Aalener Nachrichten

Ganz großes Tischtenni­s

Dimitrij Ovtcharov hatte den großen Ma Long am Rande einer Niederlage – Nun spielt der Deutsche um Bronze

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(SID) - Leere. Stolz. Schmerz. Dimitrij Ovtcharov wusste nach dem wohl besten Tischtenni­s-Match seiner Karriere nicht, wohin mit seinem Gefühls-Cocktail. Also setzte sich der 32-Jährige auf die leere Tribüne im Tokyo Metropolit­an Gymnasium und suchte den Trost seiner Familie. „Ich habe meine Frau und meinen Vater angerufen“, sagte Ovtcharov, und ihm schossen die Tränen in die Augen: „Sie haben mich aufgebaut. Das tat natürlich gut.“

81 hochklassi­ge Minuten lang hatte Ovtcharov den „Drachen“Ma Long aus China am Rande einer Niederlage, um ein Haar wäre er als erster Deutscher der Geschichte in ein Olympia-Finale eingezogen. Doch der Krimi blieb ohne Happy End. Ovtcharov, Dritter von London 2012, verlor den entscheide­nden siebten Satz mit 9:11 und somit das Match mit 3:4. Nach dem letzten Ballwechse­l sank er zu Boden.

„Das war eines der besten Spiele, die ich je gespielt habe. Ich hatte den besten Spieler, den es je gab, beim größten Turnier am Rande einer Niederlage“, sagte Ovtcharov: „Warum es im Sport manchmal so und manchmal so geht, weiß am Ende nur der liebe Gott.“

Ein schwacher Trost blieb immerhin: Am Freitag (13. Uhr MESZ) spielt Ovtcharov gegen den erst 19 Jahre alten Lin Yun-Ju um Bronze. Auch der Teenager aus Taiwan muss ein dramatisch­es 3:4 gegen den Weltrangli­stenersten Fan Zhendong wegstecken. Zum vierten Mal in Serie stehen somit zwei Chinesen im OlympiaEnd­spiel. Bei den Frauen ging Gold bereits am Donnerstag an China: an Chen Meng.

Dabei hätte Ovtcharov diese Dominanz brechen können. Einen 0:2Rückstand glich der Weltrangli­stenachte aus, auch nach dem 2:3 kam er zurück. „Es gab selten ein besseres Spiel, vom ersten bis zum letzten Ballwechse­l. Das war Wahnsinn“, sagte Jörg Roßkopf: „Mit so einer Leistung gewinnt man hier Medaillen.“Und der Männer-Bundestrai­ner

muss es wissen: Sein Bronze von 1996 ist neben Ovtcharovs Erfolg 16 Jahre später bis heute die einzige deutsche Einzelmeda­ille.

Damit am Freitag Nummer 3 hinzukommt, muss Ovtcharov seine 19. Niederlage im 19. Duell mit Ma Long schnell abhaken. Ob ihm das gelingt? Kurz nach der schmerzhaf­ten Niederlage war es dem Familienva­ter trotz des Telefonats mit seiner schwedisch­en Frau Jenny noch unmöglich, sich von dem Drama zu lösen. „Ich habe mich in den letzten

Monaten intensiv mit Ma Long beschäftig­t. Ich habe heute fest an meinen Sieg geglaubt und von Gold geträumt“, sagte der Aufschlagv­irtuose, der 2012 in London Bronze gewonnen hatte: „Damals träumte ich von Bronze, diesmal träumte ich von Gold.“Doch es reichte dazu nicht.

Und so stach aus dem GefühlsCoc­ktail eine Emotion dann doch heraus – das Leid. Wobei auch dieser Begriff nicht ausreichte, fand Dimitrij Ovtcharov: „Dass diese Niederlage schmerzt, ist noch untertrieb­en.“

„Das war eines der besten Spiele, die ich je gespielt habe. Ich hatte den besten Spieler, den es je gab, beim größten Turnier am Rande einer Niederlage.“

Dimitrij Ovtcharov

 ?? FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP ?? Gegen Tischtenni­s Superstar Ma Long reichte es für Dimitrij Ovtcharov (vorn) nur sehr knapp nicht zur Sensation.
FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP Gegen Tischtenni­s Superstar Ma Long reichte es für Dimitrij Ovtcharov (vorn) nur sehr knapp nicht zur Sensation.

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