Puszta-Spektakel mit neuer Wendung
Massencrash, Sensationssieger und eine späte Vettel-Disqualifikation in Ungarn
(dpa) - Mehrere Stunden nach dem verrückten PS-Thriller in der Puszta nahm der denkwürdige Große Preis von Ungarn die nächste irre Wendung. Wegen zu wenig Treibstoffs in seinem Aston Martin wurde Sebastian Vettel am Sonntagabend disqualifiziert. Der 34 Jahre alte gebürtige Heppenheimer war schon längst auf dem Heimweg, als die Rennkommissare auf dem Hungaroring die folgenschwere Entscheidung verkündeten. „Der Verlust von 18 Punkten ist für das Team enttäuschend. Aber es ändert nichts daran, dass Sebastian eine ansonsten fehlerfreie Fahrt gezeigt hat“, hieß es in einer Teammitteilung.
Statt mit ein „bisschen“Enttäuschung über den verpassten ersten Grand-Prix-Sieg seit fast zwei Jahren dürften die Formel-1-Ferien für Vettel also mit riesigem Frust begonnen haben. 0,3 Liter waren bei der Untersuchung des Technischen Delegierten im Wagen von Vettel festgestellt worden – mindestens 1,0 Liter sind vorgeschrieben. Beim vergeblichen Versuch, den 24 Jahre alten Sensationssieger Esteban Ocon im Alpine doch noch abzufangen, hatte Vettel zu viel verbraucht.
Und das hatte auch Folgen für die WM-Wertung. Denn hinter Ocon und Vettel war Lewis Hamilton beim mitreißenden elften Saisonrennen mit einem Massencrash im Regen und jeder Menge Action noch auf Platz drei gerast. Der SiebenfachWeltmeister war im Silberpfeil zum 101. Mal von der Pole gestartet, zwischenzeitlich aber auf den letzten Platz abgerutscht, ehe er eine erschöpfende Aufholjagd gestartet hatte. „Es ist nichts mehr in mir drin. Ich bin ausgepumpt“, sagte Hamilton, und so sah er auch auf dem Podest aus – noch neben und mit Vettel. Platz zwei bescherten dem Briten nachträglich 18 statt 15 Punkte. Sein Vorsprung in der zurückeroberten WM-Führung wuchs damit auf acht Zähler auf Max Verstappen.
Der Niederländer hatte zu den Betroffenen des Auftaktcrashs gehört, sein Teamkollege Sergio Perez hatte ganz aufgeben müssen. „Das ist wieder ein schlimmes Erlebnis für uns“, sagte Red-Bull-Teamchef Chris Horner. „Das ist wirklich brutal.“
Pikanterweise zwei Wochen nach dem Ausfall von Verstappen in Silverstone durch eine Berührung durch den Hamilton-Mercedes nun ausgelöst durch Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil. Mit dem beschädigten Red Bull schleppte sich Verstappen als Zehnter ins Ziel. „Die letzten beiden Rennen waren total scheiße“, sagte er. Dass er durch Vettels Disqualifikation auf Rang neun kletterte, dürfte ihn auch nicht getröstet haben. Mick Schumacher durfte sich indes sogar über Platz zwölf im Haas freuen.
Was für ein Finale der ersten Saisonhälfte! Am Renntag kam der Regen und mit ihm kam das Spektakel gleich in der ersten Kurve. Auslöser Bottas erwischte von Position zwei einen Schneckenstart und krachte ins Heck von Lando Norris, der mit seinem McLaren am Finnen vorbeigezogen war. „Ich hätte früher bremsen sollen, es war mein Fehler“, sagte Bottas, der sich bei seinen Rivalen auch entschuldigte.
Kurve eins auf dem 4,381 Kilometer langen Kurs bei Budapest glich einem Trümmerfeld – abgestellte Rennwagen und deprimierte Piloten. Das Safety-Car musste raus, das Rennen wurde unterbrochen und vor allem die Red-Bull-Mechaniker versuchten, teilweise sogar mit Klebeband die erheblichen Schäden Wagen von Verstappen zu reparieren.
Eine Viertelstunde hatten sie Zeit, dann ging es wieder in die Formationsrunde und in die Startaufstellung entsprechend der Reihenfolge der Unterbrechung. Mittlerweile war die Strecke abgetrocknet und fast alle kamen in die Box, um auf Trockenreifen zu wechseln. Nur einer nicht: Hamilton. Allein stand er dort mit seinen Mischreifen und fuhr los. Der Rest folgte aus der Boxengasse. Warum nicht auch Mercedes die Reifen direkt gewechselt hatte, schien Hamilton verantwortet zu haben. Er kam nach einer Runde rein und als Letzter raus. „Sorry, Leute“, funkte Hamilton an die Box.
Knapp 20 Sekunden trennten ihn von Platz eins, auf dem nun Ocon fuhr, Vettel lag dahinter. Beim nächsten Reifenwechsel lagen Hamilton und Mercedes dann goldrichtig und machten allein in der Box zwei Plätze gut. Und der 36-jährige Brite blieb in Angriffslaune, die WM-Führung kam mit jedem erfolgreichen Überholmanöver näher. Bei Alonso war aber erstmal Schluss, die früheren Teamkollegen bei McLaren lieferten sich einen harten Zweikampf, ehe Hamilton vier Runden vor Ende vorbeikam. Dass auch er mehrere Stunden später noch mal überholen würde, damit dürfte Hamilton nicht gerechnet haben. Sieger Ocon jedenfalls war zufrieden: „Es ist ein riesiger Moment für meine Karriere“, sagte der 24-Jährige: „Es ist unglaublich. Mir fehlen die Worte. Grand-Prix-Sieger zu sein.“
Grand Prix von Ungarn (70 Runden à 4,381 km/306,630 km): 1. Ocon (Frankreich/Alpine) 2:04:43,199 Std.; 2. Vettel (später diqualifiziert/ Heppenheim/Aston Martin) +1,859 Sek.; 3. Hamilton (Großbritannien/ Mercedes) +2,736; 4. Carlos Sainz Jr. (Spanien/Ferrari) +15,018; 5. Alonso (Spanien/Alpine) +15,651; 6. Gasly (Frankreich/Alpha Tauri) +1:03,614 Min.; 7. Tsunoda (Japan/ Alpha Tauri) +1:15,803; 8. Latifi (Kanada/Williams) +1:17,910; 9. Russell (Großbr./Williams) +1:19,094; 10. Verstappen (Niederlande/Red Bull) +1:20,244; 11. Räikkönen (Finnland/Alfa Romeo) + 1 Rd.; 12. Ricciardo (Australien/McLaren) + 1 Rd.; 13. Schumacher (Gland/ Schweiz/Haas) + 1 Rd.; 14. Giovinazzi (Italien/Alfa Romeo) + 1 Rd. – Gesamtwertung nach 11 von 23 Rennen: 1. Hamilton 192 Pkt.; 2. Verstappen 186; 3. Norris 113.