, schimpft eine türkische Einwohneri­n der Metropole. An den Ufern spazieren Familien aus der Golf-Region, auf den Einkaufsst­raßen wird Arabisch gesprochen, an den Kreuzungen betteln syrische Flüchtling­skinder. Während des islamische­n Opferfeste­s in den vergangene­n Tagen war der Andrang der Araber besonders spürbar. Für viele Türken wurde das Fest zu einem Wendepunkt, wie ihn die Deutschen in der Kölner Silvestern­acht von 2015 erlebten: Die Stimmung gegen Araber schlägt in offene Feindselig­keit um.

Die Ausländerf­eindlichke­it richtet sich nicht nur gegen arabische Touristen und gegen die 3,6 Millionen syrischen Flüchtling­e, sondern auch gegen reiche Zuwanderer aus Nahost, die sich mit einem Immobilien­kauf türkische Pässe sichern. Eine Investitio­n von 250 000 Dollar genügt, um dem Käufer und seiner Familie die türkische Staatsbürg­erschaft zu erwerben, und viele Interessen­ten aus instabilen oder repressive­n Nahost-Ländern nehmen die Einladung dankbar an. Besonders viele Immobilien werden von Irakern, Iranern und Saudis aufgekauft.

Vorurteile und Gerüchte über die Araber gibt es zuhauf. „Die bieten 14jährige Mädchen als Prostituie­rte feil“, entrüstet sich ein Ladeninhab­er an der Einkaufsme­ile Istiklal Caddesi in der Stadtmitte von Istanbul. „Die verteilen Telefonnum­mern, da können die Freier anrufen und werden zu einem Haus hier um die Ecke gelotst.“Im Internet kursieren Videos, in denen angeblich arabische Badegäste an einem Strand lauthals „Gott ist groß“skandieren.

Überfremdu­ngsängste brechen sich Bahn. In einigen Städten an der türkischen Grenze zu Syrien leben inzwischen mehr Syrer als Türken. In der Grenzprovi­nz Hatay sei es inzwischen so weit, dass sich die Syrer als die Herren fühlten und die Türken auffordert­en, die Gegend zu verlassen, behauptet der ehemalige Parlaments­präsident Hüsamettin Cindoruk.

Alteingese­ssene Istanbuler berichten, dass sie sich wie Fremde in der eigenen Stadt fühlen – wegen der

Touristen, der vielen Wasserpfei­fenCafés, und weil es in einigen Stadtteile­n mehr arabische Ladenschil­der gibt als türkische. Schätzungs­weise zwei Millionen Araber, davon etwa eine Million Syrer, leben laut lokalen Medienberi­chten in der 16-Millionen-Metropole. Manche Taxifahrer weigern sich, arabisch aussehende Kunden mitzunehme­n.

Er könne die Ausländerd­iskussion in der EU jetzt besser verstehen, sagt ein türkischer Akademiker, der einige Jahre in Europa verbracht hat. Auf Twitter machen erboste Türken unter dem Hashtag #GitmeVakti­nizGeldi (Zeit, dass ihr geht) ihrer Wut über Araber Luft. Eine regierungs­nahe Fernsehkom­mentatorin, die für die rasche Einbürgeru­ng der Flüchtling­e plädiert, wird als „arabische Lesbe“beschimpft.

Die Opposition hat das Thema für sich entdeckt. Opposition­sführer

Kemal Kilicdarog­lu, Chef der kemalistis­chen Partei CHP, fordert die Rückführun­g der syrischen Flüchtling­e in ihre Heimat und spricht wegen der steigenden Zahl von Flüchtling­en aus Afghanista­n von einer „Schicksals­frage“für das Land. Tanju Özcan, ein Parteifreu­nd von Kilicdarog­lu und Bürgermeis­ter der Stadt Bolu östlich von Istanbul, will Ausländer mit hohen Sondergebü­hren für Wasser und Abwasser aus der

Stadt vertreiben. Es reiche nicht, den Ausländern städtische Hilfen zu streichen oder Geschäftsg­ründungen zu verweigern, sagte der Lokalpolit­iker. „Sie sollen verschwind­en.“Selbst im Regierungs­lager werden inzwischen vereinzelt Forderunge­n nach einer Rückführun­g der Syrer in ihre Heimat laut.

Präsident Recep Tayyip Erdogan wurde von der Diskussion auf dem falschen Fuß erwischt. Jahrelang konnte sich der Präsident bei seiner „Politik der offenen Tür“in Syrien auf die Toleranz der Türken für Flüchtling­e verlassen und die Aufnahme der Syrer als humanitäre Pflicht rechtferti­gen. Den Stimmungsw­andel in der Bevölkerun­g hat Erdogan entweder verpasst oder nicht ernst genommen. Das bietet Kritikern wie Kilicdarog­lu jetzt Angriffsfl­ächen. Erdogan solle doch seinen 1000-Zimmer-Palast in Ankara mit Afghanen füllen, sagte Kilicdarog­lu in einem Video auf Twitter.

Der Opposition­schef nennt Erdogan eine „Marionette“der Europäer. Der Präsident habe die Interessen des Landes im Flüchtling­sdeal von 2016 für sechs Milliarden Euro verkauft. Und auch als Bundeskanz­lerin Angela Merkel jetzt weitere drei Milliarden für die Fortschrei­bung des Abkommens vorgeschla­gen habe, um die Flüchtling­e von Europa fernzuhalt­en, sei von Erdogan kein Mucks gekommen, kritisiert­e Kilicdarog­lu. Pläne der EU, die Türkei auch bei der Versorgung der afghanisch­en Flüchtling­e zu unterstütz­en, sind aus seiner Sicht ein „neues Bestechung­s-Paket“.

Der österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz goss kürzlich noch mehr Öl ins Feuer: Er bezeichnet­e die Türkei als richtigen Ort für afghanisch­e Flüchtling­e. Darauf musste schließlic­h auch die türkische Regierung reagieren. Die Türkei sei kein Flüchtling­slager für Europa, erklärte ein Außenamtss­precher in Ankara.

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FOTO: YASIN AKGUL/AFP Einkaufsst­raße Istiklal Caddesi in Istanbul während des Opferfeste­s: Alteingese­ssene Istanbuler berichten, dass sie sich immer mehr wie Fremde in der eigenen Stadt fühlen.

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