Swing trifft Reggae und Funk
So war das Galgenberg-Festival auf dem Gaskessel-Gelände.
AALEN - Das Galgenberg-Festival hat am Wochenende musikbegeisterte Besucher nach Aalen gelockt. An zwei Festival-Tagen war für jeden Geschmack etwas dabei. Im vergangenen Jahr musste die Veranstaltung ausfallen.
Am Freitag bildeteten sich am Einlass – coronabedingt – lange Schlangen, da die gut 1200 Besucher nach 3G-Nachweis und Kontaktdatendokumentation nur blockweise aufs Gelände konnten. In Absprache mit den Behörden wären so sogar 1500 Zuschauer möglich gewesen.
Zunächst war der Nachwuchs dran, die junge Band Funk Attack um die erst 20-jährige Sängerin Elsa Krieg lieferte ein spannendes Funkund Soul-Feuerwerk, dass die ersten Besucher von den Bänken nach vorne an die Bühne zum Tanzen holte.
Das Vereinsorchester des Galgenberg-Festivals ist eine Bank. Mit viel Spielfreude, lockeren Sprüchen und erfahrenen Musikern lieferte die Rock-Bigband einen Schnelldurchlauf durch die Rock- und Pop-Geschichte, von Schwoißfuaß, bei denen ja bekanntlich „emmer oiner d’r Arsch isch“, über „Sugar Papa Steiner“(gesungen von Axel Nagel) als Reverenz an den Festival-Samstag bis zu „Shout“von Tears for Fears. Das Vereinsorchester zeigte sich sichtlich erleichtert, dass nach langer Corona-Pause wieder ein Konzert möglich war, oder, wie es Sänger Chrischie Steiner angesichts der Zuhörerschar formulierte: „Wie geil ist das denn?“
Satt was auf die Ohren gab’s auch beim zweiten Teil des Galgenberg-Festivals: messerscharfe
Bläsersoli, knackige Funk-Riffs, Big-Band-Sound, extrem relaxten Reggae. Auch die rabenschwarzen Wolken über dem ehemaligen Gaskessel-Areal hielten punktgenau zum Start am Samstagabend dicht. Allein schon der TopAct aus Wien, Norbert Schneider, begeisterte mit seiner Band anderthalb Stunden lang, war kaum zu bremsen und riss alle mit. „Es macht echt richtig Spaß, für euch zu spielen“, rief er von der Bühne, nachdem er musikalisch „zwei Schnaps“bestellt hatte. Zuerst hatten „I-Fire“aus Hamburg und danach die „Riders Connection“aus der Hauptstadt angeheizt und weitergeheizt.
Und etwas Wärme war notwendig. Gerade noch 15 Grad zeigte das Thermometer. Der Regen zuvor hatte mit Pfützen Spuren hinterlassen. Viele Gäste waren mit Regenjacken oder zumindest mit wassertauglichem Schuhwerk erschienen. Endlich wieder Live-Konzerte: Dieses Gefühl versprühte die neunköpfige Reggae- und Dancehall-Band „I-Fire“bis in die Dreadlock-Haarspitzen von Sänger „Rawbird“, der eigentlich mit Vornamen Robert heißt. Die sympathischen Jungs von der Waterkant machen zwar ihr eigenes Ding, man kann sie aber zur Orientierung irgendwo zwischen „Seeed“, „Gentleman“und „Fettes Brot“ansiedeln. Sie reißen mit, lassen die Besucher „Yabba-Du-Da-dei“mitsingen und präsentieren vor allem die neue Scheibe „Spiel mit dem Feuer“. Also Nummern wie „Ich brauch nicht viel“, „Einfach so“oder „Good Vibes“.
Von Jamaica geht’s in den Dschungel. Norbert Schneider macht nämlich zum Start den „Tigermann“, in Habitus und Gestik erinnert der Wiener ein bisschen an Falco. Aber das ist nur Spaß. Der gebürtige Niederösterreicher ist ein absoluter Bühnen-Profi und einer der ganz großen aktuellen Musiker im deutschsprachigen Raum. Zwar gibt er auch Reggae mit Ska-Anleihen, erinnert in seinem Gitarrenspiel an Chuck Berry und hat den Funk im Blut. Aber seine Vorliebe gilt dem Swing. Ob das für die Aalener auch in Ordnung geht, fragt er freundlich. Geht klar. Bei seiner Band sitzt jeder Ton präzise, es swingt, rockt und funkt herrlich. „So wie’s is“heißt sein neues Album, 13 Songs aus seiner eigenen Feder. Aber er hat auch eine (mit Gold ausgezeichnete) Hommage an Georg Danzer herausgebracht. Beim Galgenberg-Festival gibt er den „Wixer-Blues“mit der Erkenntnis „selbst ist der Mann.“„Mondsüchtig“, erklärt er auf wienerisch, ist entstanden als „die Pandemie richtig schiach“wurde. Fast sentimental wird er, als er, sicher in der Tradition der österreichischen Liedermacher, von der Dummheit, der Gier und der Unbelehrbarkeit der Menschheit singt. Dann singt er sarkastisch „Der Buchsbaum ist tot, aber der Kirschen sind rot.“Natürlich im Dialekt. Seine Warnung „I glaub es kummt a Schauerregen“hat sich nicht bewahrheitet. Auch nicht zur vorgerückten Stunde. Das wäre auch Schade gewesen.
Die „Riders Connection“als „Deckel“auf den Samstagabend muss man nämlich gehört haben. Ihre Musik aus Beatbox, Bass, Gitarre und Gesang passt ziemlich schwer in eine Schublade. Was wie im Chaos arrangiert klingt, zielt auf den Bauch und auch auf den Kopf. Und das Trio schafft es sogar, wie eine Bigband zu klingen. Was unterm Strich ein wenig schade war: Nur etwa 300 Fans waren am Samstagabend gekommen. Die hatten aber richtig Spaß. Und gerne noch länger gehabt. Vor Mitternacht war aber Schluss.
„Der Buchsbaum ist tot, aber der Kirschen sind rot“, singt Norbert Schneider.