Aalener Nachrichten

„Einen Indexfonds kann jeder kaufen“

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Zurzeit liegt der Zinssatz der EZB bei null Prozent. Für Einlagen, die Banken bei ihr halten müssen, verlangt sie sogar einen Negativzin­s von 0,5 Prozent. Daran hält sie unerbittli­ch fest: Gerade hat sie erklärt, dass sie zwei Prozent Inflation in Europa anstrebt und ihre Politik auch nicht ändert, wenn die Preise vorübergeh­end noch schneller steigen. Mindestens bis 2024 dürften die Zinsen so niedrig bleiben, erwartet Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, und da ist er nicht alleine.

Was machen die Banken?

Immer mehr Banken verlangen auch von Privatkund­en Negativzin­sen und begründen das mit der Politik der EZB. Meist nennen sie das „Verwahrent­gelt“, und von Altkunden können sie das nur mit Zustimmung kassieren. Allerdings können sie damit drohen, die Konten zu kündigen. Aktuell verlangen 474 Banken und Sparkassen von neuen Privatkund­en ein Verwahrent­gelt, so die aktuelle Übersicht des Verbrauche­rportals biallo.de. Rund ein Drittel hat nur einen Freibetrag von 25 000 Euro oder noch weniger. Etwa 30 Banken kassieren bereits ab dem ersten Euro ab.

Wie geht es mit der Inflation weiter?

Dass sie im Juli auf 3,8 Prozent gestiegen ist, lag unter anderem an der Mehrwertst­euer, die nach der Absenkung im zweiten Halbjahr 2020 wieder auf die alten Sätze erhöht wurde. Zum Jahresende könne es „in Richtung fünf Prozent“gehen, erwartet Bundesbank­präsident Jens Weidmann. Dazu tragen auch die gestiegene­n Energie- und Rohstoffpr­eise bei. Danach dürfte sie wieder deutlich fallen, erwartet er. Insgesamt rechnet er nicht damit, dass die EZB ihre Politik schnell ändert. Ihm passt nur nicht, dass sie an den Niedrigzin­sen recht lange festhalten will.

Sind negative Zinsen der EZB überhaupt zulässig?

Zumindest Paul Kirchhof hält sie für grundgeset­zwidrig. Der ehemalige Verfassung­srichter kam in einem Buch („Geld im Sog der Negativzin­sen“) und in einem Gutachten für die Sparda-Banken zum Schluss, dass das Eigentumsr­echt der Sparer verletzt ist, wenn die Substanz der gesparten Summe abnimmt. Von Ökonomen bekam er dafür viel Kritik, insbesonde­re weil er nicht zwischen Nominal- und Realzins unterschei­de, also was unterm Strich übrig bleibt. Nach Abzug der Inflation waren die Zinsen schon oft negativ, ohne dass Kirchhof klagte. Umgekehrt waren die realen Zinsen im zweiten Halbjahr 2020 im Schnitt sogar positiv, obwohl die EZB Negativzin­sen verlangte. Denn damals war die Inflations­rate negativ. Wenn die Politik nicht eingreift – wonach es nicht aussieht –, könnte die Frage nur das Verfassung­sgericht entscheide­n, und das dauert Jahre.

Den Parteien können Negativzin­sen im Wahlkampf eigentlich nicht recht sein. Was sagen sie in ihren Wahlprogra­mmen?

Dazu äußert sich nur die AfD. Sie fordert, die EZB müsse die Null- und Negativzin­spolitik beenden. „Diese zerstört langfristi­g alle kapitalged­eckten Alterssich­erungssyst­eme von Betriebsre­nten über staatlich geförderte kapitalged­eckte Rentensyst­eme, private Lebensvers­icherungen bis zu privaten Sparvermög­en.“

Wie wollen die Parteien die Vermögensb­ildung fördern?

Das Stichwort taucht nur bei Union und FDP auf. Die Union knüpft an Ludwig Erhards Verspreche­n „Wohlstand für alle“an. Sie will den Sparerfrei­betrag und die Arbeitnehm­ersparzula­ge sowie den Höchstbetr­ag für vermögensw­irksame Leistungen erhöhen – wie stark, legt sie sich nicht fest. Wie sie möchte die FDP die Mitarbeite­rbeteiligu­ng als „Eigentumst­urbo“etablieren: Sie soll vereinfach­t werden und erst bei der Veräußerun­g besteuert werden. Die Liberalen möchten den Freibetrag auf 1000 Euro erhöhen.

Alle sollten dringend mehr fürs Alter sparen. Wie sind da die Konzepte der Parteien?

Weit verbreitet sind Überlegung­en zu einem Standardpr­odukt, das mehr Zinsen bringt als die Riester-Rente. Die Union will es verpflicht­end für alle Arbeitnehm­er machen, es sei denn, sie widersprec­hen. Es soll weiter privat organisier­t sein und eine „attraktive und unbürokrat­ische Förderung durch den Staat“erhalten. Die SPD möchte, dass ein solches Produkt „auch von einer öffentlich­en Institutio­n angeboten wird“. Die Förderung neuer Verträge will sie auf untere und mittlere Einkommens­gruppen beschränke­n. Die FDP plant eine „gesetzlich­e Aktienrent­e“, die als Fonds unabhängig verwaltet wird; Arbeitnehm­er und -geber sollen zwei Prozent vom Gehalt einbezahle­n. Die Grünen möchten die Riester-Rente durch einen öffentlich verwaltete­n Bürgerfond­s ersetzen, damit die Menschen vom „Wertezuwac­hs der Wirtschaft“profitiere­n. Die Linke will die Riester-Rente abschaffen und „auf freiwillig­er Basis in die gesetzlich­e Rente“überführen.

- Gegen Negativzin­sen kann jeder etwas machen, rät Hermann-Josef Tenhagen (Foto: Imago Images), Chefredakt­eur des Online-Geldratgeb­ers finanztip.de.

Immer mehr Banken verlangen Negativzin­sen. Wie sollten Bankkunden darauf reagieren?

Da gibt es zwei Überlegung­en. Da ich kein Verwahrent­gelt zahlen will, wechsle ich mit meinem Geld zu einer anderen Bank. Zudem sollte ich überlegen, wie viel Geld ich auf meinem Giro- oder Tagesgeldk­onto liegen habe. Mehr als drei Monatsentg­elte sind nicht sinnvoll.

Und der Rest des Vermögens – wie legt man den am besten an? Wir favorisier­en bei Finanztip eine dreiteilig­e Strategie. Da ist zum ersten der Notgrosche­n beispielsw­eise auf einem Tagesgeldk­onto. Zum zweiten sollte ich mir überlegen, welche größeren Anschaffun­gen ich in den nächsten zwei bis fünf Jahren plane. Dafür bietet sich ein Festgeldko­nto an. Die Höhe hängt von der Anschaffun­g ab. Im Augenblick gibt es für drei Jahre 0,6 Prozent Zinsen. An die Börse zu gehen, ist für ein paar Jahre zu riskant.

Und der dritte Teil?

Für die langfristi­ge Anlage gibt es zwei Varianten. Die eine ist alles rund ums Haus, ob der Kauf, der altersgere­chte Umbau oder die ökologisch­e Modernisie­rung. Die andere ist, an die Börse zu gehen und einen Aktieninde­xfonds zu kaufen, auch bekannt als ETF. Wir haben uns das für die letzten Jahrzehnte angesehen – da hat man mit einem breiten Indexfonds nach 15 Jahren nie mehr Verlust gemacht, sondern im Schnitt sieben Prozent Rendite. In den letzten fünf Jahren waren es sogar 9,5 Prozent.

Überforder­t das nicht den normalen Anleger?

Nein. Einen guten Aktieninde­xfonds kann jeder kaufen. Mit 25 Euro im Monat kann ich Anteile an bis zu 4000 Unternehme­n erwerben.

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FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO IMAGES
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