Asterix’ Helm hatte keine Flügel
Die Kelten und ihre Kulte im Archäologischen Landesmuseum Konstanz – Eine Schau mit Gruselfaktor
- Die große Zeit der Kelten waren die 800 Jahre vor Christi Geburt. Damals lebten sie in vielen Stämmen und Völkern zwischen dem Atlantik und der Schwarzmeerküste, später gingen sie im römischen Imperium und anderen Reichen auf. Doch noch heute ist das keltische Erbe in Europa vielfach spürbar – im Gälisch, das in Irland und der Bretagne gesprochen wird, in Gauloises-Zigaretten, die nach den Galliern benannt sind, in Tolkiens „Herr der Ringe“, dessen Zauberer Gandalf keltische Druiden zum Vorbild hat. Und natürlich in den Asterix-Bänden, die mehr als alle historischen Abhandlungen unser Bild der Kelten geprägt haben. Und, sagen wir mal so: nicht ganz falsch, aber auch nicht immer richtig. Helme mit Flügeln haben die Gallier eher nicht getragen.
Südwestdeutschland gilt, gemeinsam mit Ostfrankreich und der Schweiz, als Wiege der keltischen Kultur. Deshalb hat das Land BadenWürttemberg 2019 ein Projekt aufs Gleis gesetzt, die keltische Kultur sichtbar und erlebbar zu machen. Dazu gehört die große Sonderausstellung „Magisches Land – Kult der Kelten in Baden-Württemberg“, die jetzt im Archäologischen Landesmuseum (ALM) in Konstanz eröffnet wurde. Dafür hat das Museum am Benediktinerplatz seine Sonderausstellungsflächen modernisiert und vergrößert; zudem hat man die Sicherheitsanforderungen verbessert und nicht zuletzt die Räume speziell klimatisiert, um Objekte besser zu schützen und zu erhalten.
Mit der Ausstellung auf rund 330 Quadratmetern Fläche rückt das Museumsteam das Thema „Kult“in den Mittelpunkt: Wen haben die Kelten angebetet, wie haben sie das getan, was war ihnen heilig? Antworten zu geben, ist nicht einfach, denn die Kelten haben so gut wie keine schriftlichen Dokumente hinterlassen. Vieles müssen die Forscherinnen und Forscher aus Schriften zweiter Hand erschließen: griechische oder römische Quellen, die die antike Sicht auf die „Barbaren“darstellen und nicht selten voreingenommen sind, oder aus Funden. Und da kann das ALM den letzten Stand der Wissenschaft ins Feld führen. Gezeigt werden nicht nur Objekte in Vitrinen, sondern auch interaktive Darstellungen auf großen Bildschirmen ermöglichen Blicke auf Details und buchstäblich andere Blickwinkel, geben Zusatzinformationen.
„Magisches Land“lautet der Titel der Ausstellung, und das ist nicht nur eine Floskel: Die Kelten waren naturgläubig, haben „die Natur vergöttlicht“, erklärt K. Felix Hillgruber vom Kuratorenteam, „ihre Umwelt war übernatürlich“. Berge galten als Götter, in Mooren wurde geopfert, Felsen waren Heiligtümer. Das später sogenannte Heidentor in Egesheim (Landkreis Tuttlingen) zum Beispiel: ein natürlicher Felsbogen im Wald, durch den die Kelten
Schmuckstücke warfen, um sie den Göttern darzubringen. „Das war ein Tor in eine andere Welt“, deutet Hillgruber den Felsen, vielleicht zu unterirdischen Göttern. Die Art der Funde, Perlen etwa, Fibeln, die Kleider zusammengehalten haben, winzige Schüsselchen, die vielleicht Lebensmittel aufgenommen haben, deuten darauf hin, dass hier vor allem Frauen geopfert haben.
In Mooren wurden die Opfergaben versenkt, in der Ausstellung sind entsprechende Funde aus Bad Buchau oder Kappel am Oberrhein zu sehen. Andere Funde aus Flüssen und Seen, wie Reste von Waffen, deuten darauf hin, dass am Ufer rituelle Kämpfe stattfanden. Und ja, die Kelten haben auch Menschen als Opfer getötet. Archäologen haben regelrechte Altäre aus Menschenknochen ausgegraben, abgeschlagene Schädel, Knochenfragmente, die Gewaltanwendungen bezeugen. Und manches Ausstellungsstück hat durchaus einen richtigen Gruseleffekt, ein Schädel etwa, dessen Besitzer übel gefoltert worden sein muss: Man hat ihm vor dem Tod alle Zähne abgeschlagen.
Rund 800 Jahre lebten die Kelten in Europa: in einem breiten Streifen südlich der Germanen. Dann ließen sie sich von den Römern assimilieren. Doch auch die Römer, selbst nicht zimperlich, assimilierten sich umgekehrt ebenso, übernahmen zumal deren Gottheiten: Ja, man kann sogar Götter integrieren, wenn sie dienlich erscheinen. In der Ausstellung ist eine „Diana Abnoba“zu sehen, ein Hybrid aus der überlieferten römischen Jagdgöttin mit einer keltischen Figur, die zusammen den Schwarzwald personifizieren.
Und die Druiden? Gab es Methusalix wirklich? Hat er mit einer goldenen Sichel Misteln geschnitten? Immerhin zeigt die Konstanzer Schau kleine Sicheln, wenn auch nicht aus Gold. Tatsächlich galten Druiden als „zauberfähig“, konnten Flüche aussprechen, wahrsagen, Recht sprechen, waren wohl eher Gelehrte, die auch den Totenkult vollzogen. Als Zeichen ihrer Macht trugen sie eine Art Krone – eine ist in Konstanz zu sehen. Ob sie Misteln geschnitten haben, weiß man nicht, dass die Kelten Bäume verehrt haben, gilt als sicher. Doch auch hier ist die Quellenlage dünn, haben die Druiden ihr Wissen doch nur mündlich weitergegeben.
2000 Jahre nach der Hochzeit der Kelten ist deren Erbe noch hier und da präsent. Eine Million Menschen spricht keltische Sprachen. Die Handballer der HBW Balingen nennen sich „Gallier von der Alb“. Wenn Paulus im Neuen Testament an die Galater schreibt, dann meint er Nachfahren keltischer Söldner. Und selbst der Fußballverein aus dem Stadtteil Galatasaray in Istanbul geht auf diese Tradition zurück: Kelten mit Fankurve.
Dauer: bis 9. Januar 2022, Öffnungszeiten: Di.-So. und Fei. 10-18 Uhr. Mehr unter: www.alm-bw.de