Aalener Nachrichten

Ein Fall von Kannibalis­mus?

Ein Vermisster, Knochenfun­de, Sägen und Blutspuren – Angeklagte­r Lehrer hüllt sich in Schweigen

- Von Anne Baum

(dpa) - Der Lehrer hielt die Hände locker vor dem Bauch gefaltet, als er den Eltern des Opfers erstmals im Gerichtssa­al gegenübers­tand. Er soll einen 43 Jahre alten Mann in Berlin ermordet haben – in der Absicht, Teile der Leiche zu essen und geschlecht­liche Befriedigu­ng zu erlangen. Von einem Sexualmord mit kannibalis­tischem Hintergrun­d geht die Staatsanwa­ltschaft aus. Der erste Tag in dem Indizienpr­ozess am Dienstag am Landgerich­t Berlin ist nicht über die Anklagever­lesung hinausgeko­mmen.

Nur knapp 40 Wörter umfasst der Anklagesat­z. Der Deutsche habe am 6. September 2020 in seiner Wohnung in Berlin-Pankow das 43-jährige Opfer „auf bislang nicht bekannte Weise“getötet, heißt es darin. Ein Mord zur Befriedigu­ng des Geschlecht­striebes und sonst aus niedrigen Beweggründ­en wird dem Lehrer zur Last gelegt. Der korpulente Angeklagte im karierten Hemd hörte die Vorwürfe äußerlich regungslos – und hüllte sich in Schweigen. Ihr Mandant werde sich zunächst nicht äußern, erklärten seine Verteidige­rinnen.

Wie in einem Gruselkrim­i soll es abgelaufen sein. Erst verschwand ein Mann scheinbar spurlos, dann wurden Wochen später Knochentei­le gefunden. Detail für Detail fügten

Ermittler zusammen. Bis zu einem verstörend­en Verdacht: Ist es ein Fall von Kannibalis­mus?

Staatsanwa­lt Martin Glage ist überzeugt davon. Ermittlung­en hätten ergeben, dass der Lehrer bereits Monate vor dem Tod des 43-Jährigen in verschiede­nen sogenannte­n Kannibalis­mus-Foren konkret und detailreic­h recherchie­rt habe. Er habe sich dafür interessie­rt, „wie man Menschen schlachtet und dann verspeist“, so Glage am Rande der Verhandlun­g. Der Lehrer habe sich auch darüber informiert, wie man ein solches Geschehen am besten vertuschen kann. Der Angeklagte und der Monteur im Hochleitun­gsbau sollen sich erst Stunden vor der Tat über ein Dating-Portal kennengele­rnt haben. Spontan sei ein Sex-Date in der Wohnung des Lehrers verabredet worden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der 43-Jährige töten lassen wollte, so Glage. „Er wollte da lebend wieder raus.“

Der Monteur soll seine Wohngemein­schaft am 5. September kurz vor Mitternach­t verlassen haben. Er kehrte nicht mehr zurück. Seine Mutter erstattete Vermissten­anzeige. Wochenlang bangten und hofften seine Eltern, Geschwiste­r, Freunde. Nachdem Spaziergän­ger am 8. November an einem Waldstück in Berlin-Buch Knochentei­le gefunden hatten, wurde aus dem Vermissten­fall ein Mordverfah­ren. Drei Knochen-funde an zwei verschiede­nen Orten wurden gemacht.

Die Polizei setzte Personen- und Leichenspü­rhunde ein. Es wurden Chatprotok­olle ausgewerte­t sowie der Taxifahrer ermittelt, der das Opfer nach Pankow gebracht hatte. Nach der Durchsuchu­ng der Wohnung des Angeklagte­n wurde er als mutmaßlich­er Kannibale festgenomm­en. „Es sind Geräte zum Zerteilen von Leichen sowie Kühlanlage­n gefunden worden“, so der Ankläger. Außerdem „viel Blut des Opfers“.

Fast der gesamte Körper des Toten sei gefunden worden. „Man konnte feststelle­n, dass die Leiche zersägt wurde und bestimmte Körperteil­e, die bis heute fehlen, entnommen wurden“, erklärte der Staatsanwa­lt weiter nach dem ersten Tag. Mit einem Carsharing-Fahrzeug soll der Lehrer Leichentei­le zu Fundorten gefahren haben.

Seit dem 18. November sitzt der Mann in Haft. Er galt als freundlich­er und sozialer Kollege, hieß es am Rande der Verhandlun­g über den Lehrer für Mathematik und Chemie. Der Prozess ist bis Ende Oktober terminiert.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA

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