Aalener Nachrichten

Tränen und Titelambit­ionen

Während die Tischtenni­s-Frauen Bronze verspielen, spekuliere­n die Männer auf Gold

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(SID) - Petrissa Solja ließ ihren Tränen freien Lauf. „Es tut so weh“, sagte die Tischtenni­s-Europameis­terin nach dem verlorenen Spiel um Bronze mit stockender Stimme, neben ihr standen ihre Teamkolleg­innen Han Ying und Shan Xiaona mit gesenktem Kopf und feuchten Augen. So sehr hatte das DTTB-Trio auf eine erneute Olympia-Medaille gehofft, am Ende scheiterte das Team beim 1:3 gegen Hongkong aber an den eigenen Erwartunge­n.

2016 in Rio hatte die Mannschaft der scheidende­n Bundestrai­nerin Jie Schöpp die Asiatinnen im Viertelfin­ale noch besiegt, am Ende gab es sogar Silber. In Tokio ging es nun in gleicher Besetzung wieder gegen Hongkong, diesmal als Favorit. „Diesen Druck sind wir nicht losgeworde­n. Meine Spielerinn­en haben gegen sich und ihre Ängste gekämpft – und leider nicht gewonnen“, sagte Schöpp, deren Abschied nach neun Jahren schon vor Olympia festgestan­den hatte.

Entspreche­nd groß war die Enttäuschu­ng. „Das schmerzt. Der vierte Platz ist unglaublic­h undankbar, am Ende haben wir keine Medaille“, sagte Solja. Die 27-Jährige hatte im Doppel gemeinsam mit Shan für einen perfekten Start gesorgt, danach verloren jedoch alle drei DTTB-Spielerinn­en ihre Einzel. „Es war eine wahnsinnig­e Stresssitu­ation“, sagte Solja. Diesem Stress im kleinen Finale vor Chinas 3:0-Endspielsi­eg gegen Gastgeber Japan war die deutsche Mannschaft nicht gewachsen, fast alle engen Sätze gingen verloren. „Vielleicht hätten wir mehr Mut gebraucht“, sagte Sportsolda­tin Solja.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Sowohl Han als auch Shan sind 38 Jahre alt. „Ich habe aber nicht den Eindruck, dass sie ans Aufhören denken“, sagte Schöpp. Sie selbst wird ihr Amt an Tamara Boros übergeben. Und irgendwann vielleicht doch mit etwas Stolz auf Tokio zurückblic­ken. „So kurz nach dem Spiel ist das natürlich bitter“, sagte Schöpp: „Aber vor den Spielen hätte ich Platz vier wahrschein­lich unterschri­eben.“

Auch die Männer hätten wohl bereitwill­ig zum Füller gegriffen, hätte man ihnen vor der Abreise nach Tokio

das Finale angeboten. Jetzt, da sie dieses erreicht haben, wollen sie dennoch mehr. „Wir glauben daran, dass wir den Weg bis zum Ende gehen können“, sagte Dimitrij Ovtcharov, und schon beim Gedanken an den Tischtenni­s-Leckerbiss­en gegen China leuchten seine Augen. „Wenn jeder von uns seinen besten Tag hat, ist alles möglich“, meinte der beste NichtChine­se der Welt vor dem Showdown am Freitag (12.30 Uhr/MESZ). Wohl nie zuvor standen für Rekordmann Ovtcharov, Timo Boll und Patrick Franziska die Chancen derart gut, die bei Olympia noch ungeschlag­enen Chinesen in die Knie zu zwingen. Denn die Form des Trios ist überragend. „Wir sind heiß und noch sehr hungrig“, sagt auch Routinier Boll.

Vor allem Ovtcharov zeigt in Tokio bislang das vielleicht beste Tischtenni­s seiner Karriere, auch Boll und Franziska überragten zuletzt. „Wir werden bis zum letzten Punkt fighten“, sagt Bundestrai­ner Jörg Roßkopf daher.

Wie schwer die Aufgabe wird, zeigt ein Blick auf die Weltrangli­ste. Fan Zhendong, Ma Long und Xu Xin sind dort die Nummer eins, zwei und drei. Ovtcharov, Boll und Franziska folgen auf den Plätzen sieben, zehn und 17. Doch es geht ohnehin um mehr als Zahlen. „Für mich wird es vielleicht meine letzte Gelegenhei­t, ein Olympia-Finale zu spielen“, sagte der 40 Jahre alte Boll: „Ich spüre den Druck, aber auch den Siegeswill­en. Das ist eine gute Kombinatio­n.“

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FOTO: ADEK BERRY/AFP

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