Einführung in die hohe Kunst der Whisky-Brennerei
Eine Tagestour führt zu verschiedenen Destillerien am Bodensee
Whisky trinkt man nur, wenn es einem gut geht. Wenn es einem schlecht geht, trinkt man Mineralwasser und ein Glas Milch“, sagt Marco Waibel, der eine Abfindungsbrennerei in Nesselwangen bei Überlingen betreibt. Das klingt nach einer gesunden Einstellung, die wahrscheinlich auch die Männer und Frauen teilen, die an diesem Sommertag Waibels Whisky probieren wollen. Es ist der letzte Stopp während der Bodensee-Whisky-Tour. Sie hat am Vormittag bereits zur Destillerie Senft in Salem-Rickenbach und nach dem Mittagessen zur Brennerei Steinhauser in Kressbronn geführt.
Umgeben vom Charme des alten Gemäuers im Obergeschoss des Restaurants Weinstein in Überlingen kredenzt Marco Waibel unterschiedliche Jahrgänge seines Whiskys „Keyne Eyle“. Der Name leitet sich von „Keine Eile“ab – denn Hektik soll weder bei der Herstellung noch beim Genuss des Whiskys eine Rolle spielen. 1998 dürfte er den ersten Whisky in der Überlinger Markthalle Greth verkauft haben, wahrscheinlich aus dem Jahr 1993 oder 1994, erinnert sich Waibel. Auf besonderes Interesse sei er damals mit seinem Angebot nicht gestoßen. Im Laufe der Zeit hat er mit seinem Vater Alfred den Brennprozess jedoch perfektioniert.
In Nesselwangen haben sie früher vornehmlich Williams und Mirabelle gebrannt, da habe Whisky zunächst doch etwas von „verbranntem Schuppen“gehabt. „Aber wer Korn brennen kann, kann auch Whisky brennen“, dachte sich Waibel. Etwa 1000 Flaschen produziert er jetzt jährlich. Davon werden maximal 500 verkauft, der Rest bleibt in den Fässern und wird weiter veredelt. „In erster Linie muss er mir schmecken“, nennt Waibel das Kriterium für einen guten Whisky. Seine heutigen Gäste finden ebenfalls Gefallen am „Keyne Eyle“. Fünf Runden werden zum Abschluss der Tour verköstigt, den Anfang macht die zehnjährige Black Edition, den Abschluss der „Euro 500“. Die Qualität des hochwertigen Getränks mache zu 98 Prozent das Können und zu zwei Prozent das Fass aus.
Im Laufe des Tages hat die Gruppe immer wieder etwas über die Wahl des richtigen Fasses gehört. „Das Malz gibt die Grundrichtung vor, den Rest macht das Fass“, erklärt Daniel Eck von der Destillerie Senft in Salem-Rickenbach. Wird der Whisky im Rotweinfass heimischer Winzer gelagert, so sorgt das Eck zufolge für ein fruchtiges Aroma und eine schöne Farbe. Sherryfässer aus Spanien „runden schön ab“. Zunächst wird der Whisky aber in Fässer aus amerikanischer Weiß-Eiche gelagert, bevor er in Burbonfässer umzieht.
An der ersten Station der Tour führt Eck zunächst ins Steuerlager. In Glasflaschen wird veranschaulicht, wie das helle Rohgerstenkorn sich durch den Mälzprozess verändert. Weiter geht es zur Abfüllanlage und zur Tropfendestillerie und von dort in den Showroom. „Der deutschsprachige Whiskymarkt wird inzwischen stärker angenommen als noch vor ein paar Jahren“, berichtet Juniorchefin Silke Senft. Passend zur Bodenseeregion entstehen bei Senfts weiche und fruchtige Whiskys. Mit entsprechendem Hintergrundwissen kann es zur ersten Degustation des Tages gehen. Ausgestattet mit Glas und einem Notizblock machen wir uns ans Werk. Silke Senft, zertifizierte Edelbrand-Sommelière, schenkt ein und leitet geschickt zur Beurteilung an. Welchen Geschmack hinterlässt der Whisky in der Nase? Einen frischen, fruchtigen, strengen, rauchigen, malzigen, torfigen? Wie ist der Geschmack auf dem Gaumen? Scharf, bitter, würzig? Erinnert er an Schokolade, Tabak, Honig, Lakritz, Leder? Auch zum Körper des Whiskys stehen Bewertungen an: Wie schwer ist er? Wie intensiv sind die Duftstoffe? Wie komplex die Aromen? Und damit noch nicht genug: „Der Nachklang ist wichtiges Qualitätsmerkmal beim Whisky“, sagt Senft. Auf dem Notizblock erfolgt also ein entsprechendes Kreuz zu dessen Länge.
Schluck für Schluck geht es an die Beurteilung der unterschiedlichen Produkte: sechsjähriger Single Malt, im Sherryfass veredelter, unverdünnter Whisky, Whisky Liquer. Auch eine „Edition Torf“steht auf dem Menü. Dieser 2014 destillierte Whisky hat sein letztes Reifejahr vergraben im Torf verbracht.
Mit vielen Eindrücken – auf die Whiskys folgen noch Gin, Rum und Obstbrände – geht es mit dem Bus – gesteuert natürlich von einem nüchternen Fahrer – weiter zum Mittagessen am Bodenseeufer und dann zur Brennerei Steinhauser.
Gab es bei Senft badischen Whisky zu probieren, sind wir nun im 40 Kilometer entfernten Kressbronn beim Schwaben-Whisky der Brigantia-Reihe angelangt. Seit 2008 destillieren Martin Steinhauser und sein Team auf einer restaurierten Brennanlage aus dem Jahr 1890 ihren Whisky. Im Fasslager umgibt den Whisky tagein, tagaus Kressbronner Blasmusik aus der Konserve. Schließlich gibt es Nachweise, dass sich Musik positiv auf den Reifungsprozess von Wein auswirkt, warum also nicht auch auf den Whisky. Bevor der Schwaben-Whisky in Kressbronn ausgeschenkt werden kann, hat er das letzte Jahr seiner fünfjährige Reifezeit im Bug der „MS Schwaben“verbracht. Vier Fässer schaukeln auch derzeit über den Bodensee.
Dass sich die Zeit auf dem Boot durchaus auf den Whisky auswirkt, bestärkt Heinfried Tacke, Autor von „Whisky Guide Deutschland“. Seiner Expertise nach ist Alter hingegen allein noch kein Qualitätsmerkmal. „Ich habe auch schon schlechten 18jährigen deutschen Whisky getrunken“, berichtet er. Als Teil einer sechsköpfigen Jury hat er jüngst bei einer Blindverkostung Steinhausers zwölfjährigen Brigantia (Edition Constantia) als Sieger des „Germany’s Best Whiskys Awards“gekürt. Darauf sollte man anstoßen.