Feinster Polit-Soul aus dem Tresor von Prince
Der frühe Tod von Prince wird mit jedem posthum veröffentlichten Werk schmerzlicher. Auf einem Album wie „Welcome 2 America“hätten andere Musiker ganze Karrieren gebaut, dieser Popgigant versenkte es 2010 im Archiv. Jetzt kommt die Platte zum Glück doch noch heraus.
Seit fünf Jahren ist der Popzauberer Prince nun tot, doch seine faszinierende Geschichte von Genie, Welterfolg und Größenwahn wird wohl nie ganz auserzählt sein. Das garantiert schon allein der einstige „Tresor“im Studiokomplex und Rückzugsort Paisley Park bei Minneapolis: Der bereits zu Lebzeiten des exzentrischen USMusikers legendäre Kellerraum „The
Vault“soll zahllose unveröffentlichte Aufnahmen enthalten haben, als Prince 2016 starb.
Zwölf davon – ein 2010 komplett mit Band eingespieltes, dann ins Archiv verbanntes Album – haben die bisher seriös vorgehenden Prince-Nachlassverwalter nun herausgebracht. „Welcome 2 America“ist eine Offenbarung. Ein großes Fest auch für Popfans, die Prince vor allem über Hits wie „1999“, „Purple Rain“, „Kiss“oder „The Most Beautiful Girl In The World“kennen.
Wie der mit nicht einmal 58 Jahren gestorbene Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist auch hier wieder Soul, Rock, Funk-Jazz und Hip-Hop zu einer ambitionierten und oft tanzbaren Mixtur verrührt, ohne dass es klingt wie ungenießbarer Crossover, ist eine Meisterleistung. Dabei war ein solcher Erfolg angesichts der Entstehungszeit vor gut zehn Jahren nicht unbedingt zu erwarten. Erst im Sommer 2010 hatte Prince das mittelprächtige Album „20Ten“herausgebracht, als Beilage des Magazins „Rolling Stone“, quasi unter dem Radar einer breiten Öffentlichkeit.
Der Auftakt des lange verschollenen neuen Albums, der Titelsong
„Welcome 2 America“, lässt alle Fehlentscheidungen und Schlampigkeiten dieses begnadeten Musikers vergessen: Ein cooler Bass-Groove, Triangel, Fingerschnipsen, weibliche SoulChorstimmen, dann der unnachahmliche Sprechgesang von Prince Rogers Nelson, irgendwann kommt dessen typisch schnarrende Funk-Gitarre hinzu. Nicht nur musikalisch erinnert dieses Stück an seinen vielleicht größten Song überhaupt, das wütende „Sign O’ The Times“von 1987.
Die Botschaft des Stücks weist Prince abermals als scharfsinnigen Beobachter der bitteren Realitäten in seinem Heimatland aus. Aber selbst einen erotisch aufgeladenen FalsettSchmachtfetzen wie „When She Comes“hat der körperlich kleine Pop-Gigant wieder im Angebot.
Etwas schwächer fallen die eher simplen Poprock-Stücke „Hot Summer“und „1010 (Rin Tin Tin)“aus. Das Soul-Asylum-Cover „Stand Up And B Strong“beginnt ebenfalls recht unscheinbar als dezente Hommage an „Every Breath You Take“von The Police, kriegt aber die Kurve Richtung Gospel-Bombast und wird doch noch großartig.
Die Tiefen des Prince-Tresors werden vielleicht noch mehr spannendes Material enthalten. Dies hatte Nachlasskurator Michael Howe schon vor zwei Jahren im „Spiegel“angedeutet. Zu den Gründen für Nichtveröffentlichungen fertiger Studioalben sagte er damals: „Man kann Prince zwar als wankelmütig bezeichnen, aber er hatte eine extrem klare künstlerische Vision. Und wenn man das in Betracht zieht, dann passten die jeweils versenkten Songs wohl gerade nicht zu seinen derzeitigen Plänen.“(dpa)
„Welcome 2 America“von Prince, schienen am Freitag, 30. Juli, bei Sony Legacy.