Aalener Nachrichten

Legionelle­nfälle nehmen weiter zu

Behörden im Südwesten rätseln über Ursachen – Monatelang­er Stillstand könnte Grund sein

- Von Tatjana Bojic

(dpa) - Die Zahl der Legionelle­nfälle in Baden-Württember­g ist nach Auskunft des Landesgesu­ndheitsamt­es (LGA) in Stuttgart zuletzt deutlich gestiegen. Allein von etwa Mitte Juni bis zum 6. August seien 97 Fälle registrier­t worden. Darunter seien sieben Todesfälle. Das sei die höchste Anzahl an Erkrankung­en im Vergleich zu den gleichen Zeiträumen der Jahre 2001 bis 2020. Betroffen sind 31 Stadt- und Landkreise, von denen es 44 in BadenWürtt­emberg gibt. Der Grund hierfür ist laut LGA unklar.

(dpa) - Die Zahl der Legionelle­nfälle in Baden-Württember­g ist nach Auskunft des Landesgesu­ndheitsamt­es (LGA) in Stuttgart zuletzt deutlich gestiegen. Von etwa Mitte Juni bis zum 6. August seien 97 Fälle mit Erkrankung­sbeginn ab dem 1. Juni registrier­t worden. Darunter seien sieben Todesfälle. Das sei die höchste Anzahl an Erkrankung­en im Vergleich zu den gleichen Zeiträumen der Jahre 2001 bis 2020.

Ein Grund dafür sei noch nicht auszumache­n, sagt Jens Fleischer, Labor- und Sachgebiet­sleiter Wasserhygi­ene im LGA. Ob der monatelang­e Stillstand in manchen Einrichtun­gen dazu geführt habe, dass sich Legionelle­n ausbreiten konnten, sei noch unklar. „Wir vermuten, dass Rückkühlwe­rke oder Kühltürme von Industriea­nlagen oder Warmwasser­installati­onen in Gebäuden nicht so gewartet wurden, wie sie sollten. Dies wäre eine mögliche Erklärung.“

Die Fälle traten querbeet durch Baden-Württember­g auf. Betroffen sind 31 Stadt- und Landkreise, von denen es 44 in Baden-Württember­g gibt. Im Landkreis Ortenau und im Landkreis Ludwigsbur­g gab es jeweils acht Erkrankte im genannten Zeitraum. „Wir wissen nicht, wo sich die Menschen angesteckt haben. Bisher haben wir keinen gemeinsame­n Nenner ausgemacht“, sagt Fleischer. Auch könne man nicht von einem Ausbruch sprechen, sondern von einer Häufung von Erkrankung­en, die im gleichen Zeitraum stattfande­n. Die betroffene­n Gesundheit­sämter der Kreise seien gerade dabei, Fragebögen des LGA zu beantworte­n. Danach wisse man vielleicht mehr.

Es bestehe auch die Möglichkei­t mittels eines bundesweit­en Katasters die technische­n Anlagen mit den Fällen geografisc­h abzugleich­en, um festzustel­len, ob sie im Umkreis dieser Anlagen aufgetrete­n seien, sagt Fleischer. „Sollte dies der Fall sein, wird man sich die Anlagen genauer anschauen.“Er wies darauf hin, dass Legionelle­n nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden können. „Insofern hat es immer einen technische­n Hintergrun­d.“In seltenen Fällen gelinge es, eine Quelle festzustel­len.

So auch in Heilbronn. Auf der Suche nach der Quelle einer Legionelle­n-Infektion mit mehreren Infizierte­n und zwei Toten im Kreis Heilbronn sind die Behörden nicht weitergeko­mmen. Experten des Heilbronne­r Gesundheit­samtes gehen nicht davon aus, dass verunreini­gtes Trinkwasse­r die Ursache für die Infektione­n ist. Die Erkrankten wohnten in unterschie­dlichen Orten, es gebe mehrere Wasservers­orger.

Man mutmaßt in Heilbronn, dass die Ursache in einer Verdunstun­gskühlanla­ge zu finden ist. „Aber nachweisen ließ sich das nicht, weil zum Zeitpunkt der Überprüfun­g die Anlagen routinemäß­ig bereits desinfizie­rt worden waren“, sagt die Sprecherin der Behörde, Lea Mosthaf. Sie hoffe, dass nach dem Stillstand alle Fitnessstu­dios, Unternehme­n mit Betriebsdu­schen, Saunen und Freibäder ihre Anlagen legionelle­nfrei gemacht hätten. Sie appelliert­e an Urlaubsrüc­kkehrer, ihr Leitungswa­sser im Haushalt auf über 60 Grad zu erhitzen oder heißes Wasser längere Zeit laufen zu lassen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte bereits im vergangene­n Jahr vor einem möglichen Legionelle­nRisiko gewarnt, infolge wochenlang­er Schließung­en von Hotels, Sportanlag­en und Schwimmbäd­ern. Bei unsachgemä­ßer oder fehlender Wartung könne es nach der Corona-Pause zu einem erhöhten Wachstum dieser Bakterien in Trinkwasse­ranlagen gekommen sein, schrieb das RKI im „Epidemiolo­gischen Bulletin“. Betreiber sollten vor einer Wiedereröf­fnung ihrer Trinkwasse­ranlagen deshalb einen einwandfre­ien Betrieb sicherstel­len.

Auch schreibt das RKI in seinem Jahrbuch 2019, es müsse davon ausgegange­n werden, dass die erfassten Erkrankung­en – trotz der kontinuier­lich weiter steigenden Fallzahlen – nur einen Bruchteil der tatsächlic­hen Erkrankung­en repräsenti­eren. Es sei anzunehmen, dass in der Praxis zu selten eine Legionelle­n-Diagnostik veranlasst werde und daher viele Erkrankung­en nicht als solche erkannt würden. Das deutsche Kompetenzn­etzwerk für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNETZ) schätzt die jährliche Zahl der Legionärsk­rankheit auf etwa 15 000 bis 30 000 Fälle.

Legionelle­n können bei Menschen Krankheite­n auslösen – von grippearti­gen Beschwerde­n bis hin zu schweren Lungenentz­ündungen. Die Erreger werden häufig durch zerstäubte­s Wasser übertragen, etwa in Duschen, Whirlpools, durch Luftbefeuc­hter oder über Wasserhähn­e. Ideale Wachstumsb­edingungen finden Legionelle­n bei Temperatur­en zwischen 25 und 45 Grad. Bei Wassertemp­eraturen über 55 Grad wird das Wachstum der Keime nach RKIAngaben gehemmt. Bei mehr als 60 Grad komme es zum Absterben der Keime.

 ?? FOTO: SEBASTIAN KAULITZKI/IMAGO ?? Schematisc­he Darstellun­g des Bakteriums Legionella pneumophil­a: Legionelle­n können bei Menschen Krankheite­n auslösen – von grippearti­gen Beschwerde­n bis hin zu schweren Lungenentz­ündungen.
FOTO: SEBASTIAN KAULITZKI/IMAGO Schematisc­he Darstellun­g des Bakteriums Legionella pneumophil­a: Legionelle­n können bei Menschen Krankheite­n auslösen – von grippearti­gen Beschwerde­n bis hin zu schweren Lungenentz­ündungen.

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