Ungeimpfte müssen ab Oktober für Corona-Tests zahlen
Bund und Länder erhöhen im Kampf gegen die Pandemie den Druck auf Verweigerer – Lob von Kretschmann
(epd/thg) Kostenlose Corona-Tests werden zum 11. Oktober abgeschafft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder haben sich am Dienstag bei einer Videokonferenz außerdem darauf verständigt, dass die Bewegungsfreiheit nicht Geimpfter künftig stärker davon abhängt, dass sie sich testen lassen. Eine Testpflicht für den Zutritt zu öffentlichen Innenräumen soll spätestens vom 23. August an für alle
Personen gelten, die nicht vollständig geimpft oder nicht von einer Covid-Infektion genesen sind.
Mit der 3G-Regel, „geimpft, genesen, getestet“, soll der Druck auf Ungeimpfte erhöht werden. Dem Beschluss zufolge gilt sie für Besucher von Kliniken und Heimen, für Feste, Kultur- und Sportveranstaltungen in Innenräumen sowie für die Innengastronomie. Auch Fitness-Studios, Schwimm- und Sporthallen sowie Friseure, Kosmetik- und Hotel-Betriebe
müssen sich Tests oder Impfausweise vorlegen lassen. Kostenlose Tests gibt es ab 11. Oktober nur noch für Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die keine Impfempfehlung vorliegt.
Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann lobte die Beschlüsse. Man habe sich „zielgerichtet auf den Herbst und Winter vorbereitet“, sagte der Grünen-Politiker. „Geimpfte und Genesene erhalten ein Großteil ihrer Freiheiten
zurück, Nichtgeimpfte müssen einen negativen Corona-Test vorweisen. Ich begrüße, dass die Tests ab dem 11. Oktober nicht mehr kostenfrei sind, denn wir haben für alle Menschen ein kostenloses Impfangebot, das jeder wahrnehmen kann. Für die, die es nicht wahrnehmen möchten, kann die Allgemeinheit nicht auf ewig aufkommen.“Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte die neuen Beschlüsse einen „Zwischenschritt“.
- Eigentlich sollte nach dem Desaster um die gescheiterte Osterruhe Schluss sein mit den unseligen Corona-Runden der Ministerpräsidenten. Aber die stattdessen beschlossene Bundesnotbremse gilt schon seit Juli nicht mehr. Nun steigen die Infektionszahlen wieder – sogar schneller und früher als vor einem Jahr. Immerhin sind inzwischen über 55 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Doch der Impffortschritt ist ins Stocken geraten. Also schalteten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Länder-Regierungschefs am Dienstag per Video zusammen. Das Ziel: Deutschland für den nahenden Herbst wappnen – und eines möglichst verhindern: einen erneuten Lockdown.
Wie soll die Impfquote erhöht werden?
„Eindringlich“appellierte die Runde an die Menschen, sich „schnellstmöglich“impfen zu lassen. Die Impfzentren sollen ihre Angebote noch leichter zugänglich machen, Arbeitgeber für betriebliche Impfungen sorgen oder ihren Mitarbeitern frei geben, damit diese zur Impfung gehen können. Anreize wie Geld oder Gutscheine sind aber weiter nicht vorgesehen.
Was steht Ungeimpften bevor?
Sie müssen sich auf neue und teilweise strengere Testpflichten einstellen und dafür künftig auch selbst bezahlen. Die derzeitig kostenlosen Bürgertests werden ab 11. Oktober abgeschafft. Angesichts des Impfangebots sei eine „dauerhafte Übernahme der Kosten“durch den Steuerzahler „nicht angezeigt“, hieß es. Eine zwischenzeitlich vorgeschlagene Pflicht zu den zuverlässigeren, aber teureren und zeitaufwändigeren PCR-Tests ist bislang allerdings nicht vorgesehen. Für einen Schnelltest wurden zuletzt rund zwölf Euro veranschlagt, bei PCRTests muss mit mindestens 70 Euro gerechnet werden. Kostenlos sind die Tests weiter für Menschen, für die es keine Impfempfehlung gibt (zum Beispiel Schwangere und Kinder) oder die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen dürfen.
Was für Testpflichten sind geplant?
Eine Testpflicht (Schnelltest oder PCR) soll vom 23. August an für Ungeimpfte künftig unter anderem bei Besuchen von Krankenhäusern und Altenheimen, im Innenbereich von Gaststätten, bei Gottesdiensten oder Kulturveranstaltungen in Innenräumen, beim Friseur, in Fitnessstudios, Schwimmbädern und in Hotels gelten. Ausgenommen sind Kinder unter sechs Jahren und Schülerinnen und Schüler, die in der Schule ohnehin regelmäßig getestet werden. Allerdings ist eine Art Öffnungsklausel für die Länder vorgesehen: Sie können je nach Infektionslage von diesen Regeln abweichen. Als Schwellenwert wurde dafür unter anderem eine Inzidenz von 35 festgehalten, die allerdings unter bestimmten Bedem dingungen auch überschritten werden kann.
Was wird mit Feiern in Innenräumen?
Dafür sieht es nach wie vor schlecht aus. Bars, Clubs und die Innenräume von Gaststätten gelten weiterhin als Hochrisiko-Zonen. Welche Einschränkungen jeweils angeordnet werden, sollen die Länder und Kommunen „situationsbezogen“entscheiden. Die Länder sind sich zudem einig, dass weiter Einschränkungen bei der Zuschauerzahl für Sportgroßveranstaltungen gelten. Genannt wurde die Obergrenze von 25 000.
Wird das Leben für Geimpfte (und Genesene) nun leichter?
Ein wenig schon: Jedenfalls sind sie von den meisten Testpflichten ausgenommen und müssen sie demnach auch nicht bezahlen. Außer
müssen sie auch dann nicht in Quarantäne, wenn sie enge Kontaktpersonen von Infizierten und selbst ohne Symptome sind. Die Quarantäne bleibt ihnen auch nach der Rückreise aus Hochrisikogebieten erspart. Ob private Fluggesellschaften, private Kultureinrichtungen oder auch Restaurants – wenn sie Nichtgeimpften den Zutritt komplett verwehren, werden sich Bund und Länder nicht dagegenstellen.
Wird die Inzidenz nun durch eine andere Größe ersetzt?
Nein. Festgehalten wurde in der Beschlussvorlage, dass die Inzidenz nicht mehr das einzige Kriterium sein soll, nach dem die Lage beurteilt wird. Herangezogen werden sollen außerdem die Impfquote, die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und damit die Belastung des Gesundheitssystems. Genaue Festlegungen und Zahlen gibt es aber bislang nicht. Eine „Glücksformel“habe man laut Markus Söder aber noch nicht gefunden.
Wieso soll die epidemische Lage von nationaler Tragweite nochmal verlängert werden?
Weil nach Einschätzung von Bund und Ländern die aktuellen Zahlen mit Blick auf Herbst und Winter zeigen, dass die Pandemie noch nicht überwunden ist. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet argumentierte, man dürfe den „erprobten Werkzeugkasten“nicht aus der Hand geben. FDP-Vize Wolfgang Kubicki wies auf einen weiteren Grund hin: Zahlreiche Einzelmaßnahmen wie Krankenhaushilfen seien formal an diese Gesetzeslage gebunden. Der Bundestag soll daher die epidemische Lage von nationaler Tragweite über den 11. September dieses Jahres hinaus verlängern.