Testpflicht gilt wohl bereits ab Sonntag
Regeln für Reiserückkehrer sollen vierte Welle brechen – Ausnahmen für Pendler
(dpa/AFP) - Nun ging es offenbar doch schneller als erwartet: Die neuen Regeln für die Einreise nach Deutschland sollen an diesem Freitag vom Kabinett beschlossen werden und schon ab Sonntag gelten. Dies berichtete am Donnerstag das „Handelsblatt“. Mit einer breiten Testpflicht soll die vierte CoronaWelle gebrochen und eine Ausbreitung durch Reiserückkehrer gebremst werden. Betroffen von den Regelungen sind nach einem Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums vor allem NichtGeimpfte. Es sei nötig, „die Eintragung zusätzlicher Infektionen einzudämmen und die Infektionszahlen gering zu halten, um in dieser Zeit weiter die Impfquoten steigern zu können“, heißt es in dem Entwurf.
Grundsätzlich sollen laut dem Papier aus dem Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) künftig alle Einreisenden ab sechs Jahren über einen negativen Testnachweis, einen Genesenen-Nachweis oder einen Nachweis einer vollständigen Impfung verfügen müssen – egal von wo und auf welchem Weg sie kommen. Bei Einreise aus einem Gebiet mit Virusvarianten soll immer ein Testnachweis nötig sein, Nachweise als Geimpfter oder Genesener sollen dann nicht reichen. Derzeit gelten etwa Brasilien und Südafrika als Virusvariantengebiete. Kosten für mögliche Schnell- oder PCR-Tests im Ausland seien selbst zu zahlen.
Generell sollen die Nachweise bei der Einreise mitzuführen und bei „stichprobenhaften“Überprüfungen durch die Behörden vorzulegen sein, wie es im Entwurf heißt. Kontrollen aller Einreisenden direkt an den Grenzen sind nicht vorgesehen. Reist man mit einem Beförderungsunternehmen wie einer Fluggesellschaft, sollen die Nachweise vor dem Start auf Anforderung vorgelegt werden müssen – so ist es für Flugpassagiere schon bisher. Sonderregelungen sieht der Entwurf unter anderem für Grenzpendler und kürzere Reisen im Grenzverkehr vor. Für sie soll die Testpflicht nur gelten, wenn sie aus Risikogebieten kommen.
Geplant sind dem Entwurf zufolge auch Änderungen bei der Einstufung internationaler Regionen mit höherem Risiko. Künftig soll es statt drei nur noch zwei Kategorien geben: Hochrisikogebiete und Virusvariantengebiete. Als Hochrisikogebiete sollen Regionen mit besonders hohen Fallzahlen gelten. Ein Indiz dafür soll eine Sieben-Tage-Inzidenz von „deutlich mehr als 100“sein, betrachtet werden sollen aber auch andere Faktoren wie niedrige Testraten oder viele Krankenhausfälle.
In Sachen Quarantäne ist für Hochrisikogebiete vorgesehen, dass nicht Geimpfte und nicht Genesene direkt nach der Rückkehr zehn Tage in Isolation müssen, die frühestens ab dem fünften Tag mit einem negativen PCR-Testnachweis beendet werden kann. Für Kinder unter zwölf Jahren soll die Quarantäne nach dem fünften Tag nach Einreise enden. Bei der Rückkehr aus Virusvariantengebieten sind weiter 14 Tage häusliche Quarantäne vorgesehen.
- Arabische Gesänge schallen über den Bosporus, wenn abends in Istanbul die Ausflugsboote losfahren. „Man glaubt gar nicht mehr, dass man in Istanbul ist“, schimpft eine türkische Einwohnerin der Metropole. An den Ufern spazieren Familien aus der Golf-Region, auf den Einkaufsstraßen wird Arabisch gesprochen, an den Kreuzungen betteln syrische Flüchtlingskinder. Während des islamischen Opferfestes in den vergangenen Tagen war der Andrang der Araber besonders spürbar. Für viele Türken wurde das Fest zu einem Wendepunkt, wie ihn die Deutschen in der Kölner Silvesternacht von 2015 erlebten: Die Stimmung gegen Araber schlägt in offene Feindseligkeit um.
Die Ausländerfeindlichkeit richtet sich nicht nur gegen arabische Touristen und gegen die 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, sondern auch gegen reiche Zuwanderer aus Nahost, die sich mit einem Immobilienkauf türkische Pässe sichern. Eine Investition von 250 000 Dollar genügt, um dem Käufer und seiner Familie die türkische Staatsbürgerschaft zu erwerben, und viele Interessenten aus instabilen oder repressiven Nahost-Ländern nehmen die Einladung dankbar an. Besonders viele Immobilien werden von Irakern, Iranern und Saudis aufgekauft.
Vorurteile und Gerüchte über die Araber gibt es zuhauf. „Die bieten 14jährige Mädchen als Prostituierte feil“, entrüstet sich ein Ladeninhaber an der Einkaufsmeile Istiklal Caddesi in der Stadtmitte von Istanbul. „Die verteilen Telefonnummern, da können die Freier anrufen und werden zu einem Haus hier um die Ecke gelotst.“Im Internet kursieren Videos, in denen angeblich arabische Badegäste an einem Strand lauthals „Gott ist groß“skandieren.
Überfremdungsängste brechen sich Bahn. In einigen Städten an der türkischen Grenze zu Syrien leben inzwischen mehr Syrer als Türken. In der Grenzprovinz Hatay sei es inzwischen so weit, dass sich die Syrer als die Herren fühlten und die Türken aufforderten, die Gegend zu verlassen, behauptet der ehemalige Parlamentspräsident Hüsamettin Cindoruk.
Alteingesessene Istanbuler berichten, dass sie sich wie Fremde in der eigenen Stadt fühlen – wegen der
Touristen, der vielen WasserpfeifenCafés, und weil es in einigen Stadtteilen mehr arabische Ladenschilder gibt als türkische. Schätzungsweise zwei Millionen Araber, davon etwa eine Million Syrer, leben laut lokalen Medienberichten in der 16-Millionen-Metropole. Manche Taxifahrer weigern sich, arabisch aussehende Kunden mitzunehmen.
Er könne die Ausländerdiskussion in der EU jetzt besser verstehen, sagt ein türkischer Akademiker, der einige Jahre in Europa verbracht hat. Auf Twitter machen erboste Türken unter dem Hashtag #GitmeVaktinizGeldi (Zeit, dass ihr geht) ihrer Wut über Araber Luft. Eine regierungsnahe Fernsehkommentatorin, die für die rasche Einbürgerung der Flüchtlinge plädiert, wird als „arabische Lesbe“beschimpft.
Die Opposition hat das Thema für sich entdeckt. Oppositionsführer
Kemal Kilicdaroglu, Chef der kemalistischen Partei CHP, fordert die Rückführung der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat und spricht wegen der steigenden Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan von einer „Schicksalsfrage“für das Land. Tanju Özcan, ein Parteifreund von Kilicdaroglu und Bürgermeister der Stadt Bolu östlich von Istanbul, will Ausländer mit hohen Sondergebühren für Wasser und Abwasser aus der
Stadt vertreiben. Es reiche nicht, den Ausländern städtische Hilfen zu streichen oder Geschäftsgründungen zu verweigern, sagte der Lokalpolitiker. „Sie sollen verschwinden.“Selbst im Regierungslager werden inzwischen vereinzelt Forderungen nach einer Rückführung der Syrer in ihre Heimat laut.
Präsident Recep Tayyip Erdogan wurde von der Diskussion auf dem falschen Fuß erwischt. Jahrelang konnte sich der Präsident bei seiner „Politik der offenen Tür“in Syrien auf die Toleranz der Türken für Flüchtlinge verlassen und die Aufnahme der Syrer als humanitäre Pflicht rechtfertigen. Den Stimmungswandel in der Bevölkerung hat Erdogan entweder verpasst oder nicht ernst genommen. Das bietet Kritikern wie Kilicdaroglu jetzt Angriffsflächen. Erdogan solle doch seinen 1000-Zimmer-Palast in Ankara mit Afghanen füllen, sagte Kilicdaroglu in einem Video auf Twitter.
Der Oppositionschef nennt Erdogan eine „Marionette“der Europäer. Der Präsident habe die Interessen des Landes im Flüchtlingsdeal von 2016 für sechs Milliarden Euro verkauft. Und auch als Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt weitere drei Milliarden für die Fortschreibung des Abkommens vorgeschlagen habe, um die Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, sei von Erdogan kein Mucks gekommen, kritisierte Kilicdaroglu. Pläne der EU, die Türkei auch bei der Versorgung der afghanischen Flüchtlinge zu unterstützen, sind aus seiner Sicht ein „neues Bestechungs-Paket“.
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz goss kürzlich noch mehr Öl ins Feuer: Er bezeichnete die Türkei als richtigen Ort für afghanische Flüchtlinge. Darauf musste schließlich auch die türkische Regierung reagieren. Die Türkei sei kein Flüchtlingslager für Europa, erklärte ein Außenamtssprecher in Ankara.