Kohldampf im Wahlkampf
Während ruhiger Regierungstage weitgehend unbehelligt vom sogenannten Mann auf der Straße, sehen sich Politiker zu Wahlkampfzeiten gezwungen, auf Tuchfühlung zu den potenziellen Wählern zu gehen. Dabei spielt die kulinarische Außenwirkung auch eine entscheidende Rolle. Stolpert so ein handelsüblicher Minister aus einem Drei-Sterne-Restaurant, wo schon die Apfelsaftschorle locker 14 Euro kostet, signalisiert das bei den Menschen Bürgerferne, wo doch Bürgernähe dringend geboten ist.
Besser wirken da schon Politiker, die sich öffentlich zur Hausmannskost bekennen. Denn wer herzhaft seine Zähne nach einer Currywurst schnappen lässt, der kann kein schlechter Mensch sein. Weil derlei Mahlzeiten kommen uns Wählern schließlich auch immer mal unter. Wobei jene Politikerinnen und Politiker unseren Argwohn erwecken, die aus ihrer Ernährung eine gluten-, fleisch-, laktose- und vor allem freudlose Angelegenheit machen. Denn wer nicht zu genießen in der Lage ist, gilt selbst schnell als ungenießbar.
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich nun zu seiner Vorliebe für Königsberger Klopse bekannt. In seinem Leibgericht wimmelt es von Fleisch, Gluten, Laktose und Lebensfreude. Ob Herr Scholz dazu ein trockenes Brötchen isst, was sein sprödes Naturell nahelegt, verrät das Interview aber nicht. Angela Merkel wird ein Faible für Kartoffelsuppe nachgesagt. Vor diesem hausmannsköstlichen Hintergrund stehen die Chancen für einen Klops im Kanzleramt gar nicht mal schlecht. (nyf)