Aalener Nachrichten

Ausgeliste­te Zigeunersa­uce

Im Hinblick auf Rassismusd­ebatten ändern Unternehme­n eingeführt­e Markenname­n

- Von Christiane Oelrich

(dpa) - Aus Keks Negrita wird Keks Chokita: Im Zuge der Rassismusd­ebatte durchforst­et jetzt auch der weltgrößte Schweizer Nahrungsmi­ttelkonzer­n Nestlé seine Produktpal­ette, um anstößige Namen zu tilgen. In Deutschlan­d wurde aus dem Bahlsen-Keks Afrika gerade Perpetum, bei Knorr aus der Zigeunersa­uce „Paprikasau­ce Ungarische Art“. Die deutschen Unternehme­n wehrten sich in der Regel erst dagegen, etablierte Produktnam­en zu ändern, ehe sie nachgaben. War das richtig, wie Kommunikat­ionswissen­schaft und Werbebranc­he fast einhellig sagen, oder hat der Markensozi­ologe Oliver Errichiell­o recht?

„Große Unternehme­n haben unfassbare Angst, auf dem Feld der öffentlich­en Meinung zur Schlachtba­nk geführt zu werden“, sagt der Direktor an der privaten Europäisch­e Medien- und Business-Akademie (EMBA) in Hamburg. „Aber es gibt keine Marke, die wegen unethische­n Auftretens eingebroch­en wäre. Das kann man traurig finden, aber de facto ist es ein Indiz, dass die Menschen von Unternehme­n nur begrenzt ethische Grundhaltu­ng über das Normale hinaus verlangen.“

Ethisches Auftreten, das heißt in der Werbebranc­he „purpose“, also Haltung. „Unternehme­n müssen Verantwort­ung übernehmen, sie müssen ein Stück auch die Gesellscha­ft besser machen und Wegbereite­r des Wandels werden“, sagt Markenstra­tege Lars Kreyenhage­n von der Agentur Karl Anders, ein „Studio für Branding, Campaigns und Design“. Das dürfe aber nicht bei der Namensände­rung aufhören. Firmen müssten auch im eigenen Hause schauen, wo noch rassistisc­he Vorurteile vorhanden seien und sie beseitigen.

Für den Soziologen Errichiell­o ist dagegen mehr Fokus auf Haltung statt Qualität „das wirtschaft­liche Resultat eines Zeitgeists, der konkrete Leistungse­rbringung zugunsten von abstrakten Lifestyle-Ideen entwertet – Sinn statt Gier“.

Die Black-Lives-Matter-Bewegung mit Protesten gegen die Diskrimini­erung von Menschen mit anderer als weißer Hauptfarbe und die Ermordung von George Floyd in USPolizeig­ewahrsam haben die Debatten beflügelt.

Pepsico machte vergangene­s Jahr mit seiner Marke „Aunt Jemima“(Tante Jemima) Schluss. Jahrzehnte­lang wurde mit dem Logo einer rundlichen schwarzen Frau mit Kopftuch für Frühstücks­pfannkuche­n und Sirup geworben. Das Bild erinnerte an die gutmütige Haussklavi­n Mammy im Film „Vom Winde

verweht“: Sie war stets um das Wohl der weißen Herrschaft bemüht. Das Film spielte allerdings nicht im 21. Jahrhunder­t, sondern im amerikanis­chen Bürgerkrie­g in den 1860er-Jahren. Dieses Bild entspreche nicht den Grundwerte­n der Marke, hieß es bei Pepsico. Die Marke heißt nun „Pearl Milling Company“.

Rassistisc­he Sprache beizubehal­ten, zementiere Klischees und bestärke damit verbundene negative Einstellun­gen, sagt Andrea Geier, Germanisti­n an der Universitä­t Trier, die zu rassistisc­her Darstellun­gstraditio­n forscht. „Ein veränderte­r Markenname ist also ein Signal, dass man nicht Teil eines solchen Alltagsras­sismus sein möchte.“

Eine Namensände­rung sei für Unternehme­n eine Chance: „Die Firmen bekommen ja Rückmeldun­g auf solche Aktionen, auch von Leuten, die das unnötig finden. Das gibt ihnen die Chance, in Fragen, die die Gesellscha­ft bewegen, klar Stellung zu beziehen“, sagt Geier.

Es gibt viele Beispiele für Namensände­rungen: Aus der Eiscreme „Eskimo Pie“wurde in den USA „Edy's Pie“, aus Nestlés „Red Skin“(Indianer)-Lutscher in Australien ein „Red Ripper“-Lutscher. Uncle Ben's Reis soll Ben's Original werden. Das Bild des schwarzen „Onkels“, der für den Reis warb, soll verschwind­en. Wie bei „Tante Jemima“gilt „Onkel“Ben als herabwürdi­gend. Die Marke habe den Ehrgeiz, „eine inklusiver­e Zukunft zu schaffen“, teilte sie mit.

Errichiell­o findet eine Änderung von Markenname­n und Logo riskant. Damit könne eine Präsenz in den Köpfen der Verbrauche­r zerstört werden, die über Jahrzehnte aufgebaut worden sei. Kreyenhage­n räumt so ein Risiko ein. „Aber die wenigen, die sich beschweren, wenn man etwa die Z-Sauce umbenennt, sind nichts gegen die vielen, die Beifall klatschen. Die Chance, mit Haltung mehr Menschen zu erreichen, ist größer als das Risiko.“

 ?? FOTO: DPA ?? Flasche mit Zigeunersa­uce des Lebensmitt­elherstell­ers Knorr: Wegen der Diskussion über rassistisc­he Namen und Begriffe hat das Heilbronne­r Unternehme­n, das seit 2000 zum britisch-niederländ­ischen Konzern Unilever gehört, die Sauce umbenannt.
FOTO: DPA Flasche mit Zigeunersa­uce des Lebensmitt­elherstell­ers Knorr: Wegen der Diskussion über rassistisc­he Namen und Begriffe hat das Heilbronne­r Unternehme­n, das seit 2000 zum britisch-niederländ­ischen Konzern Unilever gehört, die Sauce umbenannt.

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