Kleine Wildnis ganz groß
Naturschutzkampagne setzt sich für mehr Wildwiesen und Hecken zum Artenschutz ein
- Die Ellwanger Kommunikationsberaterin Eva Stengel engagiert sich stark für Natur- und Umweltschutzprojekte. Neu ist die Kampagne „Miniwildnis“. Dabei geht es darum, naturbelassene Flächen wie Wildwiesen und Hecken zu bewahren und zu schaffen. Insekten und Kleinlebewesen sollen dort mehr Lebensraum finden.
„Es gibt heute nur noch 0,6 Prozent unberührte Wildnis in Deutschland. Parallel zur Klimakrise macht sich als zweite Krise ein rasanter Artenrückgang bemerkbar“, sagt Eva Stengel. Grund dafür sind nicht nur der Flächenverbrauch und der hohe Anteil versiegelter Flächen, sondern auch eine Veränderung der Sehgewohnheiten. Viele Menschen sehen naturbelassene Flächen als unaufgeräumt und verwahrlost an. Die Kampagne „Miniwildnis“soll deshalb mit Informationstafeln auf tierisches und pflanzliches Leben in naturbelassenen Wiesen und Hecken aufmerksam machen. Die Tiere kommen mit humorvollen Sätzen wie zum Beispiel „Für Euch ist es Brachland, für mich mein Paradies.“zu Wort. Damit soll gezeigt werden, dass Artenvielfalt nicht auf sauberem Schnittrasen, sondern in der Wildnis gedeiht.
Auf den gelben Schildern steht außerdem ein QR-Code, der zu einer digitalen Wissens- und Mittmachplattform führt. Unter #miniwildnis können Menschen unter anderem ihre eigenen Beobachtungen in den sozialen Medien teilen. Die natur- und umweltschonenden Schilder, die ohne ein Betonfundament auskommen, produzierte das Neunheimer Unternehmen Volly, das sich unter anderem mit Licht- und Werbetechnik beschäftigt. Geschäftsinhaber Oliver Zeller und sein Geschäftspartner Volker Scholz waren von den Schildern und der dahinterstehenden Aktion so begeistert, dass sie aus einer Wiese vor dem Firmensitz im Neunheimer Industriegebiet eine eigene „Miniwildnis“machten – die erste ihrer Art im Ellwanger Raum. Seit März wird die etwa 1500 bis 2000 Quadratmeter große Fläche nicht mehr regelmäßig gemäht. Bereits jetzt gedeihen mitten im ansonsten nahezu komplett versiegelten Gewerbegebiet Johanniskraut, Spitzwegerich, Rotklee und viele weitere Wildpflanzen, die Wildbienen, Hainschwebfliegen und anderen Kleinlebewesen ein Zuhause bieten.
Für die Neunheimer „Miniwildnis“wurde keine spezielle Bepflanzung vorgenommen. „Viel besser ist es, die Pflanzen wachsen zu lassen, die schon im Boden schlummern“, empfiehlt Stengel. Es brauche dann nur noch etwas Geduld, bis die „Miniwildnis“blüht, und Insekten und Kleinlebewesen würden sich von selbst ansiedeln. Gerade die heimische Natur zu erhalten, sei wichtig. Eigens gesäte Blühstreifen seien da keine Lösung, meint Stengel. Auch wenn heimische Wildpflanzen oft unscheinbar wirken, so sind sie dennoch immens wichtig für die Artenvielfalt, da zum Beispiel viele Wildbienen nur von einer einzigen Pflanzenart leben. Gedüngt werden darf die „Miniwildnis“nicht. Gemäht wird nur noch zweimal im Jahr – Mitte Juni und zehn Wochen später.
„Miniwildnis“bedeutet deshalb aber nicht, dass man sich einfach Arbeit spart. Oliver Zeller stellt fest: „Uns muss der Spagat zwischen Wildnis und Kunde gelingen. Fußgängerwege müssen freigehalten werden und auch die Miniwildnis braucht Pflege. Dafür müssen wir uns eigens maschinell umrüsten. Bislang konnte die Fläche mit einem Aufsitzrasenmäher gemäht werden. Das ist wegen der vielen Kleinlebewesen, die sich angesiedelt haben, jetzt nicht mehr möglich. Wir müssen einen Balkenmäher anschaffen oder mit der Sense mähen.“Viele würden aber gar nicht mehr wissen, wie man mit der Sense mäht, wirft Scholz ein. Eva Stengel kommt sofort eine Idee: „Warum nicht einen Sensenmähwettbewerb im Frühjahr veranstalten?“
Für Oliver Zeller ist die „Miniwildnis“eine Herzensangelegenheit: „Meine Tochter liebt die Natur, Schmetterlinge und andere Insekten.
Eva Stengel.
Auch in Zukunft soll sie noch Freude daran haben können.“Auch für Eva Stengel ist Natur- und Umweltschutz ein sehr emotionales Thema. Schon immer hatte sie große Freude an der Natur, setzte sich als Jugendliche bei Greenpeace ein.
Heute möchte sie ihre Erfahrung für die Natur einbringen. „Natur hat gutes Marketing verdient!“, meint die Kommunikationsexpertin. Mit ihrer Kampagne möchte sie deshalb auf das unscheinbare Leben in der Natur aufmerksam machen und Menschen dafür begeistern: „Auch diejenigen, die wenig Bezug zur Natur haben, sollen angesprochen werden, besonders Jugendliche. Die Kampagne soll jeden da abholen, wo er steht, und zeigen, dass die Natur entspannend, unterhaltend und interessant ist.“Dabei sei es ganz wichtig, Kinder früh an die Natur heranzuführen: Was man nicht kenne, liebe man auch nicht.
Stengel hofft, dass bald viele Unternehmen und Kommunen dem Vorbild von Volly folgen und Flächen in kleine Biotope verwandeln. Aber auch privat kann sich jeder für den Artenschutz engagieren. Für die „Miniwildnis“im eigenen Garten brauche es keine große Fläche. Ausschlaggebend sei das Wort „Mini“. Jede kleine Fläche, die naturbelassen wird, zähle, meint Stengel.
Zusätzlich könne man mit Insektennisthilfen, Vogelnisthilfen oder Wassertränken viel erreichen. „Wasser, Nahrung und Lebensraum sind für Insekten, Vögel, Igel und andere Kleintiere essenziell. Die zunehmende Versiegelung und Ausräumung der Landschaft bereitet hier große Probleme“, warnt Stengel.
„Es gibt heute nur noch 0,6 Prozent unberührte Wildnis in Deutschland. Parallel zur Klimakrise macht sich als zweite Krise ein rasanter Artenrückgang bemerkbar“