Gold-Gala für die Geschichtsbücher
Alexander Zverev erklimmt den Tennis-Olymp – Als erster Deutscher gewinnt er Gold im Männer-Einzel
Als erster Deutscher hat Alexander Zverev das olympische Tennisturnier der Herren gewonnen (Foto: Marijan Murat/dpa). Bei den Spielen von Tokio besiegte der 24-Jährige am Sonntag den Russen Karen Chatschanow klar in zwei Sätzen mit 6:3 und 6:1.
(SID/dpa) - Am Ziel seiner Träume, mit der Goldmedaille um den Hals, blickte Alexander Zverev ergriffen in den Abendhimmel von Tokio. Mit feuchten Augen lauschte der Tennisstar der deutschen Nationalhymne, bevor er mit dem strahlenden Lächeln eines Olympiasiegers für die Fotografen posierte. „Ich kann das mit nichts vergleichen“, sagte Zverev überwältigt, „was Größeres kann man im Sport nicht erreichen.“
Und deshalb konnte der Hamburger seine Augen gar nicht mehr von der Goldmedaille abwenden. „Es gibt momentan wenige Menschen, die glücklicher sind als ich. Ich habe so ein goldenes Ding um den Hals rum, und das ist nicht eine von den 50 Ketten, die ich normalerweise trage“, sagte Zverev nach seinem 6:3, 6:1 im Finale gegen den Russen Karen Chatschanow.
Nach dem Coup von Tokio suchte Zverev nach den richtigen Worten, um seine Gefühlswelt zu beschreiben. „Unwirklich“, rief er Bundestrainer Michael Kohlmann zu, als er das Ariake Coliseum, den Ort des größten Triumphs seiner Karriere, verließ. Selbst Feierpläne wollten ihm im Glücksrausch nicht einfallen. „Ich hoffe“, sagte Zverev, „dass das deutsche Haus mehr Ideen haben wird als ich.“
Nervenstark, dominant und unbeirrbar – so hatte er Chatschanow keine Chance gelassen und sich nach dem Wahnsinnserfolg im Halbfinale gegen den unbezwingbar scheinenden Novak Djokovic in den Geschichtsbüchern verewigt. Als einzige Deutsche hatte bislang Steffi Graf vor 33 Jahren in Seoul Einzel-Gold gewonnen, die deutschen Männer um Boris Becker und Co. hatten sich an solch einem Meisterstück die Zähne ausgebissen.
„Dein größter Erfolg (bis jetzt), genieße den Moment und lass dich von ganz Deutschland feiern“, schrieb Becker bei Instagram. Angelique Kerber, die in Rio Silber gewonnen hatte, schrieb: „Ich schicke dir eine Umarmung nach Tokio.“Davis-Cup-Teamchef Kohlmann lobte: „Es war von Anfang bis Ende ein perfektes Match. Besser kann man es in so einem großen Finale nicht spielen.“
Am Tag zwischen seinem Wahnsinns-Sieg über Djokovic und dem Endspiel hatte Zverev bewusst sein Handy ausgeschaltet, um sich von nichts und niemandem ablenken zu lassen. Nicht davon, dass ihn nun alle für den Favoriten auf Gold hielten, nicht von Anrufen. Und dann packte Zverev am finalen Tag des olympischen Tennisturniers die Chance, die nach seiner Überraschung gegen den serbischen Weltranglisten-Ersten zum
Greifen nahe war. Zverev erwischte einen Start wie erhofft.
Er legte früh vor und ließ sich weder von den Rufen von Olympia-Protesten, die zu Beginn von außen in die Arena schallten, noch vom Weltranglisten-25. Chatschanow aus der Ruhe bringen. Als er nach 1:19 Stunden seinen Matchball verwandelt hatte, sank Zverev überwältigt auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. „Diese Medaille gehört ganz Deutschland, es war die beste Woche meines Lebens“, sagte er: „Es gab wenige Momente in meinem Leben, wo ich mich besser gefühlt habe.“
Der Olympiasieg bedeutete Zverev auch deshalb so viel, weil er anders als auf den Grand-Slam-Bühnen dieser Welt nicht als Einzelkämpfer unterwegs war. „Ich habe nicht eine Sekunde für mich gespielt“, erzählte er – sondern auch für seine Mannschaftskollegen,
für die deutschen Athleten im olympischen Dorf, für ganz Deutschland. „Ja, ich habe die Goldmedaille um den Hals“, sagte er: „Aber alle daheim in Deutschland, alle hier haben mich unterstützt.“
Sein Auftreten in Japan dürfte seinem Image in der Heimat zugutekommen. Unnahbar, zuweilen ein wenig arrogant – so war die größte sportliche Tennis-Hoffnung seit Becker in der Vergangenheit bei manchen rübergekommen. Mittlerweile zielt er mit seinem Umfeld darauf ab, in Deutschland beliebter zu werden. Schon lange wird dem 1,98 Meter großen Rechtshänder nachgesagt, das Potenzial für die ganz großen Siege im Tennis zu besitzen. Seine Kritiker hätten immer andere für besser gehalten, räumte er ein. Aber jetzt habe er zu seinen 15 Titeln eben auch noch den Olympiasieg.