„Deutschland ist recht gut durch die Pandemie gekommen“
- Der Bund sollte trotz aller Kritik am Krisenmanagement bei Corona oder im Katastrophenschutz nicht mehr Kompetenzen bekommen, sagt die Föderalismusexpertin Professor Nathalie Behnke von der Technischen Universität Darmstadt. (Foto: defacto) im Gespräch mit Dieter Keller.
Hat sich der Föderalismus in Deutschland bewährt?
Während der Bekämpfung der Pandemie gab es häufig Kritik. Der Vergleich mit Studien von Kollegen im Ausland zeigt aber, dass Deutschland recht gut durchgekommen ist, auch was die Geschwindigkeit der Entscheidungsprozesse angeht. Man hat eine relativ gute
Balance gefunden zwischen einer effektiven Pandemiebekämpfung, auch wenn man vieles hätte besser machen können, und einem angemessenen Schutz der Grundrechte. Diese Diskussion wurde in Deutschland deutlich besser geführt als in den meisten europäischen Nachbarländern.
Trotzdem gibt es immer wieder Forderungen nach einer Föderalismusreform. Für wie dringend halten Sie die?
Der Föderalismus ist ein komplexes Geflecht von Verfassungsregeln, Gesetzen und kulturellen Gepflogenheiten. Wenn man Reformen fordert, muss klar sein, worauf sich das bezieht. Häufig diskutiert wird die Kompetenzverteilung – der Bund sollte mehr tun dürfen. Aber die Gesetzgebungskompetenz hat er schon weitgehend. Die Länder sind für ihren Vollzug zuständig. Das funktioniert. Wenn der Bund wie in Frankreich versuchen sollte, sich von Berlin aus in die Detailsteuerung einzumischen, brächte das keine Verbesserungen.
Sind nicht Entscheidungsprozesse oft zu lang und zu umständlich?
Im Großen und Ganzen geht diese Diskussion an der Realität vorbei. Meistens wird schnell genug entschieden. Demokratietheoretisch sehe ich keinen Wert an sich darin, schnell Entscheidungen zu treffen. Sie müssen gut abgewogen und richtig sein. Da ist es gut, wenn die
Länder mit ihrem Wissen und ihrer unterschiedlichen Sicht der Probleme beteiligt sind.
Häufig geht es ums Geld. Die Länder kritisieren, ihnen werde zu viel aufgebürdet – zu Recht? Das ist jedenfalls aus Sicht der Länder keine kluge Aussage. Denn in Konsequenz würde das bedeuten, dass sie Kompetenzen abgeben müssten. Damit schaffen sich die Länder letztlich selbst ab. Die Verteilung der Aufgaben und auch der Finanzlasten ist gut ausgewogen. Jeder hätte gerne mehr Geld. Aber die meisten Länder und Kommunen sind in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Bei großen Problemen wie der Flüchtlingskrise und jetzt der Flut stellt der Bund schnell Geld bereit.