Ein Ellenberger macht Fußballer fit
In Singapur: Was Jens Eiberger leisten muss und wie wichtig Fitness ist.
AALEN/SINGAPUR - Jens Eiberger (27) ist sechs Stunden weiter als wir. Das liegt daran, dass er in Singapur lebt. Und arbeitet. Das passt ganz gut: Auch in seinem Job muss Eiberger immer irgendwie vor der Zeit sein, schließlich ist er professioneller Fitnesstrainer im Profifußball. Am 1. Juli hat der Fachmann aus Ellenberg in dem Stadtstaat nach einer langen Bewerbungsphase einen neuen Job angetreten: Fitnesscoach Nationalmannschaften. Eiberger ist zuständig für U16/U19/U23, Frauen und der A-Nationalmannschaft von Singapur und auch für Kooperationen mit Schulen, soll „Strukturen und einen roten Faden im physischen Profil der Spieler“schaffen. Der hochqualifizierte Fitness-Experte hat zuletzt auch die DFB-Elitejugendlizenz absolviert, die A-Lizenz will er noch machen. „Vielleicht kommt irgendwann der Wechsel Trainer zu sein“– doch zunächst geht es für den ehemaligen Jugendspieler des 1. FC Heidenheim und VfR Aalen um die Zukunft der Fitness von Singapurs Fußballer. Was er leisten muss und wie wichtig Fitness im Fußball ist, erklärt Eiberger im Gespräch mit Sportredakteur Benjamin Post.
Deutschland stellt sich nach der verkorksten Europameisterschaft wieder neu auf. Wie schaut es in Singapur aus?
Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2034 ist das Ziel. Es soll Kooperationen mit Schulen und Sportvereinen geben, sodass es möglich gemacht werden kann, dass Kinder die heute zehn Jahre alt sind bei der WM für Singapur spielen können. Fußballprofis werden nicht von heute auf morgen geschaffen, die Grundlagen werden im Jugendbereich gelegt sowohl physisch, als auch technisch-taktisch. Indem wir, als Föderation, schon im Kindesalter Einfluss auf die angehenden Fußballer nehmen können, werden je nach Altersgruppe spezifische physische Elemente speziell in den Vordergrund gestellt.
Und da kommst du ins Spiel.
Das macht die Aufgabe interessant, bei so einem Projekt von Anfang an dabei zu. Wir haben auch Einfluss auf die Schulen, wie dort der Sportunterricht beziehungsweise die Fußballeinheiten aussehen sollen. Das hilft, wenn es Richtung Profifußball gehen soll. Es soll alles wissenschaftlich fundiert, strukturell und langfristig aufgebaut sein. Was es dann hoffentlich einfacher macht, dass man eine Breite an gut ausgebildeten Frauen und Männer hat.
Die Top-Spieler sind in der A-Nationalmannschaft. Was ist deine Aufgabe dort?
Zu den jeweiligen Zeitfenstern, wenn die Nationalmannschaft zusammen kommt, werde ich mit ihnen arbeiten. Physisch kann man in den Zeiträumen wenig verändern, man ist auf die Klubs angewiesen. Aber wenn man den Klubs als helfende Hand zur Seite steht und schult, welche physischen Aspekte im täglichen Training abgedeckt werden sollten, kann man auch deren Leistung verbessern. Bei den Spielen der Nationalmannschaft bin ich dabei.
Wie kannst du dann als Fitnesscoach einwirken? Du verfügst ja schon über Erfahrung durch deine Zeit als Athletiktrainer für die Nationalmannschaft von Myanmar. Die Trainer sind abhängig, was die Klubs machen. Im physischen Bereich konnte man zum Beispiel wegen Corona wenig machen, weil alle drei Tage ein Spiel war, dort fiel der Fokus weitestgehend auf die Regeneration der Spieler. Man muss die richtige Balance finden. Man bekommt auch die Berichte von den Vereinen, was sie gemacht haben, meistens zwei, drei Wochen im Voraus, sodass man die Arbeit justieren kann. Es gibt Spieler, die drei Wochen gar nicht gespielt haben, dann gibt es Spieler, die in den letzten drei Wochen fünf Spiele hatten. Die kann man nicht gleich trainieren, wenn sie zur Nationalmannschaft kommen.
Im Fußball heißt es oft: Zu 90 Prozent entscheidet der Kopf. Was muss ein Fitnesscoach beachten? Es kommt auch auf das subjektive Empfinden an, wenn der Spieler vor dir steht. Das Mentale und den Stress kann man nicht wirklich messen, da muss man vor Ort mit dem Spieler reden. Man hat mit Individuen zu tun. Man muss jeden Spieler anders adressieren. Gerade die interpersonelle Verbindung wird im Fußball oftmals unterschätzt. Der Zuschauer sieht nur was auf dem Feld passiert. Im Endeffekt sind es auch nur Menschen.
Viel hilft nicht immer viel: Es kommt nicht nur auf das Fitnesslevel an, ob eine Mannschaft erfolgreich ist.
Eine Fitnessleistung hängt auch davon ab: Bei einer Mannschaft wie Bayern München wird kein Spieler von der Fitness her abfallen, dadurch dass sie das Spiel dominieren und eben nur nach vorne spielen und den Ball haben. Im Vergleich dazu eine Mannschaft wie Arminia Bielefeld: Sie muss mehr laufen. Aber man würde nicht sagen, dass ein Spieler von Bielefeld fitter ist weil er mehr läuft oder Sprints macht. Man muss aufgrund der taktischen Anweisung und des Spiels das ganze Bild sehen und nicht nur die Daten an sich. Die laufstärkste Mannschaft ist nicht immer die beste Mannschaft. Im Endeffekt spielen sie immer noch Fußball und sind keine Marathonläufer oder Sprinter. Es wird positiv beeinflusst, da das Fußballspiel immer physischer wird. In den höheren Klassen kommt es auf Geschwindigkeit an: Die meisten Tore werden durch eine schnellkräftige Aktion entschieden, ob es ein kurzer Sprint ist damit man vor seinem Verteidiger ist oder ein Sprung beim Kopfball. Aber der technisch-taktische Part ist im Fußball doch noch entscheidender.
Wie bekommt man das als Fitnesscoach im Fußball unter einen Hut? Nicht so einfach, aber das macht einen guten Fitnesstrainer aus: Das man integriert trainiert. Man verbindet die technisch-taktische Komponente mit der physischen Komponente, bestmöglich wird alles mit Ball gemacht. Man sollte die Spielformen so anpassen, dass auch die gewünschten physischen Elemente abgedeckt werden, je nach aktueller Phase der Saison werden dann zum Beispiel Intensität und Volumen justiert. Die Stellschrauben: Spielfeld größer oder kleiner machen, an der Zeit oder an den Pause etwas ändern. Je besser die Kommunikation zwischen den Trainern und den Fitnesstrainern abläuft, desto besser findet der Transfer vom Fitnesstraining zum Fußballtraining statt. Am besten läuft alles Hand in Hand.
Stichwort Kommunikation: Wie läuft es für dich? Du hast erstmal einen Zweijahresvertrag beim Verband.
Ich bin natürlich weit weg von meiner Familie. Aber es macht einfacher, dass ich meine Freundin, die aus Singapur kommt, sowie Kollegen und einige bekannte Gesichter schon hier habe. Es ist eine schöne Stadt, aber man kann es nicht mit München oder Berlin vergleichen: Das ist hier schon nochmal ein paar Nummern größer. Es sind sechs Millionen Einwohner auf einer Fläche die kleiner als Berlin ist. Aber das Gute ist, man kann alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen oder auch per Fuß beziehungsweise mit dem Fahrrad. Ich freue mich sehr auf die anstehende Herausforderung hier in Singapur, bin aber dann auch immer wieder froh, wenn ich mal wieder in der Heimat bin.