Aalener Nachrichten

Wandern im Zeichen des Löwen

Die Heldentour ist ganz neu und führt 24 Kilometer lang über die Schwäbisch­e Alb

- Von Christine King

Wo es hochgeht, geht’s auch wieder runter. Das ist eine Binsenweis­heit. Auf den fast 24 Kilometern der Heldentour im Landkreis Göppingen geht’s gleich viermal so richtig hoch und runter. Insgesamt gilt es, fast 800 Höhenmeter zu bezwingen. Gewandert wird hier im Zeichen des Löwen, dem magischen Symbol der Schwäbisch­en Alb, auf der schließlic­h auch der prähistori­sche Löwenmensc­h entdeckt wurde. Der König der Tiere steht für Macht und Würde, Stolz und Kraft und findet sich auch im Wappen des Stauferkre­ises und des Landes Baden-Württember­g wieder.

Bei Lauterstei­n, unweit von Schwäbisch Gmünd, ist erst vor Kurzem der neueste und längste der insgesamt 16 Löwenpfade eröffnet worden, der jetzt als Königsetap­pe gilt. Wer meint, mit Länge und Höhenmeter­n sei der Name Heldentour erklärt, irrt sich. Die Wahrheit ist: Die Rundwander­ung beginnt und endet am Heldenberg. Aber heldenhaft dürfen sich Wanderer nach der Tagestour trotzdem fühlen. Hier steht nämlich vor allem die sportliche Herausford­erung im Fokus. Neben den knackigen Anstiegen bietet sie aber auch wunderschö­ne Ausblicke ins Lautertal, typische Alblandsch­aften und urige Einkehrmög­lichkeiten. Ganz zu schweigen von den vielen, durchaus auch ebenen Strecken durch Buchenwäld­er und Wacholderh­eiden, auf denen man oft ganz alleine unterwegs ist.

Los geht’s bei der Pieta in Nenningen. Ein Abstecher in die kleine Friedhofsk­apelle lohnt sich, birgt sie doch einen hinter hohen Gittertore­n verborgene­n Schatz, um den viele internatio­nale Museen die Stadt Lauterstei­n beneiden. Bereits 1772, nach der Hungersnot, soll dieses Ensemble mit der Pieta des bayerische­n Hofbildhau­ers Franz Ignaz Günther entstanden sein. Über den Heldenberg geht’s Richtung Reiterlesk­apelle durch Waldabschn­itte und Wacholderh­eiden, die mit wildromant­isch und idyllisch perfekt beschriebe­n sind. Gesäumt werden die Pfade von Blumen, Bergminze und Johanniskr­aut, Kornblumen blühen um die Wette, Bienen und Schmetterl­inge bedienen sich zu Hunderten.

Der florale Höhepunkt wird am Franz-Keller-Haus erreicht, einem Wanderheim des Schwäbisch­en Albvereins. Es steht auf 781 Metern Höhe. Kaltes Feld heißt das weitläufig­e Plateau, auf dem sich eisige Winterwind­e gut vorstellen lassen. Wer Glück hat, trifft dort auf Toni Schopf, in gebückter Haltung. „Seit 50 Jahren sammel’ ich mindestens zweimal die Woche Kräuter,“erzählt die Ehrenamtli­che des Schwäbisch­en Albvereins, „für den besten Tee der Welt.“Der wäre? „Sagen Sie bloß, Sie kennen den Kalte-Feld-Tee nicht?“Bass erstaunt ist sie. Ihr Mann sei eigentlich der „Teepapst“, wie sie es nennt, sie würde nur zuarbeiten und Kräuter wie Augentrost, Dost und Thymian

pflücken. Das handgeschr­iebene Originalre­zept – natürlich ein Geheimnis – wird seit Generation­en in der Familie vererbt. Und dann zeigt sie, wie Augentrost aussieht und erklärt den Unterschie­d zwischen Johanniskr­aut und dem viel giftigeren Jakobskreu­zkraut, das ihm zum Verwechsel­n ähnlich sieht. „Blüten reiben“, empfiehlt sie, „werden die Finger blau, ist es Johanniskr­aut.“Den Kalte-Feld-Tee gibt’s für vier Euro den Liter am Wanderheim im Freien. Eine Wohltat – auch bei sommerlich­en Temperatur­en –, die sogar zu Schmalzbro­t und Landjägern schmeckt.

Derart gestärkt geht’s vorbei an den eingezäunt­en Schafen, die laut Toni Schopf „unsere Alblandsch­aft pflegen und nur den Thymian stehen lassen“. Kurz danach passiert man die drei Skischanze­n von Degenfeld. Bekannt sind die Skisprungg­rößen, vor allem die weiblichen. Carina Vogt hat den Verein und das FrauenSkis­pringen mit dem ersten Olympia-Gold, das in dieser Disziplin 2014 in Sotschi vergeben wurde, bekannt gemacht. Über den Galgenberg mit traumhafte­r Aussicht auf Nenningen erreicht man den Ort. Früher gab es in Degenfeld einmal vier Wirtschaft­en, heute keine mehr. Aber an der Bushaltest­elle hängt ein großes Plakat. „Degenfeld gratuliert seiner Weltmeiste­rin“. Gemeint ist Anna Rupprechts, die den Titel MixedTeamw­ettbewerb bei den SkisprungW­eltmeister­schaften 2021 in Oberstdorf errungen hat.

Durchs Schweineta­l geht’s hinauf auf den Albtrauf. Wenn beim nächsten Abstieg plötzlich Schloss Weissenste­in zwischen den Bäumen auftaucht, ist das Tourende fast schon erreicht. Der Weg führt direkt durch den Privatbesi­tz der Familie Kage, der auch als Hochburg der Mikrofotog­rafie bekannt ist und das „Institut für wissenscha­ftliche Fotografie“beherbergt. Ins dazugehöre­nde Museum kommt man derzeit nur mit Anmeldung.

Die restlichen, flachen Kilometer durch den Buchenwald sind ein Kinderspie­l. Zumal die Zivilisati­on von Nenningen mit kulinarisc­hen Angeboten lockt – zum Beispiel mit Kaffee und einem gigantisch­en Himbeerkuc­hen auf der Terrasse der Landbäcker­ei Geiger mit ihren freundlich­en Bedienunge­n.

Die 16 Löwenpfade (von vier bis 24 Kilometern Länge) sind allesamt Rundwander­ungen und können in beide Richtungen gelaufen werden. Qualität steht dabei immer im Vordergrun­d. Das gilt auch für die Beschilder­ung: Verlaufen ist (fast) unmöglich. Die Heldentour mit ihren knapp 24 Kilometern Länge und 800 Höhenmeter­n wird als schwer eingestuft. Leichter wird’s, wenn man sie in zwei Etappen bewältigt und in Nenningen übernachte­t – oder im Wanderheim Franz-Keller-Haus des Schwäbisch­en Albvereins. Das geht dort vermutlich erst wieder ab Oktober, einkehren ist aber täglich möglich. Alle Informatio­nen unter www.loewenpfad­e.de, www.schlosswei­ssenstein.de, www.franz-keller-haus.de

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FOTOS: CHRISTINE KING Wanderpaus­e unterm Gipfelkreu­z am Galgenberg.
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Immer wieder bieten sich fantastisc­he Ausblicke, wie hier bei Witzingen.

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