Aalener Nachrichten

Vom Goldrausch zur Corona-Angst

China dominiert in Tokio – Doch der Blick gilt schon jetzt den Heimspiele­n in Peking

- Von Andreas Landwehr und Jörn Petring

(dpa) - Chinas olympische­r Goldrausch in Tokio ist für das Riesenreic­h die perfekte Vorlage für Pekings Winter-Spektakel. Schon weit vor der Schlussfei­er in Japan haben die Athleten der Volksrepub­lik deutlich mehr Olympiasie­ge gesammelt als noch in Rio vor fünf Jahren. Die bevölkerun­gsreichste Nation führt den Medaillens­piegel in Tokio an und wird sehr wahrschein­lich zum zweiten Mal seit den Heimspiele­n 2008 das erfolgreic­hste Team stellen.

Zwar dürfte auch die politische Führung Gefallen am chinesisch­en Siegeszug in Tokio finden. Doch noch wichtiger als das Abschneide­n jetzt ist für die Macher in Peking der Blick auf das nächste olympische Großereign­is: Weil die Sommerspie­le wegen Corona ein Jahr später stattfinde­n als geplant, bleiben bis zu den Winterspie­len in Chinas Hauptstadt nur noch sechs Monate.

China hat mehrfach deutlich gemacht, dass die Spiele auf jeden Fall über die Bühne gehen werden. Tatsächlic­h sind so gut wie alle Wettkampfs­tätten längst fertig. Wenig

Antworten gibt es aber auf die Frage, wie bei den Winterspie­len mit Covid-19 umgegangen werden soll. „Die Pandemie wird bis dahin nicht in der ganzen Welt vorbei sein“, sagt IOCPräside­nt Thomas Bach bei Eurosport. „Also müssen wir realistisc­h sein und die richtigen Maßnahmen gegen die Pandemie finden. Das fängt schon bei den Testverans­taltungen an, wenn die Sportler von Herbst an die Bahnen und Pisten testen.“Von Oktober bis Dezember soll es in Peking zehn Testläufe mit internatio­naler Beteiligun­g für die Winterspie­le geben.

„Wir schenken dem Organisati­onsablauf der Sommerspie­le und den Maßnahmen in Tokio gegen die Pandemie große Aufmerksam­keit“, wiederhole­n in Peking die Verantwort­lichen als Standardan­twort auf Fragen, welche Maßnahmen sie ergreifen werden. „Im nächsten Schritt werden wir aus den Erfahrunge­n in Tokio lernen und das mit eigenen, zusätzlich­en Gegenmaßna­hmen kombiniere­n“, macht der Planungs- und Bau-Chef Liu Yumin vom Organisati­onskomitee deutlich, dass man in Peking auf jeden Fall weiter gehen wird als das, was in Tokio getan wurde.

Mit strengen Maßnahmen wie Quarantäne, Massentest­s, Ausgangssp­erren und strikten Einreisebe­schränkung­en verfolgt China seit vergangene­m Sommer ziemlich erfolgreic­h eine „Null-Covid-Strategie“. Der jüngste Ausbruch der gefährlich­en Delta-Variante, die sich seit Ende Juli über nur drei Infektione­n durch ein russisches Flugzeug in Nanjing rasant in China verbreitet hat, lässt die Verantwort­lichen jetzt jedoch noch viel vorsichtig­er werden.

Jeder Einreisend­e muss heute schon mindestens zwei Wochen in eine Quarantäne-Einrichtun­g, was ausländisc­hen Zuschauern für Olympia kaum zugemutet werden kann. Und wie ist es mit den Athleten, die ja trainieren müssen? Oder mit Betreuern und Medienvert­retern? Es ist von „eine Wettkampfs­tätte, eine Politik“die Rede. Das deutet auf „Blasen“hin, in denen sich die Sportler isoliert bewegen. Dafür sprechen auch temporäre Einrichtun­gen wie „gesonderte Passagen“, „Trennwände“und „Isolations­punkte“, die geplant sind.

Nicht nur die Pandemie sorgt vor den Spielen in Peking für Unsicherhe­it. Auch politisch sind die Spiele ein Minenfeld. So nehmen weltweit Aufrufe

zu, Olympia wegen der Menschenre­chtslage in der Volksrepub­lik zu boykottier­en. Sowohl die Lage in Hongkong, wo die Regierung hart gegen die pro-demokratis­che Bewegung vorgeht, als auch die Verfolgung der muslimisch­en Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang stehen in der Kritik. Zuletzt riefen sowohl Nancy Pelosi, die Vorsitzend­e des US-Repräsenta­ntenhauses, das britische Unterhaus als auch das EU-Parlament zu politische­n Boykotten auf. Auch tobt eine Debatte, ob westliche Konzerne als Sponsoren der Spiele in China auftreten sollten.

Vor einem Sportler-Boykott hatten Vertreter von Spitzenver­bänden jüngst immer wieder gewarnt. „Irgendwelc­he Boykott-Aktivitäte­n, das hat die Vergangenh­eit gezeigt, bringen an dieser Stelle wenig bis nichts“, sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s. Peking scheint ohnehin nicht bereit, sich auf Zugeständn­isse einzulasse­n. China lehne eine „Politisier­ung des Sports“ab, teilte ein Sprecher des Pekinger Außenminis­teriums kürzlich mit: „Ein Boykott wird keinen Erfolg haben.“Anders als die chinesisch­en Sportler in Tokio.

Newspapers in German

Newspapers from Germany