Hoffnung für Aktienanleger
Bei der steuerlichen Verrechnung von Verlusten deutet sich eine Änderung an
- Wer Aktien unter ihrem Einstandskurs verkauft, wandelt einen Buchverlust in seinem Wertpapierdepot in einen realisierten Verlust um. Im Rahmen der Einkommenssteuererklärung kann ein solcher Verlust mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden. Dadurch reduzieren sich die Einkünfte aus Kapitalvermögen und damit auch die Höhe der Steuerschuld.
Dass eine derartige Aufrechnung allerdings ausschließlich auf genau diese eine Weise möglich ist, hält der Bundesfinanzhof (BFH) in München für verfassungswidrig, weshalb er die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BuVerfG) vorgelegt hat (Az. VIII R 11/18). Die Richter monieren die im Unternehmenssteuerreformgesetz von 2008 begründete Regelung, wonach Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien ausgeglichen werden dürfen – und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen wie Dividenden und Zinsen.
Doch der Reihe nach. In einem Streitfall hatten zwei Eheleute aus Schleswig-Holstein aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Daraufhin wollten sie diese Verluste aus dem Jahr 2012 mit sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, verrechnen. Konkret ging es darum, dass sie einen Verlust in Höhe von 4.819 Euro aus einem Aktienverkauf knapp 3.400 Euro aus anderen Kapitalerträgen gegenüberstellen.
Dieses Ansinnen aber hatte sowohl das zuständige Finanzamt als auch das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein mit Verweis auf § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG abgelehnt. Also klagte sich das Ehepaar über mehrere Instanzen erfolgreich bis zum Bundesfinanzhof (BFH) hoch. Die Münchner BFH-Richter folgten schließlich der Argumentation der Anleger, sodass nun das BuVerfG die Frage abschließend beurteilen muss (Az. VIII R 11/18). Nach Auffassung des BFH bewirkt die Regelung im Einkommenssteuergesetz eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil sie Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt – je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben.
Bisher lässt es der Fiskus also nicht zu, dass Gewinne und Verluste aus Kapitalvermögen beliebig gegeneinander verrechnet werden. In Jahren ohne realisierte Gewinne aus Aktienverkäufen werden Veräußerungsverluste auf das nächste Jahr vorgetragen, bis schließlich ein verrechenbarer Gewinn anfallen sollte. Zur Berechnung unterhalten die depotführenden Banken entsprechende Verlustverrechnungstöpfe. Während also realisierte Kursverluste aus
Aktien über einen „Aktienverrechnungstopf“nur mit Kursgewinnen aus Aktien ausgeglichen werden können, lassen sich Kursgewinne aus Aktien auch mit Verlusten aus dem „Allgemeinen Verrechnungstopf “verrechnen, in den Zinsen und Dividenden sowie Gewinne und Verluste aus Fonds, Anleihen und Zertifikaten einfließen. Grundsätzlich unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen seit 2009 der Abgeltungssteuer, die pauschal 25 Prozent beträgt - plus Solidaritätszuschlag sind es 26,375 Prozent, beziehungsweise 27,819 Prozent für Kirchenmitglieder. Weil die Steuer von der Bank einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, ist die Abgeltungssteuer eine sogenannte Quellensteuer.
Nach der Vorlage des aktuellen Falls durch den BFH muss sich nun also das BuVerfG des Themas annehmen. Teilen die Karlsruher Richter die Auffassung des BFH, würde die Beschränkung bei der steuerlichen Verrechnung von Aktienverlusten aufgehoben werden. Damit könnten diese Verluste auch gegen andere Einkünfte aus Kapitalvermögen wie Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne aufgerechnet werden. Für Anleger wäre das eine gute Nachricht.
Wie aber sollten sich Anleger nun bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verhalten? Am besten ist es, sich auf dieses Verfahren zu berufen und Einspruch gegen den entsprechenden Steuerbescheid einzulegen, wenn das Finanzamt die Verlustverrechnung verweigern sollte. Die Entscheidung der Karlsruher Richter dürfte von vielen Steuerzahlern nun mit Spannung erwartet werden - insbesondere von denen, die bei Aktiengeschäften derzeit auf realisierten Verlusten sitzen.