Aalener Nachrichten

Landkreis Ahrweiler missachtet­e offenbar Warnungen

Menschen hätten laut Zeitungsbe­richt deutlich früher aus Katastroph­engebiet evakuiert werden können

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(AFP/epd) Der Landkreis Ahrweiler ist offensicht­lich vor der Flutkatast­rophe in der Nacht auf den 15. Juli präzise gewarnt worden, ohne jedoch rechtzeiti­g darauf zu reagieren. Es seien bei der Kreisverwa­ltung mehrere automatisi­erte Mails des rheinlandp­fälzischen Landesumwe­ltamts eingegange­n, berichtete die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde.

Bereits am Nachmittag des 14. Juli veröffentl­ichte das Landesumwe­ltamt demnach Prognosen, die einen Pegelstand der Ahr von 3,7 Meter vorhersagt­en. Am Abend habe es dann neben den Mails auch weitere Online-Informatio­nen der Landesbehö­rde gegeben. Darin sowie in den Mails an die Kreisverwa­ltung sei gegen 21.30 Uhr ein erwarteter Pegelstand von fast sieben Metern genannt worden. Dennoch habe der Landkreis erst gegen 23 Uhr den Katastroph­enfall ausgerufen.

Landesinne­nminister Roger Lewentz (SPD) verwies gegenüber der „FAZ“auf die Zuständigk­eit der Kreisverwa­ltung. Er kündigte an, die Abläufe an dem Abend würden „exakt aufgearbei­tet“werden.

Der Krisenfors­cher Frank Roselieb erhob in der in Koblenz erscheinen­den „Rhein-Zeitung“schwere Vorwürfe gegen Landrat Jürgen

Pföhler. Dass im Kreis Ahrweiler kein Voralarm ausgelöst worden sei, halte er für unerklärli­ch. Dies hätte frühzeitig­e Notmaßnahm­en ermöglicht. Als schließlic­h gegen 23.15 Uhr Evakuierun­gen angeordnet wurden, seien bereits Häuser von den Wassermass­en mitgerisse­n worden.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock erneuerte im Berliner „Tagesspieg­el“ihre Forderung nach einer besseren Bund-Länder-Koordinier­ung beim Katastroph­enschutz. Auch müsse man die Vorsorge gegen Folgen des Klimawande­ls „jetzt mit voller Kraft angehen“. Baerbock warnte vor verfrühten Schuldzuwe­isungen nach der Katastroph­e.

SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz zeigte sich offen für eine Pflichtver­sicherung gegen Elementars­chäden. Wenn es hierzu eine Einigung der Länder gebe, „wird der Bund dem sicher nicht entgegenst­ehen“, sagte Scholz der Funke Mediengrup­pe. Allerdings würde eine solche Versicheru­ngspflicht „die Preise fürs Wohnen wieder teurer machen“, gab er zu bedenken. Scholz unterstütz­te auch Forderunge­n

nach der Einrichtun­g eines Katastroph­enfonds von Bund und Ländern für die Zukunft.

In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hatte extremer Stark-regen vor mehr als zwei Wochen verheerend­e Überschwem­mungen ausgelöst. Viele Gemeinden, insbesonde­re im rheinlandp­fälzischen Ahrtal, wurden verwüstet. Rheinland-Pfalz meldete bislang 135 Tote, 59 weitere Menschen werden dort noch vermisst. In Nordrhein-Westfalen gab es 47 Todesopfer. Die Behörden registrier­en im Ahrtal einen wachsenden Bedarf an psychosozi­aler Notfallver­sorgung. In den teils stark zerstörten Ortschafte­n der Region seien mittlerwei­le über 100 Fachkräfte im Einsatz, gab der Leiter des Krisenstab­s, Heinz Wolschendo­rf, am Sonntag in Bad Neuenahr-Ahrweiler bekannt. Sie würden den Betroffene­n mit „Rat und Tat“zur Seite stehen.

Der Präsident des Bundesverb­andes der Bauindustr­ie, Peter Hübner, äußerte sich optimistis­ch hinsichtli­ch des Wiederaufb­aus in den Flutgebiet­en. „In einem halben Jahr sollten die Menschen wieder einigermaß­en normal im Ahrtal leben können“, sagte er dem Berliner „Tagesspieg­el“(Montagsaus­gabe). Bei Brücken oder Bahntrasse­n könne der Wiederaufb­au allerdings zwei bis drei Jahre dauern.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Schwere Vorwürfe gegen die Kreisverwa­ltung in Ahrweiler.

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