„Hier kommt euer Luschtobjekt“
Bülent Ceylan präsentiert auf Schloss Kapfenburg sein neues Comedy-Programm
- Freitagabend, gerade ist noch ein kleines Unwetter über Schloss Kapfenburg gezogen, doch pünktlich zum Auftrittsbeginn ebbt der Regen ab. „Habt ihr Luscht? Ich kann euch nicht hören. Habt ihr Luscht auf mich? Hier kommt euer Luschtobjekt.“Unter donnerndem Metalsound hüpft er auf die Bühne, der Mannheimer Komiker, der zahlreiche Kultfiguren in sich vereint: Hasan, Anneliese, Harald, Mompfred und seit einiger Zeit auch Donnergott Thor. Bülent Ceylan sprudelt vor Energie, das Publikum applaudiert. Der Künstler ist im Rahmen des Festivals nach Schloss Kapfenburg gekommen – ein Auftritt, der längst überfällig ist.
Im Gepäck hat der 45-Jährige sein neues Programm „Luschtobjekte“. Es geht, der Name lässt es vermuten, grob um Partnerschaft, Lus(ch)t und Sex. Sein erster Gag jedoch ist improvisiert. Er spielt auf die Abstandsregeln an, die natürlich auch für die Festivalbesucher gelten. Aber beim Unwetter seien alle unters Dach geflüchtet und hätten eng beieinander gestanden. „Hauptsache ihr werdet nicht nass“, unkt Ceylan.
Bevor es richtig losgeht, muss jedoch noch ein wenig die Pandemie herhalten. „Heute fragt man nicht mehr, wie geht’s dir, sondern: bist du geimpft?“Ohnehin habe man sich früher über Asiaten lustig gemacht und über die Burka geschimpft. „Aber ihr seht aus wie Seehunde mit Ponchos“, feuert er dem Publikum grinsend entgegen und meint die Plastikregencapes, mit denen sich zahlreiche Besucher vorsorglich eingedeckt haben.
Er sei froh, dass er und sein Team endlich wieder arbeiten könnten, sagt Ceylan. Hauptsache sei, dass das Publikum Spaß habe, dafür seien sie da. Dann erzählt er, wie er die Zeit während der Lockdowns erlebte, und von besonderen Beobachtungen. Er habe vorher noch nie einen „Kanaken im Wald“gesehen, berichtet Ceylan, selbst Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter. Und auf einmal würden die im Wald wandern gehen. Übel nimmt ihm diese Ausdrucksweise keiner, denn wer einen Auftritt von Bülent Ceylan besucht, weiß, worauf er sich einlässt: Keine Kultur, keine Minderheit und keine Nationalität ist vor seinen Witzen sicher.
So ganz auftrittsfrei war die Pandemie für den Komiker allerdings nicht. Er sei im Autokino aufgetreten und habe sich wie „Beethoven in seinen letzten Jahren“gefühlt. Nichts habe er mitbekommen und die Zuschauer in ihren Autos gebeten, doch die Scheibenwischer anzumachen, wenn ihnen etwas gut gefalle. Umso mehr freut er sich nun über das Festival-Publikum.
„Es dürfen nur 500 Leute rein, aber es sieht aus wie ausverkauft.“Applaus. Schloss Kapfenburg hat Ceylan bisher übrigens nicht gekannt. „Ich habe bei der Kapfenburg an Fische gedacht“, gibt er zu.
Das erste Alter Ego, das Ceylan auf die Bühne holt, ist Harald. „Ich mache seit 23 Jahren Comedy und Harald war immer an meiner Seite.“Schnell wird die Lederjacke gegen Schirmmütze und Trainingsjacke getauscht. Harald ist Single. Corona hat es für ihn nicht einfacher gemacht, eine Frau kennenzulernen. Wie solle man mit 1,50 Meter Abstand einen Zungenkuss machen, fragt er das Publikum. Alle lachen. Harald ist herrlich doof.
Doch es geht noch besser. Laut eigener Aussage hat Ceylan für sein neues Programm eine Figur geschaffen, die sogar noch dümmer ist als Harald, einen Superhelden. Und zwar nicht irgendeinen, sondern Donnergott Thor. Nach wenigen Sekunden trägt der Komiker nun blonde Perücke, Brustharnisch und einen großen Hammer. „Meine Mutter wollte mich Viktor nennen. Das war meinem Vater zu lang. Sie musste es sich aussuchen, entweder Vik oder Tor.“Klar, das Ceylan das V wie ein F ausspricht. Als Kind habe er mit seinem Hammer so lange „Hau’ den Lukas“gespielt, bis die Eltern von Lukas... Zudem er habe er eine Babysitterin gehabt, eine „Torhüterin“. Die Gags sind gewollt platt, dem Publikum gefällt’s.
Bülent Ceylan wurde, wie er sagt, von seinem Vater aufgeklärt. Eines morgens, als Acht- oder Neunjähriger, sei er mit einem „Zelt“aufgewacht, ohne Anleitung, wie es wieder abgebaut wird. Seiner Mutter sei das so peinlich gewesen, dass sie „uiuiuiui“gerufen habe und weggelaufen sei. „Wer macht denn ’uiuiuiui’? Samson aus der Sesamstraße“, fragt sich der Komiker noch heute. Der Vater habe nur gefragt, wann das mit dem „Fahrstuhl“passiere. „Wenn du eine Frau siehst? Dann normal.“
Anschließend reinkarniert Ceylan ein weiteres Mal. Nun ist er Hasan, der „zu 100 Prozent nicht aufgeklärt“sei. Nach einigen Witzen über „Kanaken mit Gürteltaschen“und nach Spargel riechenden Schwangerschaftsstreifen beginnt Hasan, alias „Capital Ha“, zu rappen. Das erste Mal an diesem Abend, dass Ceylan sein zweites Talent offenbart: Er kann singen, hat 2019 an der TVSendung „The Masked Singer“teilgenommen. Im Anschluss an Hasans Sprechgesang präsentiert der Mannheimer
Bülent Ceylan zum Publikum an der Kapfenburg
einen Auszug aus Franz Schuberts „Winterreise“. Das Publikum: überrascht. Der Applaus: tosend.
Ceylan macht wegen der CoronaRegeln an diesem Abend übrigens keine Pause, steht weit mehr als zwei Stunden lang ununterbrochen auf der Bühne. Ab und zu nimmt er einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Das sei zwar eine Plastikflasche, aber für alle Umweltschützer werde er die Flasche mitfressen, sagt er.
Nach Anneliese, deren Ehemann kein „Luscht-, sondern ein Fruschtobjekt“sei, folgt noch der Auftritt des griesgrämigen Hausmeisters Mompfred, der über die deutsche Sprache schwadroniert und darüber, dass manche Sätze leicht falsch verstanden werden können. „Ich helfe kranken Vögeln“oder „Ich helfe Kranken vögeln“. Das eine sei ein Tierschützer, das andere eher ein Pflegeberuf. Zum Ende dreht Ceylan dann noch einmal richtig auf, widmet sich wieder der Musik. Die Leute wollen das offenbar so. Und er hat Recht. Begeisterten Applaus erhält der Komiker für „Sweet Dreams“von den Eurythmics und „Father & Son“von Cat Stevens. Auch Westernhagens „Freiheit“in einer etwas härteren Version darf nicht fehlen. Manche Songs hat er auch bei „The Masked Singer“gesungen. „Die Leute denken immer noch, dass bei der Show nicht live gesungen wird. Aber nein, das ist ja kein Schlager.“Alle lachen, nicht das erste und nicht das letzte Mal an diesem Abend.
„Ihr seht aus wie Seehunde mit Ponchos“