Im Zwiespalt der Gefühle
Wellbrock hat Gold vor Augen und holt Bronze – Schwimmer mit gemischtem Fazit
(SID/dpa) - Ein bisschen neidisch blickte Florian Wellbrock auf Robert Finke, der neben ihm auf das oberste Treppchen sprang. Der amerikanische Shootingstar erhielt die Medaille, die der deutsche Doppelweltmeister im Visier gehabt hatte: Gold. Wellbrock applaudierte höflich – und gab Bronze gleich wieder ab.
„Die habe ich direkt nach der Siegerehrung meiner Freundin in die Hand gedrückt“, entschuldigte sich der 23-Jährige im ZDF-Studio für seinen fehlenden Halsschmuck. Seine Verlobte Sarah Köhler hatte die Medaille im Rucksack – die zweite bronzene, die das Schwimmpaar im Olympiabecken in Tokio gewonnen hat. Nach dem Europameistertitel 2018 und dem Erfolg bei der WM vor zwei Jahren blieb Wellbrock die ganz große Krönung im Olympia-Becken mit Gold verwehrt Mit etwas Abstand konnte er sich dennoch auch über Bronze freuen. „Auch wenn ich jetzt, ,nur’ Dritter geworden bin: Es war trotzdem sehr schön und es fühlt sich unglaublich gut an.“Doppel-Olympiasiegerin
Britta Steffen würdigte den Erfolg als „Lebensleistung“.
Dank des Traumpaars Köhler/ Wellbrock glänzt die Medaillenbilanz der deutschen Schwimmer nach zwei Nullnummern in London und Rio wieder, allerdings nicht in der Farbe, die vor allem Wellbrock angestrebt hatte. „Natürlich war irgendwo Gold anvisiert“, gab der Magdeburger zu, der nach dem Finale über 1500 m Freistil in einem Zwiespalt der Gefühle steckte. „Natürlich ist mir ein Riesenstein vom Herzen gefallen“, sagte er nach seinem dritten Platz in 14:40,91 Minuten, „aber man will natürlich immer irgendwie höher, weiter und mehr.“Zumal Wellbrock wie schon beim vierten Rang über 800 m bei der letzten Wende noch geführt hatte.
Er hatte seine Konkurrenten im Blick, doch Finke und den Ukrainer Michailo Romantschuk konnte er nicht wie geplant „mürbe machen“. Der Amerikaner, der erst zum fünften Mal in seiner Karriere unter 15 Minuten blieb, schoss wie bei seinem Sieg über die kürzere Strecke vorbei, und Wellbrock fühlte sich „ein bisschen machtlos, wenn man sieht, dass er noch mal richtig explodiert“. Auch Romantschuk hatte am Ende mehr Körner.
„An sich möchte ich mich über die Bronzemedaille nicht beklagen“, sagte Wellbrock, „das ist keine Schande.“Doch bei seiner Verlobten, die ebenfalls über 1500 m Bronze gewonnen hatte und schon am Montag nach Hause fliegt, war sie zunächst besser aufgehoben. Denn für Wellbrock geht das Kilometerfressen sofort weiter. „Er schwimmt jetzt extensiv“, erklärte Bundestrainer Bernd Berkhahn – am Donnerstag geht es in der Bucht von Tokio über zehn Kilometer um Freiwasser-Gold.
Dank seines Bronze-Paares konnte Berkhahn eine „eher positive Bilanz“ziehen: Immerhin ist die medaillenlose Zeit nach 13 Jahren vorbei. Aber es gibt auch „Defizite“, wie er zugab. Nur acht Finalteilnahmen standen zu Buche, lediglich vier von Schwimmern, die nicht Wellbrock oder Köhler heißen. In Rio waren es sieben, damals gab es aber die 800 m der Männer und die 1500 m der Frauen noch nicht im olympischen Programm. Besonders auffällig: Nur über die Kraulstrecken ab 400 m und mit den langen Freistilstaffeln schafften es Deutsche in den Endlauf – alle anderen schieden aus.
Auch Leistungssportdirektor Lutz Buschkow würdigte die Erfolge über die längeren Distanzen. „In anderen Bereichen, was Kurz- und Mittelstrecke angeht, haben wir unsere Reserven gesehen“, sagte er. „Da muss man sicher in der Zukunft die Konzepte nochmal überdenken.“Nicht hilfreich waren die Verbandsquerelen im Frühjahr mit einem Missbrauchsskandal, der Freistellung von Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen und der ungeschickten Nachfolgersuche. Das sei „nicht spurlos an uns vorübergegangen“und wirkte sich „bis zu den Athleten“aus, klagte Berkhahn an die Adresse des DSV: „Das ist alles nicht glücklich.“