Der Ellwanger Poetry Slam ist zurück
Würzburger Slammer Yannik Ambrusits macht das Rennen – Wolfgang Seckler trägt schwarzhumorige Moritat vor
ELLWANGEN - Der Ellwanger Poetry Slam ist wieder da. In der Großen Stallung des Schlosses, besser bekannt als Schafstall, hat der allseits beliebte Selbstläufer des Sommers in der Stadt sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Eigentlich sei es schon der elfte Ellwanger Poetry Slam, stellte Moderator Johannes Elster fest. Aber 2020 habe er coronabedingt ausfallen müssen. Andere meinen, der Slam erlebe in diesem Jahr seine zwölfte Auflage. Wie auch immer: Dass das Ereignis nicht wie geplant am Kressbachsee stattfand, hatte mit Corona nichts zu tun. Das lag an diesem unterkühlten Sommer. „Die Scheinwerfer bringen das Sommergefühl“, meinte Alexander Willrich. Auf der Bühne war es deutlich wärmer als unten im Saal, wo sich viele der rund 250 maskierten Besucher in warme Jacken und Decken hüllten.
So bewährt die Organisatoren Stadt, Stadtbibliothek und Jugendzentrum, so bewährt auch die launigen Moderatoren des Abends: Johannes Elster, vormals bekannt als Hanz, und Alexander Willrich. Es sei seine dritte Veranstaltung seit Oktober, bekannte Elster: „Es bedeutet uns viel, dass wir hier sein dürfen.“Das galt auch für die sieben Poeten, die sich im edlen Dichterwettstreit mit Gereimtem und Ungereimtem maßen. Wegen der Aerosole wurden sie nicht wie gewohnt lautstark bejubelt. Vielmehr entschieden fünf JurorenGruppen
aus dem Publikum, die „Bank“, die „klare Meinung“, die „Girls aus der letzten Reihe“, die „Erfahrenen“und die „Voyeur-Gang“, über Sieg oder Niederlage, indem sie Punktetafeln hochhielten. Die höchsten und die niedrigsten Punkte wurden gestrichen, der Rest zum Gesamtergebnis addiert.
Als erster enterte der Leipziger Skog Ogvann die wärmende Bühne. Der mehrfache thüringische SlamLandesmeister brachte die Ballade von „Freilerner Bernd“zu Gehör, der die Liebe nicht findet, weil er nie zur Schule gegangen ist und weder lesen noch schreiben kann. Fast schon zum Inventar des Ellwanger Slams gehört Pfahlheims Ortsvorsteher Wolfgang Seckler. Der Mann aus „Pfohle“begeisterte mit der Moritat über eine lustige Witwe, die ihrem kränkelnden Ehemann beherzt zum Abschied aus dieser besten aller Welten verhalf: „Das Tuch auf seinem Gesicht, das Tuch war schwer und dicht.“Eine Lanze für ihre Heimatstadt brach die Tübinger Studentin Lena Stokoff mit ihrem Beitrag „Da, wo ich her bin.“Aus Aalen nämlich, wo man gerade noch „von der Alb ra sagt“, aus einer Stadt, „die für die umliegenden Dörfer schon Berlin ist“und wo Nachbarn die Konstanten im Leben sind.
Als vierter eroberte der Würzburger Yannik Ambrusits die Gunst des Publikums und als erster das Finale mit einer Betrachtung über die im Alter exponentiell ansteigende Nutzung von Emojis und die bange Frage, ob unser aller Greta (Thunberg) vielleicht doch nicht Jesus Christus ist. Aus Konstanz war Marina Sigl mit ihrem Text „Signorina“angereist und der Klage, dass auch der günstigste Campingplatz noch zu teuer ist: „Ohne Geld gibt’s keine Welt.“Zum ersten Mal stand die Ellwangerin Louisa Heiss auf einer Slam-Bühne und beeindruckte mit ihrem Lob des Single-Daseins „Die Mauer um mich.“
Siebter im Dichterbunde war der vollbärtige Steven Mularczyk aus Erlangen, der sich auf der Bühne nur Steven nennt. Mit seinem bitterbösen Text „Kinderschokolade“über Killeravocados, einer Verschwörungstheorie übers Essen und Cannabis-Aktivisten („Da schmeckt man‘s Gras noch raus“) schaffte er es als zweiter ins Finale und unterlag mit dem feministisch angehauchten „Komischen Kaiserschmarrn“dem 20-jährigen Yannik. Der machte das Rennen mit einem Brief an sein 30jähriges Ich, das nicht erwachsen werden will, und zog das von FDPChef Lindner inspirierte Fazit: „Es ist besser, nicht zur Schule zu gehen, als falsch zur Schule zu gehen.“
Dass man beim Poetry Slam in Ellwangen genau richtig war, daran zweifelten weder Besucher noch Poeten und schon gar nicht Yannik, der die von Ariane aus dem Publikum kunstvoll bemalte Karte mit dem finalen Beifall ergatterte. Nicht auf den roten Knopf drücken, mahnten die Moderatoren den Gewinner, sonst sei der Applaus weg, weil gelöscht. Schee war’s wieder bei den jungen Dichtern. Der Ellwanger Poetry Slam ist ein Erlebnis. Nächstes Jahr bestimmt wieder.