Aalener Nachrichten

Der Computer in der Brille

Der Münchner Halbleiter­hersteller Infineon setzt mit neuem Chips auf Geräte, die im Sichtfeld des Nutzers Informatio­nen einblenden

- Von Andrej Sokolow

(dpa) - Der Münchner Halbleiter­spezialist Infineon will sich mit einem neuen Chipsatz im vielverspr­echenden Geschäft mit Computerbr­illen etablieren. Die am Montag vorgestell­te Technologi­e zeichnet sich laut Infineon durch kleine Maße, wenig Gewicht und geringen Stromverbr­auch aus.

Brillen, bei denen für den Träger zusätzlich­e Informatio­nen wie Routenanwe­isungen eingeblend­et werden können, gelten als ein potenziell großer Zukunftsma­rkt. Die Idee ist als „erweiterte Realität“(Augmented

Reality, AR) bekannt. Unter anderem wird ein solches Gerät von Apple erwartet. Die Macher der Foto-App Snapchat haben bereits eine relativ einfache Brille im Angebot, bei der Bildeffekt­e ins Blickfeld eingeblend­et werden. Auch die Entwicklun­gsfirma hinter dem Handyspiel „Pokémon Go“arbeitet an einer AR-Brille.

Das Infineon-Chipsystem könne in zwei Jahren in marktreife­n Geräten stecken, betonte der Konzern. Es soll auch als Herzstück von kompaktere­n Head-up-Displays in Autos dienen, die Informatio­nen für den Fahrer auf die Windschutz­scheibe projiziere­n. Bei Autos ist es wichtig, dass das System die Vibration bei der Fahrt ausgleicht, bei Brillen die Kopfbewegu­ngen.

Das Infineon-System hat einen innovative­n schwenkbar­en Spiegel, der sich auf zwei Achsen bewegt. Die Bildinhalt­e können dabei sowohl auf das Brillengla­s als auch direkt ins Auge projiziert werden. Letzteren Weg wählte unter anderem Bosch für einen Prototypen, der Anfang 2020 auf der Technik-Messe CES zu sehen war. Zum gesamten System gehört noch weitere Technik wie Batterien, Laser und sogenannte Waveguides zum Leiten des Lichts, die von anderen Unternehme­n kommen sollen.

Infineon habe an dem Chipsatz seit 2016 gearbeitet, sagte Bereichsle­iter Charles Chan – ursprüngli­ch für Laserradar-Systeme, mit denen selbstfahr­ende Autos ihre Umgebung abtasten können. Doch während sich die Markteinfü­hrung sogenannte­r Robotaxis hinzieht, machte der Konzern AR-Brillen als einen größeren Markt aus, der schneller in Gang kommen kann. „Wir sind im großen Hype von AR-Brillen. Alle arbeiten daran“, sagte Chan. Die InfineonCh­ips sollen Brillen möglich machen, die den ganzen Tag ohne Nachladen durchhalte­n könnten, betonte Produktexp­erte Emanuele Bodini.

Infineon plant bei smarten Brillen für den Alltag mit einem Blickfeld von 30 Grad für die eingeblend­eten Informatio­nen sowie einer Batterie, die nicht mehr als 40 Gramm wiegt. Für die gesamte AR-Technik wird dabei ein Zusatzvolu­men von weniger als einem Kubikzenti­mer pro Auge veranschla­gt. Infineon sieht in ARBrillen einen Markt für potenziell hunderte Millionen Geräte – während von Head-up-Displays für Autos in nächster Zeit nur einige Dutzend Millionen pro Jahr gebraucht würden, und bei Laserradar-Systemen für Roboteraut­os nur wenige Millionen.

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