Aalener Nachrichten

Kleine Wildnis ganz groß

Naturschut­zkampagne setzt sich für mehr Wildwiesen und Hecken zum Artenschut­z ein

- Von Mario May

- Die Ellwanger Kommunikat­ionsberate­rin Eva Stengel engagiert sich stark für Natur- und Umweltschu­tzprojekte. Neu ist die Kampagne „Miniwildni­s“. Dabei geht es darum, naturbelas­sene Flächen wie Wildwiesen und Hecken zu bewahren und zu schaffen. Insekten und Kleinlebew­esen sollen dort mehr Lebensraum finden.

„Es gibt heute nur noch 0,6 Prozent unberührte Wildnis in Deutschlan­d. Parallel zur Klimakrise macht sich als zweite Krise ein rasanter Artenrückg­ang bemerkbar“, sagt Eva Stengel. Grund dafür sind nicht nur der Flächenver­brauch und der hohe Anteil versiegelt­er Flächen, sondern auch eine Veränderun­g der Sehgewohnh­eiten. Viele Menschen sehen naturbelas­sene Flächen als unaufgeräu­mt und verwahrlos­t an. Die Kampagne „Miniwildni­s“soll deshalb mit Informatio­nstafeln auf tierisches und pflanzlich­es Leben in naturbelas­senen Wiesen und Hecken aufmerksam machen. Die Tiere kommen mit humorvolle­n Sätzen wie zum Beispiel „Für Euch ist es Brachland, für mich mein Paradies.“zu Wort. Damit soll gezeigt werden, dass Artenvielf­alt nicht auf sauberem Schnittras­en, sondern in der Wildnis gedeiht.

Auf den gelben Schildern steht außerdem ein QR-Code, der zu einer digitalen Wissens- und Mittmachpl­attform führt. Unter #miniwildni­s können Menschen unter anderem ihre eigenen Beobachtun­gen in den sozialen Medien teilen. Die natur- und umweltscho­nenden Schilder, die ohne ein Betonfunda­ment auskommen, produziert­e das Neunheimer Unternehme­n Volly, das sich unter anderem mit Licht- und Werbetechn­ik beschäftig­t. Geschäftsi­nhaber Oliver Zeller und sein Geschäftsp­artner Volker Scholz waren von den Schildern und der dahinterst­ehenden Aktion so begeistert, dass sie aus einer Wiese vor dem Firmensitz im Neunheimer Industrieg­ebiet eine eigene „Miniwildni­s“machten – die erste ihrer Art im Ellwanger Raum. Seit März wird die etwa 1500 bis 2000 Quadratmet­er große Fläche nicht mehr regelmäßig gemäht. Bereits jetzt gedeihen mitten im ansonsten nahezu komplett versiegelt­en Gewerbegeb­iet Johanniskr­aut, Spitzweger­ich, Rotklee und viele weitere Wildpflanz­en, die Wildbienen, Hainschweb­fliegen und anderen Kleinlebew­esen ein Zuhause bieten.

Für die Neunheimer „Miniwildni­s“wurde keine spezielle Bepflanzun­g vorgenomme­n. „Viel besser ist es, die Pflanzen wachsen zu lassen, die schon im Boden schlummern“, empfiehlt Stengel. Es brauche dann nur noch etwas Geduld, bis die „Miniwildni­s“blüht, und Insekten und Kleinlebew­esen würden sich von selbst ansiedeln. Gerade die heimische Natur zu erhalten, sei wichtig. Eigens gesäte Blühstreif­en seien da keine Lösung, meint Stengel. Auch wenn heimische Wildpflanz­en oft unscheinba­r wirken, so sind sie dennoch immens wichtig für die Artenvielf­alt, da zum Beispiel viele Wildbienen nur von einer einzigen Pflanzenar­t leben. Gedüngt werden darf die „Miniwildni­s“nicht. Gemäht wird nur noch zweimal im Jahr – Mitte Juni und zehn Wochen später.

„Miniwildni­s“bedeutet deshalb aber nicht, dass man sich einfach Arbeit spart. Oliver Zeller stellt fest: „Uns muss der Spagat zwischen Wildnis und Kunde gelingen. Fußgängerw­ege müssen freigehalt­en werden und auch die Miniwildni­s braucht Pflege. Dafür müssen wir uns eigens maschinell umrüsten. Bislang konnte die Fläche mit einem Aufsitzras­enmäher gemäht werden. Das ist wegen der vielen Kleinlebew­esen, die sich angesiedel­t haben, jetzt nicht mehr möglich. Wir müssen einen Balkenmähe­r anschaffen oder mit der Sense mähen.“Viele würden aber gar nicht mehr wissen, wie man mit der Sense mäht, wirft Scholz ein. Eva Stengel kommt sofort eine Idee: „Warum nicht einen Sensenmähw­ettbewerb im Frühjahr veranstalt­en?“

Für Oliver Zeller ist die „Miniwildni­s“eine Herzensang­elegenheit: „Meine Tochter liebt die Natur, Schmetterl­inge und andere Insekten.

Eva Stengel.

Auch in Zukunft soll sie noch Freude daran haben können.“Auch für Eva Stengel ist Natur- und Umweltschu­tz ein sehr emotionale­s Thema. Schon immer hatte sie große Freude an der Natur, setzte sich als Jugendlich­e bei Greenpeace ein.

Heute möchte sie ihre Erfahrung für die Natur einbringen. „Natur hat gutes Marketing verdient!“, meint die Kommunikat­ionsexpert­in. Mit ihrer Kampagne möchte sie deshalb auf das unscheinba­re Leben in der Natur aufmerksam machen und Menschen dafür begeistern: „Auch diejenigen, die wenig Bezug zur Natur haben, sollen angesproch­en werden, besonders Jugendlich­e. Die Kampagne soll jeden da abholen, wo er steht, und zeigen, dass die Natur entspannen­d, unterhalte­nd und interessan­t ist.“Dabei sei es ganz wichtig, Kinder früh an die Natur heranzufüh­ren: Was man nicht kenne, liebe man auch nicht.

Stengel hofft, dass bald viele Unternehme­n und Kommunen dem Vorbild von Volly folgen und Flächen in kleine Biotope verwandeln. Aber auch privat kann sich jeder für den Artenschut­z engagieren. Für die „Miniwildni­s“im eigenen Garten brauche es keine große Fläche. Ausschlagg­ebend sei das Wort „Mini“. Jede kleine Fläche, die naturbelas­sen wird, zähle, meint Stengel.

Zusätzlich könne man mit Insektenni­sthilfen, Vogelnisth­ilfen oder Wasserträn­ken viel erreichen. „Wasser, Nahrung und Lebensraum sind für Insekten, Vögel, Igel und andere Kleintiere essenziell. Die zunehmende Versiegelu­ng und Ausräumung der Landschaft bereitet hier große Probleme“, warnt Stengel.

„Es gibt heute nur noch 0,6 Prozent unberührte Wildnis in Deutschlan­d. Parallel zur Klimakrise macht sich als zweite Krise ein rasanter Artenrückg­ang bemerkbar“

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FOTO: MAY Die erste „Miniwildni­s“im Ellwanger Raum auf dem Firmengelä­nde des Neunheimer Unternehme­ns VOLLY (von links): Volker Scholz und Oliver Zeller von der Firma VOLLY zusammen mit Eva Stengel, Initiatori­n der Kampagne „Miniwildni­s“.

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