Zollern gibt Aulendorfer Werk ab
Maschinenbauer nach Sparprogramm wieder „sehr profitabel“– Investor aus Hannover kauft Stangenproduktion
- Wenn Bagger ihre Schaufeln bewegen, fahren rotationssymmetrische Präzisionsstangen silberglänzend aus den Hydraulikzylindern an Ausleger und Greifarm. Der Maschinenbauer Zollern hat solche Stangen und andere Produkte bis Samstag in seinem Werk im oberschwäbischen Aulendorf hergestellt – bis Samstag deshalb, weil die Produktion seit Sonntag nicht mehr zu dem Traditionsunternehmen gehört.
Zollern hat den Geschäftsbereich an Audita Consult, eine Gesellschaft für Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung mit Sitz in Hannover, verkauft, wie das Sigmaringer Unternehmen am Wochenende bestätigte. „Wir wollen uns in Zukunft auf unsere Kerngeschäftsfelder Antriebstechnik, Feinguss, Stahlprofile, Sandguss und Schmiede konzentrieren“, sagte Raik Flämig, Geschäftsführer des Bereichs Antriebstechnik und Sprecher der Zollern-Gruppe, der „Schwäbischen Zeitung“. In dem Werk in Aulendorf arbeiten nach Angaben von Zollern 84 Mitarbeiter.
Zum Preis, den Audita Consult für das Aulendorfer Werk zahlt, machte Flämig keine Angaben. Branchenexperten schätzen den Wert der Produktion auf fast zehn Millionen Euro. An dem Standort hat der Maschinenbauer vier Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet, der im Jahr 2020 rund 330 Millionen betrug. Audita Consult wollte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht zu dem Geschäft und zu den Plänen äußern, die das Unternehmen mit dem Kauf des Aulendorfer Werkes verfolgt.
Audita Consult bietet nach eigenen Angaben mit rund 25 Mitarbeitern betriebswirtschaftliche, steuergestaltende und juristische Beratung sowie Wirtschafts- und Bilanzprüfungen an. Zu dem Unternehmen gehört nach Angaben von Zollern unter anderem der Maschinenbauer Exxellin, den Audita Consult auch als Referenzmandanten zur Kundengewinnung führt. Der Maschinenbauer Exxellin mit Sitz in Wolmirstedt in
Sachsen-Anhalt stellt vor allem Präzisionsstahlwellen und Kolbenstangen her und könnte vor diesem Hintergrund gemeinsam mit der Aulendorfer Produktion am Markt agieren, die künftig unter Lintec firmiert. „Zollern ist im Markt der Lineartechnik sehr bekannt für seine gute Marktposition. Auch unsere Branche sieht sich einem starken Preiswettbewerb ausgesetzt“, sagt Audita-Consult-Chef Gerhard Gaedecke laut einer Mitteilung von Zollern. „Mit der
Akquisition werden wir die Wettbewerbsfähigkeit durch die Synergien bei Produktentwicklung, Produktion und Vertrieb nachhaltig steigern.“
Michael Föst, erster Bevollmächtigten der IG Metall Albstadt, nennt den Verkauf „überraschend“, obwohl Zollern-Chef Klaus Erkes „immer gesagt hat, dass er sich von unrentablen Bereichen trennen wird“. Föst erinnert an den Tarifvertrag, der im vergangenen Jahr zwischen der Gewerkschaft und dem zuvor aus dem Arbeitgeberverband
ausgetretenen Unternehmen ausgehandelt worden ist und der kurz vor dem Inkrafttreten von Zollern nicht unterschrieben wurde. „In dem Vertrag war das Werk Aulendorf noch berücksichtigt“, erläutert Föst. „Die Mitarbeiter dort hätten wohl überdurchschnittlich von den Investitionen profitiert.“
Insgesamt hat sich Zollern nach einer Krise in den vergangenen beiden Jahren stabilisiert. Dazu hat nach Angaben von Sprecher Flämig nicht zuletzt ein Sparprogramm beigetragen, das das Unternehmen mit seinen 2400 Mitarbeitern, das zu gleichen Teilen im Besitz der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern und der Merckle-Gruppe ist, im Jahr 2020 auf den Weg gebracht hat. Die Auftragsrückgänge von Kunden aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie hatten bei Zollern für Umsatzund Gewinnrückgänge gesorgt. Das Jahr 2020 mit einem Umsatz von 330 Millionen Euro habe das Unternehmen „mit sehr großer Mühe mit einer schwarzen Null“abgeschlossen. „Jetzt sind wir wieder sehr profitabel“, sagt Flämig. „In 2021 streben wir einen Gesamtumsatz zwischen 380 und 400 Millionen Euro an.“
Zollern plant in den nächsten drei Jahren Investitionen von mehr als 60 Millionen Euro. Im wichtigsten Geschäftsfeld Antriebstechnik mit Sitz in Herbertingen, das rund 47 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuert, soll die elektrische Antriebstechnik ausgebaut und die Nutzung digitaler Technologien erweitert werden. Der Geschäftsbereich stellt hauptsächlich Planetengetriebe, Elektromotoren und Seilwinden für Baumaschinen, Hafenkrane und Industrieanwendungen wie Zuckermühlen her.
In der Feingießerei in Laucherthal, die auf 25 Prozent des Gesamtumsatzes kommt, investiert Zollern in die Produktion von einkristallinen und gerichtet erstarrten Komponenten. In der Feingießerei entstehen vor allem Schaufeln für Luftfahrtturbinen oder industrielle Gasturbinen. Der Bereich Sandguss, der zehn Prozent des Umsatzes erwirtschaftet und sich auf Kupferlegierungen spezialisiert hat, erhält eine neu automatisierte Schmiede. Im Bereich Stahlprofile, dessen Umsatzanteil 13 Prozent beträgt und unter anderem Schienenstränge für industrielle Bearbeitungsschlitten herstellt, wird in die Automatisierung investiert. Das Gleitlagergeschäft hat Zollern vor zwei Jahren in ein Gemeinschaftsunternehmen ausgelagert, das der österreichische Maschinenbauer Miba führt und über das Zollern bislang jedes Jahr Gewinn zufließen.