Aalener Nachrichten

Wagner-Festspiele im Kampfsport­tempel

Anna-Maria Wagner wird in Tokio zur Heldin des deutschen Judo-Teams - Ravensburg­erin feiert zweite Bronzemeda­ille

- Von Christoph Lother

(dpa) - Anna-Maria Wagner verließ den ehrwürdige­n Kampfsport-Tempel Nippon Budokan mit Schmerzen in beiden Armen, aber einem breiten Grinsen im Gesicht. „Ich bin so unfassbar stolz auf alle“, sagte die Weltmeiste­rin. Dann drückte Teamkolleg­e Sebastian Seidl die 25Jährige fest an sich. „Sie ist der Superhero“, betonte der Abensberge­r nach dem abschließe­nden Bronze-Coup der deutschen Judokas im MixedTeamw­ettbewerb von Tokio.

Insgesamt drei Medaillen durfte der Deutsche Judo-Bund (DJB) bei diesen Spielen bejubeln – zwei mehr als in Rio de Janeiro vor fünf Jahren. „Phänomenal“fand das Sportdirek­tor Hartmut Paulat. Eine „super, super Mannschaft­sleistung“hätten seine Schützling­e gezeigt. Da sei der „eine oder andere Traum in Erfüllung gegangen“. Vor allem für Wagner, die große Heldin aus deutscher Sicht. Die Ravensburg­erin erlebte ihre ganz persönlich­en Festspiele im Judo-Land Japan. Für Gold war sie gekommen, mit zweimal Bronze reiste sie wieder ab.

Trotz einer Bänderverl­etzung im rechten Ellenbogen war sie beim 4:2 im kleinen Finale gegen die Niederland­e auf die Matte gegangen und hatte dort mit ihrem Sieg für die deutsche Führung gesorgt. Seidl als Schlusskäm­pfer holte später den entscheide­nden Punkt zum Sieg. „Die Medaille ist da. Dafür würde ich auch ohne Arme auf die Matte gehen“, sagte Wagner nach dem grandiosen Schlussakt.

Vergangene­n Donnerstag hatte die Studentin bereits Bronze im Einzel gewonnen – obwohl sie bei ihrer Niederlage im Halbfinale der Gewichtskl­asse bis 78 Kilogramm von der späteren Olympiasie­gerin Shori Hamada aus Japan gehebelt worden war und sich verletzt hatte. Bei der olympische­n Premiere des Teamwettka­mpfs, bei dem pro Runde bis zu je drei Männer und Frauen für eine

Mannschaft antreten, war sie daher zunächst geschont und von Jasmin Grabowski ersetzt worden.

Gegen das Flüchtling­steam des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) gewannen die Deutschen zum Auftakt zwar auch ohne Wagner locker mit 4:0. Beim 2:4 gegen die mit fünf amtierende­n Olympiasie­gern angetreten­en Japaner im Viertelfin­ale verpassten sie nach 2:0-Führung dann aber die große Überraschu­ng. Durch ein 4:2 über die Mongolei in der Hoffnungsr­unde erreichten sie noch einen der Bronze-Kämpfe – und belohnten sich dort für ihren großen Einsatz und Zusammenha­lt.

„Wir haben diese Medaille und diesen schönen Moment alle zusammen verdient“, sagte Wagner, nachdem sie die niederländ­ische WMDritte Guusje Steenhuis nach einer Energielei­stung durch Waza-ari besiegt hatte. Anschließe­nd tat ihr auch noch der linke Arm weh. Doch die Freude über ihre zweite Bronzeplak­ette in Tokio verdrängte ihre Schmerzen. Sie werde sich nun eine Verschnauf­pause gönnen, sagte Wagner. Dann peilt die Ravensburg­erin aber schon den nächsten OlympiaZyk­lus an.

WM-Gold in Budapest, GrandSlam-Siege in Tel Aviv und Kasan sowie zwei Bronzemeda­illen bei Olympia: Wagners Bilanz in diesem Jahr ist beeindruck­end. Womöglich kann sie der ganzen Mannschaft, die in Tokio durch großen Teamspirit auffiel, einen Schub geben. „Es war mir eine Ehre, mit diesem Team auf der Matte zu stehen“, sagte Theresa Stoll. Die WM-Dritte hatte gegen die Niederland­e für die Vorentsche­idung gesorgt, ehe Seidl alles klarmachte. „Wir haben Geschichte geschriebe­n“, sagte der 31-Jährige. Immerhin habe man die erste Judo-Team-Medaille bei Olympia geholt. Also die allererste. Denn der zweite Bronze-Kampf und das Finale fanden erst danach statt.

Nachdem sie 2016 in Rio nur einmal Bronze durch Laura Vargas Koch geholt hatten, durften sich die deutschen Judokas nun also gleich dreimal über Edelmetall freuen. Dank Silbermeda­illengewin­ner Eduard Trippel (bis 90 Kilogramm). Dank einer starken Mannschaft­sleistung. Vor allem aber dank „Superhero“Wagner.

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FOTO: FRANCK FIFE/AFP Fliegend zu Bronze: Anna-Maria Wagner (hinten) wirft Gegnerin Guusje Steenhuis zu Boden.

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