Aalener Nachrichten

Die „kaputte Schallplat­te“läuft wieder

Russische Sportler trumpfen verdächtig stark auf – Das sorgt für reichlich Kritik

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(SID) - Der Generalver­dacht lebt, und das ziemlich öffentlich. Während Jewgeni Rylow nach seinem Schwimmtri­umph über 200 Meter Rücken durch den Mund-NaseSchutz in die Kameras lächelte, brodelte es im geschlagen­en US-Star Ryan Murphy gewaltig. „Ich schwimme in einem Rennen, das wahrschein­lich nicht sauber ist“, sagte der Olympiasie­ger von Rio und spielte damit auf seinen russischen Nachfolger an. Auf die Frage, ob das Finale fair gewesen sei, antwortete Murphy: „Ich habe etwa 15 Gedanken, 13 davon würden mir jede Menge Ärger einbringen.“

Der britische Bronzemeda­illengewin­ner Luke Greenbank versuchte erst gar nicht, das Thema Betrug zu umschiffen. „Als Sportler ist es natürlich frustriere­nd, wenn man weiß, dass es ein staatlich geförderte­s Dopingprog­ramm gibt, und das Gefühl hat, dass vielleicht mehr dagegen getan werden könnte“, sagte er.

Offiziell gibt es dieses staatlich geförderte Dopingsyst­em, mit dem die Welt bei Russlands olympische­m Goldregen in Sotschi 2014 dreist hinters Licht geführt wurde, ja nicht mehr. Der Sumpf wurde nach den skandalöse­n Enthüllung­en der Whistleblo­wer Julia Stepanowa, Witali Stepanow und Grigori Rodtschenk­ow schrittwei­se trocken(er) gelegt, die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA sperrte das russische nationale Komitee ROK für vier Jahre. Eine Entscheidu­ng, die vom Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS halbiert wurde und nur noch bis Dezember 2022 gilt.

335 russische Sportlerin­nen und Sportler sind dennoch in Tokio dabei, nur starten sie eben nicht für Russland, sondern für das ROK. Bei Siegerehru­ngen wird nicht die Landesflag­ge gehisst, sondern eine neutrale, anstelle der Hymne hört man das Klavierkon­zert Nr. 1 von Peter Tschaikows­ky. Dies geschah ziemlich häufig bislang, für manch einen verdächtig häufig. Am Freitag und damit noch vor Halbzeit der Spiele knackten die Russen die Marke von 30 gewonnenen Medaillen. Das ausgegeben­e Minimalzie­l 40-mal Edelmetall dürfte locker übertroffe­n werden.

Das ROK nahm die Attacken der Konkurrenz zur Kenntnis und konterte mit einem sarkastisc­hen Statement, in dem jedes Wort genüsslich gewählt wurde. „Wie zermürbend unsere Siege für einige unserer Kollegen doch sind. Ja, wir sind hier, bei den Olympische­n Spielen. Wir haben jedes Recht. Ob es jemandem gefällt oder nicht. Man muss auch mal verlieren können. Aber nicht jeder weiß, wie das geht“, teilte das ROK bei Twitter mit. Und weiter: „Die kaputte Schallplat­te spielt wieder einmal das Lied über das russische Doping, und jemand drückt fleißig auf den Knopf der englischsp­rachigen Propaganda.“

Rückendeck­ung gab es auch von IOC-Präsident Thomas Bach. Das ROK zeige „vollen Respekt für die Sanktionen“, meinte Bach am Freitag. Die russischen Sportler hätten sich „in allen Qualifikat­ionen den entspreche­nden Tests unterworfe­n – wie auch alle anderen Athleten, die hier teilnehmen. Deswegen haben sie den Anspruch, entspreche­nd behandelt zu werden.“

Die dopingvers­euchte Vergangenh­eit hat dennoch Spuren hinterlass­en, auf allen Seiten. Manch einen nervt das gewaltig, wie etwa Tennisstar Daniil Medwedew. Der verlor komplett die Nerven, als er gefragt wurde, ob er und seine Landsleute sich stigmatisi­ert fühlen. „Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich eine Frage nicht beantworte­n“, retournier­te der Weltrangli­stenzweite: „Sie sollten sich für sich selbst schämen!“

„Ich schwimme in einem Rennen, das wahrschein­lich nicht sauber ist.“

US-Star Ryan Murphy erhebt Vorwürfe gegen russische Sportler

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FOTO: DANIEL LEAL-OLIVAS/DPA
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FOTO: IMAGO IMAGES
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