Aalener Nachrichten

Völlig unverständ­lich

- Von Dorothee Torebko wirtschaft@schwaebisc­he.de

Beim Boxen ist die langweilig­ste Phase des Kampfes, wenn die Athleten ineinander verkeilt im Ring hin und her torkeln. Erst wenn sich ein Boxer aus dem Griff befreit, wacht das Publikum wieder auf. Dieser Moment ist für die Deutsche Bahn und die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) jetzt gekommen. Monatelang hatten sich die Parteien gegenseiti­g die Schuld für den Tarifkonfl­ikt zugeschobe­n. Nun holen die Lokführer zum Schlag aus. Doch der Punch der Gewerkscha­ft kommt zur Unzeit. Der Streik ist völlig unverständ­lich.

Die Lokführer und Zugbegleit­er haben schon häufig ihr Recht zum Arbeitskam­pf wahrgenomm­en. Oft haben sie dafür sogar die Unterstütz­ung der Bahnfahrer gehabt. Der Kampf David gegen Goliath hatte durchaus Charme. Doch seit dem letzten Streik vor sechs Jahren ist einiges passiert. Der Konzern hat sich gewandelt, der Kampf ist ein anderer – und Corona gibt es auch noch.

Klar läuft nicht alles rosig. Lange hat die Management­ebene geschlafen. Erst seit drei Jahren setzt der Konzern auf Digitalisi­erung. Auch ein zuverlässi­ger Takt soll kommen. Das Nachtzugge­schäft wird wieder aufgebaut. Es wird investiert. Und das, obwohl der Konzern die CoronaVerl­uste abfedern muss. Und das, obwohl der Wiederaufb­au in den Hochwasser­gebieten teuer wird.

All das weiß GDL-Chef Claus Weselsky. Gab es zu Beginn noch einen monströsen Forderungs­katalog, trennen die Parteien nun nur noch wenige Monate Tariflaufz­eit. Doch es geht um mehr. Weselsky befindet sich im Machtkampf mit der Konkurrenz-Gewerkscha­ft EVG. Beide wollen für das Schienenpe­rsonal verhandeln. Doch das Tarifeinhe­itsgesetz sieht vor, dass dies nur die größere Gewerkscha­ft macht – das ist oft die EVG. Mit den Streiks will Weselsky die Muskeln spielen lassen. Doch steht er auf verlorenem Posten. Die Bahn will nicht nachgeben – und zur Not klagen. Am Ende wird Weselsky mit den Streiks nur bewirken, dass sich mehr Menschen in die Bahnen quetschen müssen und Züge damit zu Pandemie-Treibern werden. Oder er wird Kunden vergraulen.

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