Tops und Flops der ersten Woche
Zwischenbilanz nach der Halbzeit bei den Sommerspielen in Tokio – Auch der DOSB mit Licht und Schatten
(SID) - Auch ohne Zuschauer liefert Olympia große Bilder. Sportler, die über sich hinauswachsen und unverhofft Medaillen holen, aber auch Favoriten, die kläglich scheitern. Die Hälfte der Spiele ist rum. Zeit für eine Zwischenbilanz:
Kanuslalom:
Vier Wettkämpfe, vier deutsche Medaillen – und das nach der Nullnummer von 2016. Im Eiskanal, der in der Sommerhitze von Tokio einem Whirlpool glich, behielten die Sportler des Deutschen Kanu-Verbandes kühlen Kopf. Ricarda Funk weinte nach Gold im KajakEiner um ihren vor fünf Jahren in Rio tödlich verunglückten Trainer und fühlte mit ihrer vom Hochwasser gebeutelten Heimatregion. Großes Kino waren auch die Bronzefahrten von Andrea Herzog, Sideris Tasiadis und Hannes Aigner.
Dressage:
Zweimal Gold, einmal Silber in zwei Entscheidungen – mehr geht fast nicht. Was Deutschlands Dressurköniginnen auf das olympische Viereck zauberten, war eine Erfolgsgeschichte erster Güte. Und es geht auf allerhöchstem Niveau weiter Richtung Paris 2024: Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl und die ewige Isabell Werth werden auch die nächsten drei Jahre mit ihren vierbeinigen Babys tanzen.
Gastgeber Japan:
So richtig warm wurde die japanische Bevölkerung im Vorfeld nicht mit den Spielen, die Sportler aus dem Land der aufgehenden Sonne waren dagegen ab dem ersten Wettkampf heiß auf Olympia. Bereits an Tag sieben holte das Team seine 17. Goldmedaille und übertraf damit den bisherigen Rekord von 1964 – damals übrigens ebenfalls in Tokio. Auch wenn keine Fans zugelassen sind: Der Heimvorteil greift.
Die Kleinen:
San Marino gewann als bislang kleinstes Land der olympischen Geschichte Edelmetall (sogar zweimal). Die 64 000-Einwohner-Nation Bermuda holte ihr erstes Gold. Der Kosovo mit seinen elf Athletinnen und Athleten freute sich über zwei Olympiasiege. Und und und. Im Schatten der Giganten jubelten auch die Kleinen.
Simone Biles:
Trotz ihrer nur 1,42 m schien Simone Biles unverwundbar. Rekordweltmeisterin ist die USTurnerin, 2016 in Rio triumphierte sie viermal. In Tokio hatte Biles den Mut, nach ihrem Ausstieg aus dem wie in Rio. Es ist kein Zufall: Die Spiele werden vom IOC oft und gern als „geschlechtergleich“deklariert, erstmals trugen bei der Eröffnungsfeier ein Mann und eine Frau die Fahne ihrer Nation.
Der Fall Moster und der DOSB:
Der unsägliche „Kameltreiber“-Ausspruch von Patrick Moster ist das eine. Wie der Deutsche Olympische Sportbund aber versuchte, die rassistische Entgleisung des Sportdirektors der deutschen Radfahrer auf die lange Bank zu schieben, war mindestens genauso eklatant. Für Rassismus ist kein Platz im Sport, so einfach ist das! Manchmal muss man nicht erst „gründlich nachdenken“, wie DOSBPräsident Alfons Hörmann einwarf, um richtig zu handeln.
Deutschlands Fußballer:
Stefan Kuntz muss einem leidtun. Mit der U21 feierte der DFB-Trainer Erfolge in Serie, seine Olympia-Mannschaft glich aber einer Resterampe. Einige berufene Spieler verzichteten zugunsten ihrer Vereine auf Tokio, den großen Bundesligaclubs passt Olympia während der Saisonvorbereitung nicht in den Kram. Kuntz bekam nicht mal genug Leute, um alle Kaderplätze zu füllen. So war das Projekt von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Die Verantwortlichen dafür sind nicht in Tokio zu suchen.
Quarantäne-Management des IOC:
Im Fall Moster hat das Internationale Olympische Komitee massiven Druck ausgeübt auf den zaudernden DOSB. Gut so! Aber: Wie der Ringeorden coronapositive Sportlerinnen und Sportler in ein Quarantäne-Hotel abgeschoben und dort mehr oder weniger sich selbst überlassen hat, ist des größten Sportverbandes der Welt unwürdig.
Russische Mogelpackung:
Statt Russland heißt es ROC, also Russisches Olympisches Komitee. Das Design der Trainingsanzüge erinnert an die verbotene russische Flagge. Wirklich „neutral“treten die Aktiven trotz der WADA-Strafe nicht auf. Und die systematischen Betrügereien der Vergangenheit wirken nach. Nach dem Erfolg des Schwimmers Jewgeni Rylow erhoben Silbergewinner Ryan Murphy und der drittplatzierte Luke Greenbank unverhohlen Dopingvorwürfe. Die Russen reagierten mit Trotz auf den Generalverdacht. Vermutlich weiß man erst in ein paar Jahren, wer im Recht ist.