Traumduo in der Theatersenke
Ellwanger Theatermenschen zeigen „Ziemlich beste Freunde“
- Sie sind und bleiben eine wunderbare Truppe, die das Ellwanger Kulturleben seit Jahrzehnten bereichern: Die Theatermenschen. Im Coronajahr 2020 hat man sie schmerzlich vermisst. Jetzt sind sie wieder da und setzen mit ihrer Sommerproduktion einmal mehr Maßstäbe.
Zugegeben, das Stück „Ziemlich beste Freunde“macht es ihnen leicht. Doch damit es nicht in falsche Sentimentalität oder gar ins Peinliche abgleitet, muss die Regie ein Händchen fürs Federleichte und Ungekünstelte haben. Karin Ziegler und Andreas Müller hatten es. Und ein Stück wie dieses steht und fällt mit den Hauptdarstellern. Robert Ziegler als gelähmter Philippe und Julian Krockenberger als sein lebenslustiger Pfleger Driss sind ein Traumduo und haben eine Meisterleistung abgeliefert. Knapp 200 Zuschauer in der Theatersenke des Schlosses waren begeistert. Nicht mal der Regenschauer mittendrin konnte das schmälern, zumal der Schafstall einen trockenen Unterschlupf bot. Danach ging‘s mutig im Freien weiter.
Diese starke Ellwanger Truppe fürchtet weder Tod noch Teufel. Nach dem Regen wurden Bühne (Matthias Ehret. Gabi Bolbach und Team) und Stühle trockengewischt, die Deko mit Fabergé-Eiern und güldenem Hasen auf dem hochherrschaftlichen Kamin wieder aufgebaut und das Bildnis der Rückenansicht einer reizenden jungen Dame aufgehängt. Davor träumt Philippe wehmütig von früher. Denn seit einem Paragliding-Unfall ist er vom Hals abwärts gelähmt. Wie Robert Ziegler das Kunststück zuwege brachte, über mehr als zwei Stunden unbeweglich im Rollstuhl zu sitzen und mit ausdrucksvoller Mimik Körpersprache und Gestik zu ersetzen, das muss man erlebt haben. Fast war man erstaunt, dass er den Beifall stehend entgegennahm. so sehr schien er mit dem Gefährt verwachsen zu sein.
Umso quirliger kam Driss daher. Das ist eine Paraderolle für Julian
Krockenberger. Mit seiner unbekümmerten Art bringt er frischen Wind in das buchstäblich steife Leben des reichen Philippe. Er umgarnt die hübsche Magalie (Tanja Peter), die eine Frau liebt (Verena Wölfle), freundet sich mit der geschäftigen
Hausdame Yvonne an (wie immer großartig Claudia Schreiner-Braun), bietet der aufmüpfigen Tochter seines Chefs Paroli (Julia Ehret) und besänftigt die Polizistin (Ulrike Burchert). Und umso zugeknöpfter wirkt Philippes Anwalt Antoine (staubtrocken Matthias Ehret). Der hätte lieber einen Pfleger mit Referenzen wie Julien (Florian Hägele) und will Philippe den vorbestraften Driss partout ausreden. Das bleibt erfolglos. Kein Wunder, zumal Driss zwei leichtbekleidete „Damen“(Silke Wolf, Michaela Fuchs) engagiert, die Philippe auf der in schwüles Rotlicht getauchten Bühne seine erogene Zone, die Ohren, kraulen. Driss nennt das frech „O(h)ralsex“und hat die Lacher auf seiner Seite.
Und als zum guten Schluss Philippes Brieffreundin Eleonore in persona auftaucht (Brigitte Ehret), die „heiße Braut aus Dünkirchen“, ist Philippes neues Leben trotz des Rollstuhls perfekt. Sogar einen Fallschirmsprung wagen die beiden ziemlich besten Freunde.
Mit langem Beifall dankte das Publikum für einen anrührenden Theaterabend. So ernst und traurig die wahre Geschichte des Philippe Pozzo di Borgo ist, so unwiderstehlich komisch kann sie sein. Wenn sie so feinfühlig inszeniert und so großartig gespielt wird, wie es den Theatermenschen als leidenschaftlichen Komödianten gelungen ist.
Zugunsten der Flutopfer wurde ein von Driss-Julian während der Vorstellung gemaltes Bild für stattliche 70 Euro versteigert. Echte „Driss“-Bilder sollen auch bei den nächsten Aufführungen unter den Hammer kommen: „Und wir legen noch was drauf“, versprach Claudia Schreiner-Braun.