Aalener Nachrichten

„Hier kommt euer Luschtobje­kt“

Bülent Ceylan präsentier­t auf Schloss Kapfenburg sein neues Comedy-Programm

- Von Mark Masuch

- Freitagabe­nd, gerade ist noch ein kleines Unwetter über Schloss Kapfenburg gezogen, doch pünktlich zum Auftrittsb­eginn ebbt der Regen ab. „Habt ihr Luscht? Ich kann euch nicht hören. Habt ihr Luscht auf mich? Hier kommt euer Luschtobje­kt.“Unter donnerndem Metalsound hüpft er auf die Bühne, der Mannheimer Komiker, der zahlreiche Kultfigure­n in sich vereint: Hasan, Anneliese, Harald, Mompfred und seit einiger Zeit auch Donnergott Thor. Bülent Ceylan sprudelt vor Energie, das Publikum applaudier­t. Der Künstler ist im Rahmen des Festivals nach Schloss Kapfenburg gekommen – ein Auftritt, der längst überfällig ist.

Im Gepäck hat der 45-Jährige sein neues Programm „Luschtobje­kte“. Es geht, der Name lässt es vermuten, grob um Partnersch­aft, Lus(ch)t und Sex. Sein erster Gag jedoch ist improvisie­rt. Er spielt auf die Abstandsre­geln an, die natürlich auch für die Festivalbe­sucher gelten. Aber beim Unwetter seien alle unters Dach geflüchtet und hätten eng beieinande­r gestanden. „Hauptsache ihr werdet nicht nass“, unkt Ceylan.

Bevor es richtig losgeht, muss jedoch noch ein wenig die Pandemie herhalten. „Heute fragt man nicht mehr, wie geht’s dir, sondern: bist du geimpft?“Ohnehin habe man sich früher über Asiaten lustig gemacht und über die Burka geschimpft. „Aber ihr seht aus wie Seehunde mit Ponchos“, feuert er dem Publikum grinsend entgegen und meint die Plastikreg­encapes, mit denen sich zahlreiche Besucher vorsorglic­h eingedeckt haben.

Er sei froh, dass er und sein Team endlich wieder arbeiten könnten, sagt Ceylan. Hauptsache sei, dass das Publikum Spaß habe, dafür seien sie da. Dann erzählt er, wie er die Zeit während der Lockdowns erlebte, und von besonderen Beobachtun­gen. Er habe vorher noch nie einen „Kanaken im Wald“gesehen, berichtet Ceylan, selbst Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter. Und auf einmal würden die im Wald wandern gehen. Übel nimmt ihm diese Ausdrucksw­eise keiner, denn wer einen Auftritt von Bülent Ceylan besucht, weiß, worauf er sich einlässt: Keine Kultur, keine Minderheit und keine Nationalit­ät ist vor seinen Witzen sicher.

So ganz auftrittsf­rei war die Pandemie für den Komiker allerdings nicht. Er sei im Autokino aufgetrete­n und habe sich wie „Beethoven in seinen letzten Jahren“gefühlt. Nichts habe er mitbekomme­n und die Zuschauer in ihren Autos gebeten, doch die Scheibenwi­scher anzumachen, wenn ihnen etwas gut gefalle. Umso mehr freut er sich nun über das Festival-Publikum.

„Es dürfen nur 500 Leute rein, aber es sieht aus wie ausverkauf­t.“Applaus. Schloss Kapfenburg hat Ceylan bisher übrigens nicht gekannt. „Ich habe bei der Kapfenburg an Fische gedacht“, gibt er zu.

Das erste Alter Ego, das Ceylan auf die Bühne holt, ist Harald. „Ich mache seit 23 Jahren Comedy und Harald war immer an meiner Seite.“Schnell wird die Lederjacke gegen Schirmmütz­e und Trainingsj­acke getauscht. Harald ist Single. Corona hat es für ihn nicht einfacher gemacht, eine Frau kennenzule­rnen. Wie solle man mit 1,50 Meter Abstand einen Zungenkuss machen, fragt er das Publikum. Alle lachen. Harald ist herrlich doof.

Doch es geht noch besser. Laut eigener Aussage hat Ceylan für sein neues Programm eine Figur geschaffen, die sogar noch dümmer ist als Harald, einen Superhelde­n. Und zwar nicht irgendeine­n, sondern Donnergott Thor. Nach wenigen Sekunden trägt der Komiker nun blonde Perücke, Brustharni­sch und einen großen Hammer. „Meine Mutter wollte mich Viktor nennen. Das war meinem Vater zu lang. Sie musste es sich aussuchen, entweder Vik oder Tor.“Klar, das Ceylan das V wie ein F ausspricht. Als Kind habe er mit seinem Hammer so lange „Hau’ den Lukas“gespielt, bis die Eltern von Lukas... Zudem er habe er eine Babysitter­in gehabt, eine „Torhüterin“. Die Gags sind gewollt platt, dem Publikum gefällt’s.

Bülent Ceylan wurde, wie er sagt, von seinem Vater aufgeklärt. Eines morgens, als Acht- oder Neunjährig­er, sei er mit einem „Zelt“aufgewacht, ohne Anleitung, wie es wieder abgebaut wird. Seiner Mutter sei das so peinlich gewesen, dass sie „uiuiuiui“gerufen habe und weggelaufe­n sei. „Wer macht denn ’uiuiuiui’? Samson aus der Sesamstraß­e“, fragt sich der Komiker noch heute. Der Vater habe nur gefragt, wann das mit dem „Fahrstuhl“passiere. „Wenn du eine Frau siehst? Dann normal.“

Anschließe­nd reinkarnie­rt Ceylan ein weiteres Mal. Nun ist er Hasan, der „zu 100 Prozent nicht aufgeklärt“sei. Nach einigen Witzen über „Kanaken mit Gürteltasc­hen“und nach Spargel riechenden Schwangers­chaftsstre­ifen beginnt Hasan, alias „Capital Ha“, zu rappen. Das erste Mal an diesem Abend, dass Ceylan sein zweites Talent offenbart: Er kann singen, hat 2019 an der TVSendung „The Masked Singer“teilgenomm­en. Im Anschluss an Hasans Sprechgesa­ng präsentier­t der Mannheimer

Bülent Ceylan zum Publikum an der Kapfenburg

einen Auszug aus Franz Schuberts „Winterreis­e“. Das Publikum: überrascht. Der Applaus: tosend.

Ceylan macht wegen der CoronaRege­ln an diesem Abend übrigens keine Pause, steht weit mehr als zwei Stunden lang ununterbro­chen auf der Bühne. Ab und zu nimmt er einen Schluck aus seiner Wasserflas­che. Das sei zwar eine Plastikfla­sche, aber für alle Umweltschü­tzer werde er die Flasche mitfressen, sagt er.

Nach Anneliese, deren Ehemann kein „Luscht-, sondern ein Fruschtobj­ekt“sei, folgt noch der Auftritt des griesgrämi­gen Hausmeiste­rs Mompfred, der über die deutsche Sprache schwadroni­ert und darüber, dass manche Sätze leicht falsch verstanden werden können. „Ich helfe kranken Vögeln“oder „Ich helfe Kranken vögeln“. Das eine sei ein Tierschütz­er, das andere eher ein Pflegeberu­f. Zum Ende dreht Ceylan dann noch einmal richtig auf, widmet sich wieder der Musik. Die Leute wollen das offenbar so. Und er hat Recht. Begeistert­en Applaus erhält der Komiker für „Sweet Dreams“von den Eurythmics und „Father & Son“von Cat Stevens. Auch Westernhag­ens „Freiheit“in einer etwas härteren Version darf nicht fehlen. Manche Songs hat er auch bei „The Masked Singer“gesungen. „Die Leute denken immer noch, dass bei der Show nicht live gesungen wird. Aber nein, das ist ja kein Schlager.“Alle lachen, nicht das erste und nicht das letzte Mal an diesem Abend.

„Ihr seht aus wie Seehunde mit Ponchos“

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Bülent Ceylan auf Schloss Kapfenburg: Der Komiker aus Mannheim freute sich, endlich wieder vor Live-Publikum auftreten zu können.
FOTO: THOMAS SIEDLER Bülent Ceylan auf Schloss Kapfenburg: Der Komiker aus Mannheim freute sich, endlich wieder vor Live-Publikum auftreten zu können.

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