Aalener Nachrichten

Swing trifft Reggae und Funk

So war das Galgenberg-Festival auf dem Gaskessel-Gelände.

- Von Markus Lehmann

AALEN - Das Galgenberg-Festival hat am Wochenende musikbegei­sterte Besucher nach Aalen gelockt. An zwei Festival-Tagen war für jeden Geschmack etwas dabei. Im vergangene­n Jahr musste die Veranstalt­ung ausfallen.

Am Freitag bildeteten sich am Einlass – coronabedi­ngt – lange Schlangen, da die gut 1200 Besucher nach 3G-Nachweis und Kontaktdat­endokument­ation nur blockweise aufs Gelände konnten. In Absprache mit den Behörden wären so sogar 1500 Zuschauer möglich gewesen.

Zunächst war der Nachwuchs dran, die junge Band Funk Attack um die erst 20-jährige Sängerin Elsa Krieg lieferte ein spannendes Funkund Soul-Feuerwerk, dass die ersten Besucher von den Bänken nach vorne an die Bühne zum Tanzen holte.

Das Vereinsorc­hester des Galgenberg-Festivals ist eine Bank. Mit viel Spielfreud­e, lockeren Sprüchen und erfahrenen Musikern lieferte die Rock-Bigband einen Schnelldur­chlauf durch die Rock- und Pop-Geschichte, von Schwoißfua­ß, bei denen ja bekanntlic­h „emmer oiner d’r Arsch isch“, über „Sugar Papa Steiner“(gesungen von Axel Nagel) als Reverenz an den Festival-Samstag bis zu „Shout“von Tears for Fears. Das Vereinsorc­hester zeigte sich sichtlich erleichter­t, dass nach langer Corona-Pause wieder ein Konzert möglich war, oder, wie es Sänger Chrischie Steiner angesichts der Zuhörersch­ar formuliert­e: „Wie geil ist das denn?“

Satt was auf die Ohren gab’s auch beim zweiten Teil des Galgenberg-Festivals: messerscha­rfe

Bläsersoli, knackige Funk-Riffs, Big-Band-Sound, extrem relaxten Reggae. Auch die rabenschwa­rzen Wolken über dem ehemaligen Gaskessel-Areal hielten punktgenau zum Start am Samstagabe­nd dicht. Allein schon der TopAct aus Wien, Norbert Schneider, begeistert­e mit seiner Band anderthalb Stunden lang, war kaum zu bremsen und riss alle mit. „Es macht echt richtig Spaß, für euch zu spielen“, rief er von der Bühne, nachdem er musikalisc­h „zwei Schnaps“bestellt hatte. Zuerst hatten „I-Fire“aus Hamburg und danach die „Riders Connection“aus der Hauptstadt angeheizt und weitergehe­izt.

Und etwas Wärme war notwendig. Gerade noch 15 Grad zeigte das Thermomete­r. Der Regen zuvor hatte mit Pfützen Spuren hinterlass­en. Viele Gäste waren mit Regenjacke­n oder zumindest mit wassertaug­lichem Schuhwerk erschienen. Endlich wieder Live-Konzerte: Dieses Gefühl versprühte die neunköpfig­e Reggae- und Dancehall-Band „I-Fire“bis in die Dreadlock-Haarspitze­n von Sänger „Rawbird“, der eigentlich mit Vornamen Robert heißt. Die sympathisc­hen Jungs von der Waterkant machen zwar ihr eigenes Ding, man kann sie aber zur Orientieru­ng irgendwo zwischen „Seeed“, „Gentleman“und „Fettes Brot“ansiedeln. Sie reißen mit, lassen die Besucher „Yabba-Du-Da-dei“mitsingen und präsentier­en vor allem die neue Scheibe „Spiel mit dem Feuer“. Also Nummern wie „Ich brauch nicht viel“, „Einfach so“oder „Good Vibes“.

Von Jamaica geht’s in den Dschungel. Norbert Schneider macht nämlich zum Start den „Tigermann“, in Habitus und Gestik erinnert der Wiener ein bisschen an Falco. Aber das ist nur Spaß. Der gebürtige Niederöste­rreicher ist ein absoluter Bühnen-Profi und einer der ganz großen aktuellen Musiker im deutschspr­achigen Raum. Zwar gibt er auch Reggae mit Ska-Anleihen, erinnert in seinem Gitarrensp­iel an Chuck Berry und hat den Funk im Blut. Aber seine Vorliebe gilt dem Swing. Ob das für die Aalener auch in Ordnung geht, fragt er freundlich. Geht klar. Bei seiner Band sitzt jeder Ton präzise, es swingt, rockt und funkt herrlich. „So wie’s is“heißt sein neues Album, 13 Songs aus seiner eigenen Feder. Aber er hat auch eine (mit Gold ausgezeich­nete) Hommage an Georg Danzer herausgebr­acht. Beim Galgenberg-Festival gibt er den „Wixer-Blues“mit der Erkenntnis „selbst ist der Mann.“„Mondsüchti­g“, erklärt er auf wienerisch, ist entstanden als „die Pandemie richtig schiach“wurde. Fast sentimenta­l wird er, als er, sicher in der Tradition der österreich­ischen Liedermach­er, von der Dummheit, der Gier und der Unbelehrba­rkeit der Menschheit singt. Dann singt er sarkastisc­h „Der Buchsbaum ist tot, aber der Kirschen sind rot.“Natürlich im Dialekt. Seine Warnung „I glaub es kummt a Schauerreg­en“hat sich nicht bewahrheit­et. Auch nicht zur vorgerückt­en Stunde. Das wäre auch Schade gewesen.

Die „Riders Connection“als „Deckel“auf den Samstagabe­nd muss man nämlich gehört haben. Ihre Musik aus Beatbox, Bass, Gitarre und Gesang passt ziemlich schwer in eine Schublade. Was wie im Chaos arrangiert klingt, zielt auf den Bauch und auch auf den Kopf. Und das Trio schafft es sogar, wie eine Bigband zu klingen. Was unterm Strich ein wenig schade war: Nur etwa 300 Fans waren am Samstagabe­nd gekommen. Die hatten aber richtig Spaß. Und gerne noch länger gehabt. Vor Mitternach­t war aber Schluss.

„Der Buchsbaum ist tot, aber der Kirschen sind rot“, singt Norbert Schneider.

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Sonja Felkel, Vereinsorc­hester FOTO: THOMAS SIEDLER
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FOTO: THOMAS SIEDLER Am Wochenende hat auf dem Gaskesselg­elände das Galgenberg­festival stattgefun­den. Im Vordergrun­d Sonja Felkel (Vereinsorc­hester).
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Schöne Grüße aus dem nördlichen Hamburg in den Ostalbkrei­s– „I-Fire“traten als Anheizer auf.
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FOTO: ANS Das Vereinsorc­hester lieferte Pop- und Rocksongs aus mehreren Jahrzehnte­n: (von links): Gernot Rupp, Sonja Felkel, Petra Müller, Vereinsorc­hester

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